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Schon am frühen Nachmittag verabschiedete sie sich in der
Klinik, weil sie noch Besorgungen erledigen und an einem Vortrag
arbeiten musste, sagte sie. Sie fuhr von der Klinik aus direkt
gleich zur Post. Von dort wollte sie zu Hause anrufen. Sie hatte
Glück, eine der Kabinen in der Post waren frei. "So, noch mal
tief durchgeatmet und dann kann es losgehen. Hoffentlich
bekommen die nicht gleich einen Herzkasper. Na ja, ein kleiner
Schock wird's schon sein ... aber ein schöner. Mama und Papa
werden sich freuen. Sie werden so glücklich sein."
Sie kam sofort durch und es meldete sich ein Hausmädchen, dem
sie nur sagte, dass sie ihre Mutter sprechen wollte und gleich
noch mal anrufen würde. Sie wartete ein paar Minuten und wählte
erneut. Sie spürte wie ihr beim Wählen die Tränen hoch kamen.
Diesmal war gleich ihre Mutter in der Leitung.
"Hallo Mama ... Mama ... wie geht es Euch ...?" Sie schluchzte.
"Angela ... meine Angela ... ist das schön Dich zu hören ...!
Aber was ist mit Dir ...? Du weinst ja ...? Warum weinst du mein
Liebling ...?"
"Ja ... Mama ... ich bin nicht traurig ... weißt du ... ich bin
so glücklich ... dass ich weinen muss ... sehr glücklich ...!
Außerdem bin ich glücklich dich zu hören ...!"
"Sag ... mein Liebling ... was ist mit Dir ...? Was ist los ...
mein Liebling ... sag es mir ... Irgendetwas stimmt doch nicht
mit Dir ... das spüre ich ... du hast doch sonst nicht angerufen
und so geweint ...? Sag es deiner Mama, mi amore. Was ist es
...?"
Zwischenzeitlich war auch ihr Vater zum Telefon geeilt und stand
neben der Mutter. Wenn schon seine Angela einmal anrief, dann
musste er auch ihre Stimme hören.
Ihr Weinen schüttelte Angela jetzt förmlich. Sie konnte nur noch
mit tränenerstickter Stimme laut flüstern "Mama ... Mama ... ich
bekomme ein Baby ...! Hörst du ... eure Angela wird eine Mama
...!"
"Was bekommst Du ...? Waaas ...?" Ihre Mutter war fassungslos.
"Ich bekomme ein Kind ... Mama ... ein Baby ... verstehst du
...?"
"Ein Kind kriegt unser Liebling ... Angela bekommt ein Kind ...
ein Baby ... unsere Angela bekommt ein Baby ... mein Gott ...
ein Baby ... Angela ... Liebling ... sie bekommt ein Baby ...
unsere Angela ...!" schrie sie laut aufweinend zu ihrem Mann
gewandt. Dann rief sie mit voller Lautstärke in den Hörer
"Angela ... Angela ... Liebling ... was ist ... du bekommst
wirklich ein Kind ... wirklich ein Kind ... ein Baby ... ein
richtiges Baby ...? Sag es noch mal ... bitte ... bitte ... sag
es noch mal ... ich kann es nicht glauben ... wieso bekommst du
ein Baby ...?"
"Jaaa ... Mama ... es ist so ... ich bin schwanger ... eure
Angela ist schwanger ... verstehst du ...?"
Jetzt weinten auch ihre Eltern. Es brach schluchzend aus ihnen
heraus. Beide trugen ihre zitternden Beine nicht mehr. Sie
setzten sich auf die Couch, ansonsten wären sie beide in diesen
Sekunden jetzt zusammengebrochen.
"Freut Euch das ... Mama ... Papa ...? Seid ihr auch so
glücklich ...?"
"Ja, mein Liebling, wir sind so glücklich, dein Papa weint vor
Freude ... Er kann nicht sprechen ... Und ich weine auch ...
weil ich so glücklich bin ... mein Liebling ... Das ist seit
unendlich vielen Jahren das Schönste, was wir gehört haben ...
Geht es dir denn auch gut ... mein Liebling ...? Ist sonst alles
in Ordnung mit Dir ... mein Liebling ... O Gott, O Gott ... das
ist ein Wunder ... unsere kleine Angela wird Mama ... sie
bekommt ein Baby ... ein Baby ... unsere Angela wird eine Mama
... eine Mama ... ich liebe dich ... mein Liebling ...?"
"Ja, Mama ... mir geht es wunderbar ... Ich weiß es seit ein
paar Tagen ...!"
"Und ... sag mal ... mein kleiner Liebling ... sag mal ... wo
passiert denn einer braven Nonne so was ...?" Jetzt lachten sie
alle aus vollem Halse.
"Ich war in den Bergen ... Mama ... na ja ... und da war ein
schlimmes Gewitter und dann ist es in einer Hütte passiert,
einfach so. Es waren die schönsten Stunden meines Lebens, Mama.
Es war so schön und er war so lieb. Es war einfach nur schön,
verstehst du, Mama, wunderschön, nur unglaublich wunderschön.
Ich weiß nur, dass er Klaus heißt und aus Stuttgart kommt. Sonst
weiß ich nichts."
Ihr Vater lachte und rief laut, immer noch schluchzend, ins
Telefon "Mehr brauchst du auch nicht! Hab keine Bange, meine
kleine, liebe Angela, den finden wir schon, wenn es sein soll,
mein Liebling. Mach dir keine Sorgen mi amore. Zuerst kommt
unsere kleine Mama jetzt bald nach Hause. Dann sehen wir weiter.
Mein Liebling pass auf Dein Baby auf, und auf Dich natürlich
auch, mi amore ... Gott behüte dich, mein Kind ... Gott segne
dich ... Gott behüte dich, mein Kind ... und dein Kind ... Ich
liebe dich, mein Liebling ... meine kleine Angela ... ich liebe
dich ... Danke ... mein Liebling ... und pass auf dich auf ...
bitte mi amore ...!"
"Jaaa, Papa, ich tue es ... ich verspreche es dir ... Ciao Papa
... Ciao Mama ... Ciao ... Ciao ... ich liebe euch so sehr ...
und bin auch so glücklich ...!"
Angela hatte ihnen schnell noch gesagt, wie sie sich jetzt
verhalten würde. In etwa drei bis vier Monaten wollte sie dann
nach Hause kommen. Dann ließe sich ihr Zustand langsam nicht
mehr verheimlichen. Sie verabschiedete sich von ihren Eltern und
fuhr zurück zum Kloster.
Die Wochen vergingen wie im Flug. Angela war sehr darauf
bedacht, dass sie nichts Schweres heben musste. Sie begründete
es mit einem schmerzenden Rücken. Die Mitschwestern hatten alle
längst gespürt, dass sie sich seit der Bergwanderung komplett
verändert hatte. Einerseits war sie wieder so, wie früher. Aber
andererseits war sie für diejenigen, die sie näher kannten, auch
ein klein wenig eine andere geworden. Und eine ihrer
Mitschwestern, Schwester Felicitas, dachte sogar "Wenn ich es
nicht besser wüsste, weil sie als Nonne das nicht sein kann,
würde ich sagen, sie ist schwanger. Dafür habe ich einen Blick,
war ja schließlich jahrelang auf der Gynäkologischen Abteilung.
Ja, ihre Augen, ihr Blick, sie sieht aus und sie benimmt sich
auch genau wie eine Schwangere, einfach komisch, seltsam! Seit
der Bergwanderung ist sie so anders, hat sie sich komplett
verändert. Wieso sollte sie als Nonne nicht schwanger sein
können? Nein, so manche Mitschwester wäre vielleicht einem
schnellen Abenteuer mit einem Mann nicht abgeneigt, niemals
Margareta!" Eine Erklärung hatten sie alle nicht.
An einem Samstagmorgen ging Angela zur Oberin und teilte ihr
mit, dass sie den Orden verlassen musste. Dem Orden entstand
dadurch kein Schaden. Immerhin hatte er ihr das Studium
finanziert. Dafür übergab sie der Oberin einen Scheck mit einem
sehr hohen Summe. Sie wollte nicht im Unfrieden das Haus
verlassen. Zuerst wollte sie den wahren Grund dafür nicht sagen.
Erst als die Oberin immer wieder nachfragte, sagte sie ihn ihr
"Mir ist in den Bergen etwas begegnet, was wohl einem Menschen
wirklich nur ein Mal in seinem Leben begegnen kann. Und ich war
vollkommen machtlos, wie gelähmt. Ich habe dabei meine Gelübde
gebrochen und seltsam, ich musste es tun, ich habe es mit
Leidenschaft und gerne getan, und ich würde es liebend gerne mit
diesem wunderbaren Mann wieder tun, verstehen Sie das Schwester
Oberin? Ich bin schwanger von dem Mann, mit dem ich nur ein paar
Stunden zusammen war. Es ist nicht einfach so passiert. Ich
wollte es so sehr, in diesen Stunden und mit diesem Mann. Das
musste so passieren.
Die Oberin sah sie lange schweigend an. Dann sagte sie "Angela,
der Herrgott hat dir ganz einfach eben jetzt damit einen ganz
anderen Weg damit zugewiesen. Du wirst ihn gehen und du musst
ihn auch gehen. Sicher kannst du anderswo auch das tun, was du
im und für den Orden getan hast, nämlich voll und ganz immer für
andere Menschen da sein ...!" Es flossen dabei auf beiden Seiten
viele Tränen.
Zuvor musste die Oberin allerdings versprechen, dass sie es
niemand sagen würde. Ihre Mitschwestern, niemand, sollte jemals
den wahren Grund erfahren. Sie hatte ganz einfach an einer
anderen Stelle eine neue Aufgabe übernommen.
Ihre wenigen Habseligkeiten hatte sie schnell gepackt. Die
Oberin, die ihr sehr dankbar war, hatte sie doch das Kloster von
seinen drückenden finanziellen Sorgen befreit, brachte sie noch
am Vormittag zur Bahn. Von ihren Mitschwestern hatte sie sich
noch schnell verabschiedet. Sie sagte, dass sie eine lange Reise
überraschend antreten musste. Nur Schwester Felicitas schaute
sie länger schweigend an und blickte auf ihren Bauch. Sie sagte
nichts weiter und verabschiedete sich ebenfalls von ihr. Sie war
in der gleichen Zeit wie Angela in den Orden eingetreten und sie
waren sich sehr verbunden.
Sie fragte nur "Du kommst nicht wieder, Margareta ...?"
"Nein, ich komme nicht mehr zurück!" antwortete Angela unter
Tränen "Feli. Nein, ich kann nie mehr zurück zu euch. Das tut
mir so leid. Es tut mir nicht leid, was geschehen ist, verstehst
du? Ich bin dem Herrgott so dankbar, und ich bin so glücklich,
dass es so wunderbar geschehen ist!" Felicitas ahnte, warum das
so war. Die Veränderungen ihrer Mitschwester in den letzten
Wochen waren für sie, die sie seit vielen Jahren täglich mit ihr
in der Klinik arbeitete, unübersehbar. Beide weinten sie, als
Felicitas im Weggehen flüsternd fragte "Bist du denn wirklich
glücklich ...?"
"Ja, das bin ich, meine geliebte Feli, meine beste Freundin, die
du mir immer warst und bleibst, ich bin sehr, sehr glücklich. Es
waren die schönsten Stunden meines Lebens. Und es war einfach
nur wunderbar ... unbeschreiblich schön. Und das, was ich jetzt
erleben darf, ist die Frucht einer vollkommenen Liebe in
mir...!" Dabei strich sie mit einer Hand über ihren Bauch und
die beiden schauten auf ihre streichelnde Hand.
Auch Ihre Mitschwester weinte heftig "Ich freu mich für Dich und
ich beneide Dich sehr. Ich würde mir wünschen, dass alles für
mich auch so passierte, und ich werde für dich beten ...!"
Da zog sich bei beiden ein inniges Lächeln durchs Gesicht und
sie fielen sich ein letztes Mal weinend in die Arme. Felicitas
hatte geahnt, was passiert war. Jetzt war es ihr zur Gewissheit
geworden. Niemals würde sie allerdings mit jemand darüber
sprechen.
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Einsam und irgendwie völlig entwurzelt fühlte sie sich, als sie
schließlich im Schnellzug nach Italien saß und der Zug den
Bahnhof verließ. Sie dachte "Ob ich wohl noch jemals wieder
hierher zurückkommen werde? Es war immerhin für lange Zeit meine
neue Heimat und sollte es doch für immer bleiben! Nein, ich
werde nie mehr zurückkommen!" Tiefe Wehmut empfand sie, als der
Zug losfuhr. Sie begleitete sie sehr lange auf dieser Fahrt.
Es kam ihr sehr ungewohnt vor, dass sie ohne ihre Ordenskleidung
in einem fast schon altmodischen Kostüm, Schuhen und nicht
gerader modernster Frisur saß, so, wie sie bei ihrer Ankunft im
Kloster in Rom damals ausgesehen hatte. Immer wieder
überwältigte sie ihre Traurigkeit. Wenn sie allerdings an das
dachte, was in ihrem Bauch heranwuchs, und jetzt schon richtig
spürbar war, dann wurden ihre traurigen Gedanken immer wieder
blitzschnell hinweggefegt. Dann dachte sie nur noch daran, wie
es mit Klaus war, was er wohl macht, wie sie ihn finden könnte.
Dann dachte sie nur noch an ihr Kind und überlegte, wie groß es
wohl schon wäre. Diese Gedanken begleiteten sie die ganze lange
Zugfahrt bis nach Hause.
Es gab jetzt keine Margareta mehr, die sie zur Vernunft rief,
die sie erinnerte, mahnte. Jetzt war sie wieder nur noch die
Angela, die sich einfach nur noch nach der Geborgenheit des
Zuhauses sehnte. Sie dachte immer wieder nur "Margareta ist
jetzt Vergangenheit, der Angela gehört jetzt die Zukunft - und
meinem Kind! Es war eine schöne Zeit! Immer war ich glücklich
und zufrieden. Das bin ich jetzt auch irgendwie. Und doch ist
alles ganz anders, ganz anders ...!"
Als sie ankam, wurde sie von ihren Eltern schon sehnsüchtig
erwartet. Sie weinten nur noch vor Freude und wollten sie gar
nicht mehr loslassen. "Unsere kleine große Angela ist wieder zu
Hause, zu Hause. Sie wird eine Mama, eine Mama. Dass du nur
wieder da bist ...!" Immer und immer wieder sagte es ihr Vater
mit tränenerstickter Stimme. Ihre Mutter konnte vor
hemmungslosem Heulen, Schluchzen und vor freudiger Rührung
minutenlang gar nichts sagen und sie nur festhalten.
Und dann ging es nach Hause, in das große, herzogliche Palais.
"Nach Hause!", dachte Angela, "Wie das klingt. Seltsam, als ich
damals wegfuhr, dachte ich auch, ich komme im Kloster in Rom zu
Hause an und fühlte mich im Kloster auch immer so, ich freute
mich so, dass ich endlich von zu Hause weg und dorthin kam, wo
ich so für immer leben konnte, wie ich es mir von Herzen
wünschte. Ich hatte so große Sehnsucht nach einer vollständigen
Hingabe an Gott, nur für Gottes Willen, nach seiner Liebe, nach
dem Leben in der Gemeinschaft der Ordensfamilie und wollte alle
überflüssigen, menschlichen Bedürfnisse für immer ablegen. Nur
in seinen Dienst wollte ich mich stellen. Und jetzt, wo mir der
Herrgott offensichtlich eine andere Aufgabe zugewiesen hat,
freue ich mich wieder, wie ein Kind in mein altes Zuhause und in
den Schoß der Familie zurückkehren zu können ...!"
Ihre Zimmer waren unverändert. Alles war perfekt vorbereitet.
Sie legte sich auf das große Bett und ließ ihre Gedanken
schweifen "Eigentlich bin ich mit Allem gescheitert, was ich
wollte, was ich mir vorgenommen hatte. Andererseits aber auch
wieder nicht. Ich hatte wirklich geglaubt, dass man alles
Menschliche, auch die ganz natürliche, jedem Menschen zu eigene
Sehnsucht nach dem anderen Geschlecht, ablegen kann, für immer
vollkommen keusch sein kann. Ja, das kann man, und mir ist das
nie schwer gefallen. Man kann es, so lange einem nicht der
Mensch begegnet, der genau für einem bestimmt ist. Dann brechen
Staudämme, dann bricht alles zusammen und man ist rettungslos
verloren und fühlt doch so sehr, dass man unendlich viel
gewonnen hat, was mit nichts aufwiegbar ist ...! Nein, mein
Herrgott hat mich in dieser Nacht gewähren lassen, vielleicht
weil er sah, dass ich an einem anderen Platz eine Aufgabe noch
besser erfüllen sollte, wie im Kloster, genau so hat es die
Oberin beim Abschied gesagt. Vielleicht hat sie recht.
Vielleicht ist wirklich meine Heimat nur hier, zu Hause hier im
Palais ... und ich habe sie nur noch nicht in der ganzen
Tragweite erkannt. Der Herrgott wird mir schon den richtigen Weg
weisen, wenn ich mich entscheiden muss. Darauf verlass ich
mich."
Und dann kam wieder die Erinnerung an Klaus und die kurze Zeit
mit ihm "Angela, du warst aber wirklich sehr, sehr unkeusch,
richtig hemmungslos. Und es war so wunderschön. So ein starker
Mann ist doch etwas wunderschönes, auch wenn er am Anfang
furchtbar weh tun kann. Das muss einfach so sein. Eigentlich
hätte ich da ja viel nachzuholen. Nein, mit diesem einen Mal hab
ich alles Versäumte tausendfach erlebt. Wenn ich die Augen
zumache, spüre ich ihn noch immer. Er ist noch so jung und so
lieb und so zärtlich. Ob ich ihn wohl irgendwann mal wiedersehe?
Ob unsere Weg sich noch einmal kreuzen? Ich glaube, dass wir für
einander bestimmt sind, und der Herrgott uns noch irgendwann
zusammenführen wird ... ganz sicher ... wir sehen uns wieder
...!"
In den ersten Tagen musste sie sich erst einmal wieder ihrem
Zuhause etwas vertraut machen. Die ganze große Familie freute
sich, dass sie wieder da war. Den Grund verheimlichte sie noch.
Weniger erfreut waren diejenigen aus der Familie, die sich schon
als Universalerben gesehen hatten. Ihren Cousins entging jetzt
ein gigantisches Vermögen und der Titel des 'Duca', des Herzogs.
Sie hätten das Geld sehr gut gebrauchen können, weil sie alle
hoffnungslos verschuldet und finanziell schon lange am Ende
waren. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie mit Gaunereien und
zwielichtigen Geschäften.
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Angela ging zuerst einmal zum Arzt der Familie. Und der hatte
auch gleich eine weitere ungeheure Überraschung für sie bereit.
Immer wieder hatte er sich die Ultraschallaufnahmen angesehen
und Angela fragte "Ist etwas nicht in Ordnung, Herr Doktor ...?"
Er lachte "O doch, Prinzessin Angela, alles ist in bester
Ordnung. Ich wollte mich nur noch mal vergewissern, ob ich mich
nicht getäuscht habe ...!"
"Wieso getäuscht ...?" fragte Angela.
"Prinzessin Angela, sie bekommen nicht nur ein Baby ...!" sagte
er lächelnd.
Angela fragte "Wieso, nicht nur ein Baby, was meinen sie damit
Doktor? Ist es etwas Schlimmes ...?"
"O nein, es ist wirklich alles wunderbar, ganz wunderbar! Sie
werden nicht eines, sondern zwei Babys bekommen, zwei ...,
verstehen sie ... zwei Babys, Zwillinge ... Und der Junge und
das Mädchen sind offensichtlich bei bester Gesundheit. Alle
Ergebnisse, auch die Blut- und Fruchtwasseruntersuchungen,
könnten nicht besser sein. Und alles ist dran ... einfach nur
perfekt ...!"
"Zwei Babys ... täuschen sie sich auch nicht, Herr Doktor ...
Zwillinge ... ganz bestimmt ... sie machen keinen Scherz ... sie
sind sich ganz sicher ...?" Angela war vor Glück einer Ohnmacht
nahe. Wäre sie dabei nicht auf der Liege gelegen, wäre sie ganz
bestimmt auf dem Boden zusammengebrochen, so sehr nahm sie diese
Nachricht mit. Sie war sprachlos und ließ ihren Freudentränen
einfach minutenlang freien Lauf. Es dauerte ein wenig, bis der
Arzt fortfahren konnte "Sehen Sie auf diesen Bildern, hier sind
sie beide abgebildet. Man kann alles sehr genau erkennen. Ich
gebe Ihnen die ersten Bilder ihrer Kinder mit, Prinzessin ...!"
"Ja, das wäre schön ...!"
Als sie wieder auf der Straße stand und zum wartenden Auto ging,
hätte sie am liebsten vor Freude laut zu singen und zu tanzen
begonnen. Sie war einfach nur noch glücklich. Auch ihre Eltern
waren es über alle Maßen und weinten vor Freude. Eine Junge und
ein Mädchen würden es sein.
Als Angela wieder im Palais in ihren Räumen war, und an ihrem
Schreibtisch saß, nahm sie die Bilder von Klaus, das Taschentuch
und die ersten Bilder ihrer Kinder heraus. Sie legte sie mit
zitternden Händen vor sich auf den Schreibtisch. So saß sie über
Stunden und dachte voller Sehnsucht immer wieder nur an diese
wunderbaren Stunden mit ihm. Immer wieder nahm sie das mit
seinem eingetrockneten Samen benetzte Taschentuch, roch daran,
küsste es und dachte. "Unglaublich, was du mit mir gemacht hast,
mein Geliebter. Wir werden zwei Kinder bekommen, mein Liebster,
zwei, hörst du, zwei. Und sie werden bestimmt so sein wie du,
zumindest der Junge. Er wird so stark und so zärtlich sein, wie
du. Er wird auch so hübsch sein, genau wie du. Und vor allem, er
wird so ein lieber und guter Mensch sein, genau wie du, ganz
bestimmt ist es so, ich weiß es ...!"
Immer wieder sah sie auf das Bild, das ihr der Frauenarzt
gegeben hatte, und sagte leise vor sich hin "Das sind meine
Kinder, ich werde ein Mama, eine richtige Mama und ich werde
euch eine gute Mama sein, die beste, die es gibt ...!" Dabei
strich sie immer wieder mit ihren Händen über ihren Bauch. Und
Freudentränen liefen dabei über ihre Backen. Als sie danach in
die Kapelle des Palais ging, konnte sie nicht beten. Sie redete
nur mit ihrem Herrgott und war voll unendlicher Dankbarkeit für
das, was er ihr geschenkt hatte, ihre Kinder.
Die Zeit bis zur Geburt schon schnell verflogen und Angela
konnte überglücklich ihre beiden Kinder im Arm halten. Sie und
ihre Kinder wurden von ihren Eltern vergöttert. Klaus, der ihnen
unbekannte Erzeuger der Kleinen, war sowieso längst zu einem
anbetungswürdigen, überirdischen Wesen geworden. Ihm verdankten
sie nach so vielen Jahren der Traurigkeit über den Weggang ihres
einzigen Kindes das große Glück. Ein Jahr war sie schon untätig
zu Hause und spürte mit jedem Tag mehr, dass sie zumindest
zeitweilig ihren Beruf wieder ausüben wollte. Ihr weiterer
Lebensweg war damit sehr schnell konkret vorgezeichnet. Gerne
und sofort gab man in einer nahe gelegenen Klinik der
hochqualifizierten Chirurgin eine Halbtagsstelle.
Angela war eine perfekte, eine wunderbare Mutter. Für ihren
Vater und ihre Mutter war sie sowieso die Größte, gab es doch
jetzt wieder nach ihnen einen Duca im herzoglichen Palais, den
Enkelsohn. Die kleine Enkeltochter hätte er am liebsten den
ganzen Tag auf dem Arm getragen. Ihre Mutter war einfach nur
glücklich. Alle wünschten sie sich, dass es immer so blieb.
Angela dachte oft an Klaus und fragte sich immer mehr, wie sie
ihn finden konnte. Immer wieder hatte sie Telefonate geführt und
alle Pensionen und Hotels in der ganzen Gegend um den Berg, auf
dem sie waren, angerufen. Niemand hatte in dem fraglichen
Zeitraum einen Gast, auf den die Beschreibung von Klaus passte.
Auch den Bürgermeister hatte sie gebeten, Nachforschungen
rundherum anzustellen. Selbst ein von ihrem Onkel beauftragter
Privatdetektiv blieb erfolglos. Dass sie in Deutschland erst gar
nicht mit einer Suche zu beginnen brauchte, wurde ihr sehr
schnell klar, als sie sich einmal das Telefonbuch von Stuttgart
und der ganzen Region im Internet ansah. Klaus war wirklich die
berühmte Stecknadel im riesengroßen Heuhaufen.
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Klaus wusste nur ihren Ordensnamen und ihren vorherigen
Vornamen. Dass sie aus Italien, aus der Provinz Kalabrien
stammte, und in einem Kloster in München wohnte, hatte sie ja
erwähnt. "Mein Gott, warum hab ich sie nicht nach mehr gefragt.
Sicher, zuerst schaute es nach einer unbedeutenden Begegnung aus
und danach haben wir an das ganz bestimmt nicht mehr gedacht.
Dass sie so klammheimlich die Hütte verlassen würde, hätte ich
niemals gedacht ...!" Immer wieder zermarterte er sich den Kopf,
ob sie nicht doch noch etwas gesagt hatte, was für ihn eine
echte verfolgbare Spur gewesen war.
Krampfhaft überlegte er, wie er sie finden kannte "Zuerst
brauche ich einmal alle Nonnenklöster in München und Umgebung."
Systematisch telefonierte er eines nach dem anderen ab und
erzählte immer wieder seine gleiche unverfängliche Geschichte.
Er blieb erfolglos. Eine Schwester Margareta gab es zwar in
einem Fall. Die war aber uralt und kam nicht in Frage. Nur bei
zwei Gesprächen hatte er das Gefühl, dass die Nonne in der
Telefonvermittlung ein paar Sekunden bis zu einer Antwort
gezögert hatte, genau so, als ob sie einen kleinen Schreck
bekommen oder überlegt hatte, ob und was sie sagen sollte. Da
dachte er bereits, dass er richtig war. Doch dann kam auch da
die schnelle Antwort "Nein, gibt es leider nicht bei uns."
Über zweieinhalb Jahre waren zwischenzeitlich vergangen. Klaus
hatte etwas resigniert und seine Nachforschungen nur noch
gelegentlich fortgesetzt. Zwischendurch packte ihn aber dann
doch immer wieder der Ehrgeiz und sein unbeugsamer Wille, obwohl
im irgendwie klar, dass es wohl vergebliche Mühe blieb. Angela
ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie begleitete ihn an jedem
Tag und jeden Abend, vor allem in den Monaten nach der
Begegnung. In jedem Gesicht, das seiner Angela ähnlich war, sah
er sie. Andere Frauen existierten für ihn nicht mehr, auch wenn
sie sich ihm als noch so begehrenswert präsentierten. Allen in
der Klinik schien er völlig verändert. Und doch wusste niemand,
warum aus einem Liebling der Frauen, der keine Gelegenheit zum
Flirten ausgelassen hatte, so plötzlich ein eher schweigsamer
und in sich gekehrter Mensch geworden war.
Was hatte er sich mittlerweile alles besorgt, alle verfügbaren
Bücher, Bildbände und Karten über Kalabrien. Er kannte diese
ganze Provinz im südlichen Italien mittlerweile teilweise besser
als seine eigene Heimat. Alle Ordensniederlassungen in ganz
Oberbayern war er im Internet durchgegangen. Jede freie Stunde
saß er die erste Zeit an seinem PC und stöberte in den Seiten
der Klöster. Er überlegte krampfhaft, warum seine Angela niemand
in allen befragten Klöstern kannte. Immer wieder sah er sich die
Seiten im Internet an.
Eine der Ursachen für seine bisherigen Misserfolge glaubte er
schließlich entdeckt zu haben. Die Klöster hatten nahezu alle
irgendwelche Filialen, Altenheime, Kindergärten, viele soziale
Einrichtungen und Krankenhäuser. Konnte es nicht sein, dass sie
dort irgendwo arbeitete und wohnte? Das konnte eine Erklärung
dafür sein. Alle fraglichen Einrichtungen, die er entdecken
konnte, listete er noch in der gleichen Nacht auf. Auch die
beiden Orte, bei denen er schon für Sekunden bei seinem Anruf
geglaubt hatte, dass er am Ziel wäre, waren wieder darunter. Sie
waren beide im Großraum München.
Er dachte unentwegt "So, mein Liebling, jetzt krieg ich dich,
ich finde dich, und wenn ich für den Rest meines Lebens suchen
muss, morgen werden wir das Netz etwas enger ziehen ...!"
Erstmals war er davon überzeugt, dass er auf der richtigen
Fährte war. Er hatte wieder Mut. Sein anfänglicher Optimismus
war wieder voll da. Gleich am Morgen wollte dort anrufen. Beides
waren große Einrichtungen, ein Altenheim und eine Klinik, und
hatten damit auch viel Personal. Und für beide Einrichtungen war
das zuständige Kloster an einem anderen Ort, also nicht
unmittelbar an der Einrichtung.
Das Altenheim war schnell angewählt. Eine Schwester Margareta
gab es dort nicht, auch nicht in den übrigen Einrichtungen
dieses Ordens, zu denen auch die Klinik gehörte. Die Nonne in
der Vermittlung hatte extra alle Verzeichnisse durchgesehen. Das
Gespräch war eigentlich schon wieder beendet, als sie sagte
"Moment, wir hatten mal eine Schwester mit diesem Namen in der
Klinik. Sie war dort Ärztin. Die ist aber vor Jahren schon aus
dem Orden ausgeschieden. Wie sie ausgesehen hat? Tut mir leid,
Ich bin ihr nie begegnet, weil ich erst kurz danach in den Orden
eingetreten bin. Sicher gibt es da noch Schwestern, die Näheres
wissen. Sie müssten halt einmal dort nachfragen. Ich kann Ihnen
dazu leider nicht mehr sagen ...!" Seine Bitte nach einem
Gespräch mit der Oberin und um ein Nachsehen in den Unterlagen
des Ordens lehnte sie nach Rückfrage bei ihrer Oberin
kategorisch ab "Wir können Ihnen leider keine weiteren Auskünfte
geben ...!"
Er dachte nur "Das ist sie, die konkrete Spur. Das muss sie
sein, meine Klosterschwester Margareta, meine Angela!" Gleich
nach dem Telefonat war er viel zu aufgeregt für einen Anruf
dort. Minutenlang zwang er sich zur Ruhe und überlegte "Vor über
3 Jahren, genau da waren wir beide in den Bergen. Aber warum hat
sie den Orden dann so kurz danach verlassen, wo er ihr doch so
viele Jahre Heimat und Zuhause war? Klaus, jetzt nur nichts
falsch machen. In dieser Klinik ist irgendwo der Schlüssel zu
meiner Angela ...!"
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Er wusste genau, was er sagen wollte "Ich melde mich einfach als
Arzt, der die Kollegin sprechen möchte. Am besten sage ich, dass
ich ihr mal an der Uni begegnet bin. Dann wird man mir
vielleicht eher etwas sagen, als wenn ich nur als Privatmann
anrufe ...!" Dem sonst so überaus ruhigen Chirurgen zitterten
die Hände. Sein Herz spürte er bis zum Hals schlagen, als er die
Nummer wählte. Es meldete sich eine nicht mehr ganz junge
weibliche Stimme "Schwester Felicitas Station ...!"
"Schwester Felicitas, Grüß Gott, hier ist Dr. Klaus Höfer aus
Stuttgart, ich hätte gerne Schwester Margareta gesprochen ...!"
"Schwester Margareta?" Es folgten Sekunden Pause. "Eine solche
gibt es hier nicht, Herr Doktor Höfer ...!"
"Doch Schwester, sie muss vor etwa drei Jahren bei Euch als
Ärztin gewesen sein. Ich bin ihr an der Uni mehrfach begegnet
und muss sie dringend etwas fragen ...!"
"Sie war einmal bei uns, ist aber leider schon länger nicht mehr
hier ...!"
"A ja, das wusste ich gar nicht. Ich dachte, ich könnte sie bei
euch noch erreichen. Dann wissen Sie aber doch ganz bestimmt, wo
ich sie jetzt erreichen kann ...?"
"Das kann ich Ihnen nicht sagen", kam die zögerliche Antwort.
"Ich kann ihnen aber einen anderen Arzt geben, der Bescheid
weiß. Vielleicht hilft Ihnen das weiter. An welcher Uni sind sie
ihr denn wann begegnet ...?"
"Nein, nein, ich müsste schon mit ihr selbst sprechen. Ach ja,
in München und Stuttgart sind wir uns öfter begegnet während des
Studiums ...!" Und er erzählte seine Story, die er sich zurecht
gelegt hatte. Anschließend war eine lange Pause. Er spürte, dass
am anderen Ende der Leitung irgendetwas geschah. Warum sagte
diese Schwester jetzt urplötzlich nichts mehr?
"Herr Doktor, sie haben mich jetzt mindestens zehn Mal
angelogen, wenn ich richtig mitgezählt habe ...!"
"Wieso, warum, das verstehe ich nicht ...!"
"Das verstehen Sie sogar sehr gut, sehr gut Herr Doktor ...!"
"Sie haben recht, Schwester, es tut mir leid, ich habe sie
belogen. Aber, ich will doch nur meine Angela, die Schwester
Margareta wieder finden, und das versuche ich jetzt schon in
jeder freien Minute meines Lebens seit über fast drei Jahren!
Niemand weiß etwas oder sagt mir etwas ...!" Seine Stimme klang
sehr verzweifelt, den Tränen nah. Und genau so fühlte er sich
auch.
Auch Schwester Felicitas war tief bewegt "Die Schwester
Margareta, die ich kenne, und vermutlich meinen wir beide die
Gleiche, hat ausschließlich in Italien studiert. Sie war die
ersten zehn Jahre ihres Ordenslebens in einem Kloster unseres
Ordens bei Rom. Und einen Hüftbeutel hat sie ganz bestimmt nicht
verloren. Sie hatte nämlich gar keinen, weil sie immer alles in
einem Rucksack verwahrte, wenn sie in die Berge fuhr. Sie müssen
nicht schwindeln, Doktor, ich glaube, ich kenne die ganze
Wahrheit, Herr Doktor, zumindest habe ich sie irgendwie erahnt.
Und ihr Anruf bestätigt das ja schon fast alles ...!"
"Die Wahrheit, über mich und Angela? Was meinen sie damit ...?"
brach es aus ihm heraus.
"Ich glaube schon. Sie ist ein paar Monate nach der Wandertour
überraschend aus dem Orden ausgetreten und noch am gleichen Tag
zu ihren Eltern gereist. Wir waren alle wie vor den Kopf
geschlagen ...!"
"Ja, und warum ist sie denn ausgetreten? Der Orden war doch ihr
Ein und Alles ...?"
"Seit der Begegnung mit Ihnen war er das wohl nicht mehr, das
heißt, ich weiß es nicht genau, es schien uns allen zumindest
so, dass sie nach einem Wochenende in den Bergen zu einer ganz
anderen geworden war ...!"
Er dachte nur immer wieder "Dann liebt sie mich genau so, wie
ich sie. Ganz bestimmt konnte auch sie die Stunden in den Bergen
nicht vergessen ...!"
"Das verstehe ich nicht." Er dachte "Ich muss Zeit gewinnen und
diese Schwester am Hörer festhalten. Sie weiß mehr." Über
Sekunden hinweg war wieder nur Schweigen.
Mehr flüsternd und mit tief bewegter Stimme fuhr sie fort "Ich
habe es die Monate nach ihrer Rückkehr, bis sie schließlich so
schnell ging, auch nicht verstanden. Niemand konnte das
verstehen. Es tat uns allen so furchtbar leid. Sie war so ein
wunderbarer Mensch ...!"
"Ich weiß, wie recht sie haben ...!"
"Kennen Sie sie denn näher ...?"
"Nein, nein, wir sind uns nur einmal kurz begegnet, das war
allerdings auch nur kurze Zeit, genau genommen nur eine Nacht
...!"
"Diese kurze Zeit hinterließ aber offensichtlich ein paar
besonders tiefe Spuren. Sonst würden sie jetzt nach über drei
Jahren nicht noch nach ihr suchen ...?"
"Es waren wunderschöne Stunden, die wir zusammen verlebten. Für
mich waren es die Schönsten meines Lebens. Ich liebe sie. Ich
liebe sie mehr als mein Leben und ich bekomme sie aus meinem
Kopf und meinen Gefühlen nicht mehr heraus, verstehen sie das
...?" Er wirkte sehr verzweifelt. Und in diesen Minuten war er
es auch.
"Sie hatten großes Glück, dass ich ans Telefon ging. Die anderen
Schwestern und Ärzte sind größtenteils wohl erst nach ihrem
Weggang auf die Station gekommen. Die hätten Ihnen jetzt gar
nichts sagen können, weil sie sie nicht mehr gekannt haben.
Margareta und ich haben uns all die Jahre sehr gut verstanden
...!"
"Glück, nein, daran glaube ich bei Angela schon von der ersten
Sekunde an nicht mehr. Das war und ist sehr viel mehr ...!"
"Ganz bestimmt haben Sie recht ...!"
"Wo ist sie denn zu Hause, wie heißt sie, bitte, sagen Sie es
mir ...!"
Schwester Felicitas spürte sein Verzweiflung, seine Sehnsucht
und Hilflosigkeit. Sie wusste, dass es nur sie war, die ihm
weiterhelfen konnte, weil das Kloster dazu niemals etwas
preisgegeben hätte. Dort brauchte sie ihn also gar nicht erst
hin zu verweisen. Sie begann zu erzählen: "Ich weiß nicht, ob
ich ihnen das jetzt alles sagen darf. Ich glaube schon. Ich tue
es jetzt einfach, wenn Sie mich bitte nicht verraten, also nicht
sagen, wer es Ihnen gesagt hat ...!" Er versprach es ihr hoch
und heilig.
Sie erzählte, was sie wusste "Irgendwo in Kalabrien ist sie zu
Hause, es muss eine große Stadt sein. Wenn man sie fragte,
sprach sie manchmal von einem sehr großen alten Haus mit vielen
Räumen und einem riesigen Park nahe am Meer, sehr nahe an der
felsigen Steilküste. Ach ja, und recht vornehm muss es da
zugegangen sein. Ich vermute fast, dass ihre Familie etwas
Besonderes, vielleicht Adelige waren. Auch ihr Familienname
klang so. Sie ist Chirurgin, also wird sie vielleicht versuchen,
dort wieder in ihrem Beruf arbeiten zu können, wenn sie
tatsächlich in ihre Heimat zurückgekehrt ist. Ihren
Familiennamen habe ich mir leider nicht gemerkt. Er war ziemlich
lang, klang sehr italienisch ...!"
Nach einer weiteren längeren Pause fuhr sie fort: "Sie erwähnte
auch einmal, dass es offensichtlich mehrere Bedienstete gab, die
sich um alles kümmerten. Ach ja, ab dem Tag ihres Wegganges
hatte unser Mutterhaus scheinbar auch keine finanziellen Sorgen
mehr. Das konnte damals Zufall gewesen sein. Aber dem Orden ging
es seit ihrem Weggang auf wundersame Weise wirtschaftlich
blendend und die Oberin sagte damals auch etwas von einer
überaus großzügigen Zuwendung. Aber das ist wohl nicht von
Bedeutung. Es ist nur aufgefallen, wie herzlich die Oberin
Margareta verabschiedete und sie immer wieder umarmte.
Normalerweise ist sie in einem solchen Moment nicht gerade so
überaus herzlich, eher frostig und reserviert, sehr traurig
...!" Zu allem Übrigen dachte sie nur an das Versprechen, das
sie ihrer Mitschwester beim Abschied gegeben hatte und sagte
nichts.
Nach einer weiteren sekundenlangen Pause sagte sie mit bewegter
Stimme "Sie muss sie unvorstellbar geliebt haben, Herr Doktor.
Aber das alleine war wohl nicht der Grund für ihr Weggehen. Mehr
kann ich dazu nicht sagen. Und Sie scheinen sie ebenfalls sehr
zu lieben, sonst würden sie nicht über drei Jahre nach ihr
suchen. Ich beneide Angela, ich beneide sie sehr ...!" Man hörte
Wehmut aus ihren leisen Worten.
"Sie haben mir sehr geholfen, Schwester. Ich danke Ihnen sehr,
herzlichsten Dank. Ich werde Ihnen das nie vergessen ...!" Damit
war das Gespräch auch schon wieder beendet. Geholfen? Das hatte
sie wirklich mehr als er zu hoffen gewagt hatte. Endlich,
endlich wusste er jetzt sehr konkret, nach wem und wo er suchen
musste. Alles weitere Suchen konnte jetzt nur noch ein
Kinderspiel sein, meinte er sehr erfreut, und stieß einen
regelrechten Freudenschrei aus.
Er sank in seinem Sessel zurück. Jetzt kullerten auch bei ihm
die Tränen, Es brach regelrecht aus ihm heraus. So lange hatte
er sie schon ergebnislos gesucht Was hatte er nicht alles
versucht und telefoniert, Nachschlagewerke gewälzt und gelesen.
Zeitweilig war jede freie Minute nur dem verzweifelten Suchen
gewidmet. Und jetzt schien sie urplötzlich zum Greifen nahe zu
sein. Da konnten einen die Gefühle schon etwas überwältigen.
"Moment, was hatte sie noch gesagt 'Sie muss sie unbeschreiblich
geliebt haben. Aber das alleine war wohl nicht der Grund dafür,
dass sie gegangen ist. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.' Was
meinte sie damit. Was könnte es denn für einen anderen Grund
noch gegeben haben ...?" dachte er immer wieder. Er fand keine
Antwort darauf. Vielleicht hatte sie ja die Absicht, den Orden
zu verlassen, schon länger? Dass es keinen anderen Mann gegeben
hatte, da war er sicher. In ihren gemeinsamen Stunden gehörte
sie einem Mann, mir, zum ersten Mal und zwar ganz, ihr Leib, ihr
Geist und ihre Seele. "Ich war zu tausend Prozent ihr erster
Mann, das habe ich in jeder Sekunde genau gespürt. Niemand kann
sich so verstellen, warum sollte sie auch. Sie ist schon dieser
Engel, diese Heilige, die ich immer noch in ihr sehe, und so
sehr verehrte, und meine tiefe Sehnsucht damit verbinde ...!"
"Egal, was sie damit gemeint hat. Ich muss sie finden, dann
werde ich es wissen! Jetzt brauche ich all das Zeug über
Kalabrien. Zuerst einmal alle Karten herausgesucht. Wie war das
noch mal, große Stadt am Meer, felsige Steilküste, sehr großes
Haus mit vielen Räumen, großer Park, vornehme Leute, Adelige?
Das müsste doch jetzt wirklich mit dem Teufel zugehen, wenn ich
mit diesen vielen Informationen nicht schnell zum Ziel kommen
sollte." Er sollte sich ein klein wenig getäuscht haben.
Die ganze Welt sah für Klaus von einer Sekunde zur anderen
wieder ganz anders aus. Vorher war alles grau in grau, düster
und traurig. Komisch, jetzt freute er sich sogar über den Regen,
sah alles nur noch in den schönsten Farben. Er war glücklich. In
seinem häuslichen Arbeitszimmer hatten sich mittlerweile Bücher,
Reisekataloge, Karten, alles, was er von irgendwo her über das
Land bekommen konnte, gestapelt. Er entwickelte sich zum
regelrechten Spezialisten für diesen armen Landstrich mit seinen
kargen Böden.
Eine Stadt nach der anderen prüfte er anhand seiner gesammelte
Werke und machte sich eifrig Notizen, klebte sich Hinweise und
Merkzettel in die Unterlagen. An jedem Arbeitstag konnte er
nicht schnell genug nach Hause kommen, weil er gleich mit seinen
Recherchen weitermachen wollte. Jede freie Minute und viele
Nächte drehte sich alles nur noch um dieses Land. Nicht einmal
für Besucher, wie seine Eltern und Geschwister und verflossene
Liebschaften oder Damen, die er früher mal umworben hatte, nahm
er sich Zeit. Vor Angela wäre er mit den Damen ziemlich sicher
schon nach kurzer Stunde im Bett gelandet. Diesmal signalisierte
er ihnen schon an der Türe, dass er keine Zeit hatte, weil er
leider an einer sehr dringenden wissenschaftlichen Arbeit saß.
Das verstand man allseits oder tat zumindest so.
Nach Wochen, in denen er sich mehrmals gründlich in falsche
Richtungen verrannt hatte, blieb schließlich ein Ort übrig, der
nahezu perfekt in sein Schema passte. Er beschloss, den längst
fälligen Urlaub anzutreten und dort hin zu fahren. Ihm war klar
geworden, dass er nur vor Ort eine Chance hatte, Angela zu
finden. Da er nur einzelne Brocken Italienisch verstand, hatte
er bei allem, was sich zu Kalabrien angehäuft hatte, immer
wieder große Probleme. Wichtige Seiten blieben ihm verschlossen.
Immer wieder versuchte er deshalb gleichzeitig seine Italienisch
Kenntnisse zu verbessern. Wie sollte er ansonsten von Stuttgart
aus jemand dort finden, von dem er nicht einmal den Namen
wusste, oder erfragen konnte. Dort sprach mit Sicherheit niemand
ein Wort Deutsch.
Ganz so war es nicht. Viele Männer und Frauen aus Kalabrien
waren ab den sechziger Jahren jahrzehntelang als Gastarbeiter in
Deutschland. Die meisten sind wieder dorthin zurückgekehrt und
haben sich eine Existenz aufgebaut. Deutschland ist den
Kalabresen ein sehr guter Begriff und man mag sich, weil das
Verhältnis von Anfang an auch immer auf der sogenannten
'gleichen Augenhöhe' war. Die Kalabresen waren den Deutschen mit
den Jahren ihres Hierseins zu lieben Mitmenschen geworden, die
sich auch als solche geradezu ideal integrierten.
-------
Angela selbst war die ganze Zeit seit ihrer Rückkehr nicht
untätig gewesen. Sie wollte und sie musste den Vater ihrer
Kinder finden. Ihre Sehnsucht würde sie ansonsten irgendwann
regelrecht verbrennen. Schon wenige Tage nach ihrer Ankunft
hatte sie mit ihren Eltern darüber gesprochen, was man alles
unternehmen konnte. Es schien ihnen aussichtslos. Trotzdem
beauftragte ihr Vater gleich am nächsten Tag seinen Bruder Dino,
der ein angesehener Anwalt in Neapel war. Der wiederum schaltete
Privatdetektive ein, die sich intensiv darum kümmern sollten.
Nach Wochen der emsigen Suche und Recherchen waren diese
schließlich tatsächlich erfolgreich. Sie hatten den Senner immer
wieder befragt und seine Erinnerung mit Geldscheinen
aufgefrischt. Schließlich und endlich hatten sie die
Informationen, die sie zum Erfolg führten. Der alte Senner
erinnerte seinen Namen und seinen Beruf. Alles andere war nur
noch ein Kinderspiel. In Stuttgart war er schnell gefunden und
alles Nähere über ihn ausgekundschaftet.
Sofort informierten sie ihren Auftraggeber. Der befahl ihnen
zurückzukehren. Ihr Auftrag war erfüllt. Sehr lange dachte er
darüber nach, ob er es seinem Bruder, dem Herzog Ricardo, sagen
sollte. Seine Söhne waren heftig dagegen. Sie hatten, bereits
das große Erbe und den Titel des Duca vor Augen, mit Angelas
Kindern alles verloren. Das war schon Katastrophe genug. Mit
einem solchen Mann wäre nur die Gefahr verbunden, dass die Enkel
des Duca noch mehr und ihre Chancen auf das Erbe noch geringer
wurden. Sie hatten schon ihre Not mit den Enkeln des Duca. Immer
wieder hatten Dinos Söhne darüber geredet, wie man Angela und
ihre Kinder am besten aus dem Weg räumen konnte. Ein Mann und
weitere Kinder hätten ihre bösen Absichten noch sehr viel mehr
erschwert. Zudem war er für den sehr standesbewussten
Familienzweig von seiner Abstammung her geradezu ein Schandfleck
für die Familie.
Dino verschwieg seinem Bruder Ricardo, dass er den Vater seiner
Enkel gefunden hatte. Er sagte ihm genau das, was er selbst
schon angenommen hatte "Es ist aussichtslos!" Als er Angela
darüber nach der Geburt ihrer Kinder informierte, war sie sehr
traurig und konnte es nicht glauben. Sie war von den Babys
allerdings Gott sei Dank sehr abgelenkt. Die beiden forderten
viel Kraft und Zeit. Und manches Mal tröstete sie sich mit dem
Gedanken, dass ja beide zur Hälfte ihr Klaus waren und der Junge
sogar seinen Namen trug.
Für Dino, oder besser seine Söhne, war damit das falsche Spiel
noch lange nicht zu Ende. Sorgsam hielten sie Klaus unter
Beobachtung. Die Freunde ihrer Organisation, die größtenteils
von Deutschland aus operierten, hielten auf ihn ein wachsames
Auge. Ihr Interesse an Klaus nahm allerdings im Laufe der Jahre
rapide ab. Während sie ihn im ersten Jahr noch regelrecht
beschattet und mit anonymen Anrufen am Arbeitsplatz und privat
überwacht hatten, kümmerten sie sich die folgenden zwei Jahre
nur noch sporadisch und irgendwann überhaupt nicht mehr um ihn.
Die Gefahr, dass er ihnen in die Quere kommen konnte, schien
gebannt zu sein. Es war ein blöder Zufall, der den Wege von
Klaus mit denen der nicht gerade wohl gesonnenen Verbrecher
kreuzte.
Die Söhne des Conte Dino, Carlo und Silvio, waren mit mehreren
Mitgliedern ihrer Organisation auf dem Weg in den Süden. Sie
fuhren in mehreren unabhängig voneinander fahrenden Fahrzeugen
und hatten ihr Geld auf die Fahrzeuge verteilt, die mit mehreren
Minuten Abstand hintereinander fuhren. In Deutschland hatten sie
große Mengen Rauschgift und Falschgeld verkauft. Auf mehreren
Wegen war es per Schiff in raffiniert präparierten
Feigenlieferungen in Salerno, mit Brieftauben zwischen Brindisi
und Bari und mit großen Modellflugzeugen bei Otranto in riesigen
Mengen angeliefert und auf unterschiedlichen Wegen nach
Deutschland transportiert worden. Die Verstecke in ihren Autos
waren gefüllt mit echten Geldscheinbündeln. Auch sie wollten in
den Süden. Ihr Ziel war Salerno unterhalb von Neapel, wo bereits
die nächste Lieferung zusammengestellt wurde. Ihre
obligatorische Strecke nach München und zurück führte über
Bologna und Rom. Klaus entdeckten sie, als er bei Modena seine
erste längere Pause einlegte. Am Rasthaus besorgte er sich
gerade Getränke und ein paar belegte Semmeln.
An der Kasse stand zufällig einer der Brüder in der Schlange
hinter ihm. Es war Carlo, der ältere und besonders skrupellose,
der auch der Chef der Organisation war. Er erkannte Klaus sofort
und es durchfuhr ihn ein heftiges Erschrecken. Hatte er doch
längst angenommen, dass von ihm keine Gefahr mehr drohte. Carlo
zischte den hinter ihm stehenden Kumpanen zu "Das ist Angelas
Deutscher. Ich erkenne ihn sehr genau, ohne Zweifel. Wo will der
hin? Geht ihm hinterher und schaut, wo er parkt und beobachtet
ihn unauffällig ...!" Gleichzeitig informierte er über sein
Handy die Kumpane.
Schnell lief er zu seinem Bruder, der im zweiten Fahrzeug war
und besprach mit ihm die Situation. Dass Klaus hier war,
bedeutete rein gar nichts. Unzählige Ziele waren möglich. Zuerst
mussten sie herausfinden, wohin er wollte. Da blieb ihnen nichts
anderes übrig, als ihm einfach zu folgen. Sie fuhren ihm
hinterher. Ständig wechselten sie sich ab. Einer von ihnen blieb
immer in Sichtweite in seiner Nähe. Ihre geplante Fahrtroute
mussten sie ändern, als Klaus in Bologna über die an der
Ostküste entlangführende Autobahn abzweigte. "Das bedeutet zwar
einen sehr erheblichen Umweg. Solange wir aber nicht wissen, was
er genau vorhat, müssen wir dranbleiben!" befahl Carlo.
Klaus fiel das alles nicht weiter auf. Er wollte möglichst
schnell in Kalabrien sein und sein Fahrzeug, ein besonders
schnelles Fabrikat aus Stuttgart, war sowieso auch für die
Italiener immer so eine Art Freifahrtschein. Bereitwillig
räumten sie die linke Fahrbahn, die er mit der höchsten
erlaubten und manchmal auch unerlaubten Geschwindigkeit
scheinbar gepachtet hatte. Seine Sehnsucht drängte ihn.
Die ganze Fahrt über dachte er an Angela, was sie wohl sagen
würde, wie sehr er sie fest in die Arme nehmen und küssen würde.
Solche 'Stimmungshochs' wechselten mit pessimistischen Gedanken
und dachte über die zwischenzeitlich vergangen drei Jahre nach
"Ist sie überhaupt noch frei? Will sie mich denn noch, oder hat
sie die Ereignisse auf dem Berg schließlich nur als nette
Abwechslung betrachtet und längst vergessen? Nein, das ganz
sicher nicht. Die Frau, die ich erlebt habe, war die
wunderbarste, der ich jemals begegnet bin. Sie war wirklich
reinen Herzens, unschuldig und ..., einfach vollkommen. Genau
so, habe ich sie erlebt und genau so habe ich sie in Erinnerung.
Und genau so ist sie auch über diese drei Jahre geblieben. Sie
hat doch gesagt, dass sie nie einem anderen Mann gehören wird."
Was er allerdings jeweils nicht ganz beiseiteschieben konnte,
war die Angst, dass sie in diesen Jahren trotzdem einen Mann
kennen gelernt hatte und vielleicht schon längst verheiratet
war. Drei Jahre waren eine furchtbar lange Zeit. Es konnte
unendlich Vieles zwischenzeitlich mit ihr passiert sein.
Carlo hatte sich bereits auf dem Rastplatz in Modena mehrere
Möglichkeiten zurecht gelegt. Sie mussten höllisch aufpassen,
hatten sie doch viel Geld dabei und unbeschriebene Blätter waren
sie alle nicht mehr. Wenn sie ihn schon umlegen wollten, dann
musste es unbedingt nach einem eindeutigen Unfall aussehen.
Alles andere schied aus, war viel zu riskant und nur etwas für
die Spezialisten ihrer Verbrecherorganisation. Den ersten
Anschlag unternahmen sie auf einem Rastplatz bei Ancona. Sie
wollen die Bremsleitungen manipulieren, während ihn andere in
der Raststätte aufhalten sollten. Klaus kam jedoch schneller zu
seinem Auto zurück, als sie gerechnet hatten, und mussten den
Plan aufgeben.
Als er dann schließlich in Bari Richtung Westen, also eindeutig
in Richtung Catancero abbog, wurde ihnen endgültig klar, wohin
er wollte. Sie kannten alle diese Straßen. Oft genug hatten sie
sie für ihre Rauschgifttransporte von Taranto, Bari und anderen
Küstenstädten aus nach dem Norden benutzt. Hier wollten sie es
erneut versuchen. Dort war ein längeres Stück, das am Abgrund
und auf einer nur schlecht gesicherten, langen Brücke
entlangführte. Auf dieser nur sehr wenig befahrenen Strecke
wollten sie ihn abdrängen. Bis er in einer dieser Schluchten
gefunden wurde, waren sie längst wieder in Salerno. Alles hatten
sie genau besprochen. Die Fahrkünste von Klaus machten ihnen
allerdings blitzschnell einen Strich durch die Rechnung.
Instinktiv war er voll auf das Gaspedal und ihnen mit einem
gekonnten Fahrmanöver ausgewichen und davon gefahren. Von da an
blieben die Ganoven weit hinter ihm. Sie kannten sein Ziel und
konnten jetzt auch abwarten. Und wie man noch sehen wird, war es
nicht ihr letzter Versuch.
-------
Es dauerte noch etwas, bis er seinen Urlaub endlich antreten
konnte. Gleich am ersten Tag fuhr er schon sehr früh am Morgen
los und hatte Glück. In ein paar Stunden war er in Bozen. Über
Rimini, Pescara und Bari führte ihn sein Weg immer entlang der
Adria nach Süden. Sein Ziel war Santa Bernardo am Golf von
Taranto, an der Steilküste zum Mittelmeer, ganz im Süden des
Stiefels, zwischen Absatz und Stiefelspitze. Am Abend hatte er
es geschafft und suchte sich in Santa Bernardo ein Hotel. Er
hatte fast seinen ganzen Jahresurlaub genommen. Vier Wochen
hatte er jetzt Zeit, seine Angela zu finden. Das musste reichen.
Gleich am nächsten Tag wollte er sich etwas umsehen und
vielleicht auch schon mit der Suche beginnen. Zuerst musste er
sich aber einmal von den Strapazen der sehr langen Fahrt
ausschlafen, die man normalerweise mit einer Übernachtung
dazwischen bewältigte.
Es war Anfang September. Die Temperaturen waren noch heiß. Vom
Meer spürte man den ganzen Tag über ein laues Lüftchen. Erst
sehr spät am Vormittag stand er am nächsten Tag, es war ein
Samstag, auf. Er fühlte sich wie gerädert. Das mediterrane Klima
war herrlich, musste er aber erst etwas gewöhnen. Nach dem
späten Frühstück schaute er sich zuerst einmal vor dem Hotel
etwas um. Das Hotel lag scheinbar mitten in der für seine
Begriffe kleinen Stadt. Bis zur Steilküste war es nicht weit. Er
beschloss ganz einfach mal dort hin zu spazieren und
anschließend sich in der Stadt etwas umzuschauen.
Lange genoss er die Aussicht an der Küste, schaute immer nur auf
das Meer hinaus und hing seinen Gedanken nach "Genau genommen
ist das Suchen jetzt immer noch so, als ob ich in einem
haushohen Heuhaufen nach der berühmten Stecknadel suche ...!" Er
war überzeugt, dass er diese Nadel finden würde. Wieder in der
Stadt fand er schnell ein nettes Lokal. Dort setzte er sich
unter einen Sonnenschirm und bestellte sich das, was er auf der
Speisekarte mit seinen bescheidenen Italienisch Kenntnissen
entziffern konnte.
Nachdem er einige Geschäfte abgeklappert hatte, schaffte er das,
was er von Deutschland aus mehrfach ergebnislos versucht hatte,
er konnte von der Stadt und der ganzen Gegend einen brauchbaren
Detailplan erstehen. Das war ja nun genau das, was er benötigte.
Damit setzte er sich wieder in eines der zahlreichen
Straßencafes und versuchte sich zu orientieren. "Zuerst schau
ich mal, wo große Häuser mit Park möglichst nahe an der Küste
liegen. Da gibt es ja offensichtlich etliche. Meines kann da
recht gut dabei sein ...!", dachte er und kennzeichnete die
fraglichen Objekte. Nur ein Haus war wohl eher ein sehr großes
Schloss mit mehreren Gebäuden und lag in einem großen Park.
Gleich in der Frühe wollte er sich die alle einmal etwas näher
ansehen. Zur Mittagszeit, wenn es dann sehr heiß wurde, wollte
er wieder im Hotel sein, und dann bis zum späten Nachmittag, wie
die Italiener klugerweise auch, Siesta machen.
Genau das machte er auch am nächsten Tag. Schon um 8 Uhr saß er
im Auto und war auf dem Weg zum ersten Objekt. Es war noch
menschenleer auf den Straßen. Nur wenige Autos waren unterwegs,
und schon bald stand er vor dem ersten Haus. Er stieg aus,
schaute es sich näher an, versuchte auch über und durch den
hohen Zaun und Bewuchs zu schauen, und suchte am Eingangstor ein
Namensschild zu finden. Das gab es nicht. Zumindest hatte er
davon einmal die Hausnummer, das war auch schon etwas. Als er
schon wieder weggehen wollte, kam ein alter Mann aus dem Garten
auf das Tor zu. Er versuchte ihn zu fragen, wer hier wohnt und
ob hier auch eine Angela sei. Der verstand nach etlichem Hin und
Her schließlich dann auch, was er wollte. Bei dem Namen Angela
schüttelte er jedoch nur den Kopf. Damit war für Klaus alles
klar. Er bedankte sich und war schon auf dem Weg zur nächsten
Villa. Als er sich dann um die Mittagszeit aufmachte und wieder
zum Hotel zurückfuhr, hatte er alle Villen abgeklappert, die er
sich für diesen Küstenabschnitt vorgenommen hatte. Eine Angela
gab es jedoch nirgends.
Am nächsten Küstenabschnitt versuchte er dann am Nachmittag sein
Glück und war schon mitten am Nachmittag bei brütender Hitze
wieder unterwegs. Die ersten 20 Gebäude konnte er sehr schnell
abhaken. Jetzt blieben noch zwei heruntergekommene Villen und
dann noch der ganz große Komplex weit außerhalb der Stadt. Zu
denen wollte er sich am nächsten Tag aufmachen. Die Villen waren
offensichtlich unbewohnt. Blieb also nur noch der große Komplex
und im Landesinneren, allerdings schon etliche Kilometer
entfernt, ein paar weitere Komplexe, die allerdings der Karte
nach zu schließen auch kleine Ortschaften sein konnten. Also auf
zu dem ganz großen Gebäude.
Das war ja nun kein Haus oder eine Villa mehr. Das war eine
riesige Schlossanlage inmitten eines überdimensionalen Parks, an
dem er fast schon kilometerweit bei der Herfahrt von der einen
Richtung vorbeigefahren war. Er suchte die Einfahrt. Dort musste
es auch irgendwo am Eingang dann ein Namensschild geben. Es war
keines zu finden.
Er stand noch an der Säule, auf der er ein Schuld vermutet
hatte, als in diesem Moment eine große Limousine ganz langsam
auf das Tor zufuhr. Direkt neben ihm fuhr der Wagen an ihm
vorbei. Und da er kurz an der Einfahrt auf die vorbeiführende
Straße anhalten musste, konnte er sogar einen schnellen Blick in
den Wagen werfen. Im Front des Wagens saß eine Frau mit langen,
rötlichen, abgestuft geschnittenen Haaren und links und rechts
von ihr saßen zwei Kinder. Sie trug eine große Sonnenbrille. Er
konnte sie nur sekundenlang etwas von der Seite sehen. Sie
neigte sich offensichtlich gerade zu einem der Kinder auf die
andere Seite. Zwei Kinder, unbekannte Frisur, also das konnte
sie und konnte sie auch wieder nicht sein. Außerdem glaubte er
sich sehr genau an ihre tiefschwarzen, schulterlangen Haare,
einen Pagenkopf, zu erinnern.
Sein erster Gedanke war auf Enttäuschung ausgerichtet und er war
fast ein wenig niedergeschlagen. Das passte ja nun überhaupt
nicht zu dem, was er sich seit langer Zeit erhofft und
vielleicht auch schon längst etwas erwartet hatte. Dass er
Angelas Kindermädchen Savina mit Angelas Kindern gesehen hatte,
konnte er natürlich nicht wissen. Schon während der Fahrt zum
Hotel übernahm wieder sein Optimismus voll die Regie. Die
Insassen in dem Auto besagten gar nichts. Am Nachmittag wollte
er deshalb vorsorglich noch zu den letzten beiden Häusern
fahren, die ebenfalls weiter draußen an der Straße lagen, wo er
die Frau mit den Kindern gesehen hatte. Anschließend wollte er
sich wieder dieses Schloss ansehen. Seine Hoffnungen auf einen
Erfolg waren wieder unvermindert groß. Das Schloss konnte sehr
gut ihr zu Hause sein. Alles ansonsten passte haargenau. Das
Bild, das er zufällig am Tor des Palais gesehen hatte, ließ ihm
allerdings trotzdem keine Ruhe. Immer wieder dachte er "Und was
ist, wenn sie verheiratet ist und Kinder hat ...?" Er hatte
dafür nur eine Antwort parat "Dann fahr ich sofort nach Hause
...! Und das muss es dann wohl gewesen sein ...!"
Wieder im Hotel fragte er sofort den Portier, wem dieses riesige
Palais mit dem großen Park gehörte. Der kannte sich bestens aus
"O, Senior, das ist das bekannteste Schloss im weiten Umkreis,
es ist das Herzogliche Palais des Duca Ricardo. Er ist sehr
angesehen ...!" Sofort notierte er den Namen. Als er dann noch
seine Frage nach einer Tochter mit "Ja ...!" beantwortete, fuhr
ihm ein freudiger Schreck durch die Glieder. Weiter meinte der
Portier "Ich weiß nur, dass er eine Tochter hat. Sie ist schon
seit langer Zeit weg von hier. Ich bin zu jung, um dazu Näheres
zu wissen. Die Familie lebt sehr zurückgezogen und trat noch nie
in der Öffentlichkeit in Erscheinung ...!" Die Spur war also
hier vermutlich doch noch nicht zu Ende. Mit dem gefundenen
Palais könnte er genau richtig liegen. Auch die Auskünfte des
Portiers passten exakt zu dem, was ihm Schwester Felicitas von
Angela erzählt hatte.
Die einzige, die jetzt vielleicht Näheres sagen konnte, war die
Schwester in München, die ihm schon einmal weitergeholfen hatte.
"Vielleicht erinnert sie sich ja an den Namen, wenn ich ihn ihr
sage." War seine Überlegung. Sofort bat er den Portier um eine
Verbindung zu der Münchner Klinik, in der Angela gearbeitet
hatte. Er musste sie fragen. Vielleicht konnte sie sich ja an
den Namen erinnern, wenn er ihn ihr sagte.
Er hatte Glück, sie war sogar in Reichweite und kam sehr schnell
zum Telefon "Schwester Felicitas, Klaus Höfer, der Arzt, der sie
einmal wegen Schwester Margareta angerufen hat ist hier. Ich bin
in Kalabrien und muss sie bitte dringend etwas fragen, wenn ich
das darf?" Sie bejahte. "Könnte der Familienname von Margareta
oder besser jetzt Angela vielleicht Pontini e Campagna gelautet
haben? Bitte sagen Sie es mir!" Nach etlichen Sekunden Pause
hörte er sie sagen "Ja, genau so lautete der Name, ich erinnere
mich jetzt, wo sie ihn sagen ...!"
"Danke Schwester, wenn ich wieder zu Hause bin, melde ich mich
noch mal ...!" Zurück blieb eine Schwester, die zutiefst über
seine unbeugsame Liebe beeindruckt war.
Das war sie also. Sie musste gleich nach ihrem Austritt aus dem
Orden geheiratet haben. Warum sonst hatte sie zwei Kinder. Na
ja, er hatte ja immerhin die Chance, dass es nicht ihre waren
und vielleicht zu einer Besucherin oder anderen Bewohnerin des
Palais gehörten. Bevor er allerdings aufgab, wollte er zumindest
Klarheit haben. Daran klammerte er sich, als er erneut auf dem
Weg zu dem Palais außerhalb der Stadt war. Er wollte sich das
Alles noch einmal etwas genauer ansehen und vielleicht konnte er
ja dort dann auch jemand fragen.
Er stellte seinen Wagen am Straßenrand unmittelbar am Tor ab.
Von dort aus konnte er durch die Gitterstäbe sogar noch die
Auffahrt und einen kleines Stück des Parks etwas überschauen. Er
wusste nicht, wie es jetzt weiter gehen sollte und starrte nur
auf das nahe gelegene Gebäude und den Park. Er beschloss einfach
einmal nur im Auto sitzen zu bleiben und abzuwarten. Irgendwann
würde ja jemand hier vorbei oder aus den Gebäuden kommen. Das
passierte schon sehr bald. Er sah, wie offensichtlich die
gleiche Frau, die er im Auto schon meinte gesehen zu haben, nahe
am Palais mit den beiden Kindern einen Spaziergang machte. Die
konnte er doch fragen. Warum auch nicht. Er nahm seine Karte,
stieg aus und ging schnellen Schrittes auf die Frau zu. Als sie
ihn kommen sah, nahm sie ihre Kinder an die Hand und war im
Begriff die paar Meter zurück und wieder ins Palais zu gehen.
Klaus grüßte und versuchte der Frau zu erklären, was er wissen
wollte. Ganz offensichtlich war sie nicht seine Angela. Das sah
er schon, als er auf sie zuging und verspürte große
Erleichterung. Egal, was er sagte und fragte, die Frau
schüttelte nur den Kopf, zog ihre Schultern hoch und hob ihre
Hände so, als wollte sie ihm sagen, dass sie keine Ahnung hatte.
Sie konnte nichts verstehen. Er versuchte es dann mit den
Händen, seinen Lateinkenntnissen und seinen paar Worten
Italienisch sich ihr verständlich zu machen. Sie verstand
nichts. Immer wieder kamen die gleichen freundlichen Gesten ein
charmantes Lachen und ein 'Scusi', also ein 'Entschuldigung'.
Das verstand er. Nach mehreren Versuchen gab es auf. Er bedankte
sich und ging langsam zurück zu seinem Auto.
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Als er sich schon umgedreht hatte und eben zurück zu seinem Auto
gehen wollte, rasten drei Autos heran. Mit einer Vollbremsung
hielten sie neben der Frau und den Kindern. Alle waren sie sehr
erschrocken. Fünf Männer sprangen aus dem Fahrzeug und liefen
auf die Frau mit den Kindern und ihn zu. Ein paar hatten
Pistolen in der Hand. In den Fahrzeugen saß jeweils ein weiterer
am Steuer, der mit laufendem Motor wartenden Autos. Die Frau
schrie auf und versuchte die Kinder auf den Arm zu nehmen, mit
ihnen wegzulaufen. Sie hatte dazu jedoch keine Chance. Er sah,
wie sie zu Zweit die neben ihm unaufhörlich schreiende Frau
packten und sie zum Auto zerren wollten. Zwei weitere hatten ihn
gepackt und ein Dritter versuchte die beiden schreienden Kinder
mit zu reißen. Sie wollten sie offensichtlich zum Auto schleifen
und entführen.
Klaus war eine Schrecksekunde ziemlich überrascht. Seine beiden
Angreifer hatte er in Sekunden abgeschüttelt und zu Boden
geschlagen. Er sprang zu dem Entführer, der die Kinder
wegschleifen wollte und schlug auf ihn ein. Der Entführer hatte
ihm den Rücken zugedreht und ihn nicht kommen gesehen. Der ließ
sofort die beiden Kinder los und fiel zu Boden. Blitzschnell
stand er wieder vor Klaus und es begann ein heftiger Kampf.
Die beiden, die auf ihn zuerst losgegangen waren, hatten sich
zwischenzeitlich wieder erhoben. Sie zielten mit ihren Pistolen
auf ihn. Die beiden anderen hatten mit der Frau ihre liebe Not.
Sie kämpfte wie eine Löwin kratze biss und fauchte wie eine
Katze. Sie konnte den beiden, die sich einen Moment nach ihrem
Kumpanen umgedreht hatten, für Sekunden auskommen und fiel zu
Boden. In dem gleichen Moment kamen zwei Männer mit Schusswaffen
in der Hand aus dem Haus gelaufen und stürmten schießend auf sie
zu. Klaus und die Verbrecher sahen sie kommen. Blitzschnell zog
der mit Klaus kämpfende Entführer eine Pistole und versuchte auf
ihn und die heraneilenden Männer zu schießen. Klaus wurde
getroffen und spürte einen heftigen Schmerz in seiner rechten
Schulter und an seinem Kopf.
Die Kinder standen derweil mit offenem Mund zutiefst geschockt
ganz in seiner Nähe. Klaus dachte nur noch an die Kinder, sprang
zu ihnen hin und warf sich über sie. Die heraneilenden Männer
dachten jedoch, dass er mit zu den Verbrechern gehörte und
schossen ebenfalls auf ihn und die Verbrecher. Alle drei sanken
schließlich getroffen zu Boden. Einer war tot und zwei waren
schwer verletzt. Klaus war von vier Kugeln getroffen worden und
es war ein Wunder, dass er das überlebt hatte. Eine Kugel ging
durch seine Schulter, eine streifte ihn am Arm und zwei waren
Streifschüsse am Kopf. Die anderen Verbrecher hatten es beim
Auftauchen der Männer vorgezogen, sofort in das mit einem
laufendem Motor wartende Auto zu springen und das Weite zu
suchen.
Klaus hatte sich während dieser Schießerei so vor den Kindern in
das Gras geworfen, dass sie von den Kugeln nicht getroffen
werden konnten. Mit seinen Armen hielt er sie umklammert. Sein
Körper schützte die beiden Kleinen. Auch die Frau lag am Boden.
Sie war ohnmächtig oder tat zumindest so. Sehr vorsichtig
näherten sich die Männer den am Boden liegenden toten Entführern
und Klaus mit vorgehaltener Pistole. Erst als sie unmittelbar
neben ihm standen, steckten sie sie weg. Sie sahen, dass der
eine tot, zwei schwer verletzt und er ebenfalls sehr schwer
verletzt war. Zuerst brachten sie die beiden Kinder in
Sicherheit. Die Verbrecher und Klaus, den sie auch für einen
solchen hielten, waren ihnen nicht wichtig.
Es vergingen Minuten, bis endlich das Rettungsfahrzeug eintraf
und Klaus mit Polizeibegleitung in die nahe gelegene Klinik
transportiert werden konnte. Alle gingen sie ganz
selbstverständlich davon aus, dass er mit zu den Verbrechern
gehörte. Und so wurde er auch in der Notfallambulanz der Klinik
angekündigt "Acht Männer haben versucht die Kinder der
Prinzessin zu entführen. Drei davon sind wegen schwerer
Schussverletzungen auf dem Weg zur Klinik ...!"
Angela hatte an diesem Tag Dienst. Sie war gerade auf der
Station unterwegs, als sie am Telefon die Nachricht von der
fehlgeschlagenen Entführung ihrer Kinder erfuhr und ihr die
Einlieferung der drei Entführer mitgeteilt wurde. Sie war zu
Tode erschrocken. Unmöglich konnte sie jetzt weiter in der
Klinik bleiben. Sie musste sofort zu ihren Kindern. Die
Verbrecher waren ihr gleichgültig. Sie dachte nur, "Hoffentlich
sterben sie nicht, damit man sie bestrafen kann ...!" und lief
zu ihrem Auto. Zu Hause angekommen wurde sie von ihren Kindern,
den Eltern und ihrem Kindermädchen Savina schon erwartet. Alle
waren sie sehr glücklich.
Das Kindermädchen hatte den Irrtum zu Klaus gegenüber der
Polizei zwischenzeitlich längst aufgeklärt. Auch in der Klinik
wurden die dort bei seinem Bett Wache schiebenden Beamten sofort
zur Polizeistation zurückbeordert. Die Klinik informierten sie
dabei nicht. Dort dachten alle immer noch, dass auch Klaus mit
zu den Entführern gehörte. Alle standen ihm nicht gerade mit
Freundlichkeit gegenüber.
Als die erste Hektik und Freude über das gute Ende etwas
abgeklungen war, musste Savina erzählen, wie es tatsächlich
abgelaufen war. "Zu verdanken haben wir das alles diesem
Deutschen, der mich um etwas gefragt hatte. Ich hab das nur
nicht verstanden, was er wollte. Da ist er dann wieder
weggegangen. Als er schon wieder weg gehen wollte, kamen sie
plötzlich, hielten neben uns, sind aus dem Auto gestürmt und auf
uns zugelaufen. Das lief alles in Sekunden ab. Ehe ich überhaupt
wusste, was geschah, hatten zwei mich gepackt und wollten mich
zum Auto zerren. Einer hatte die Kinder gepackt und wollte sie
ebenfalls in ein Auto schleifen. Und zwei hatten sich auf den
Fremden gestürzt ...!"
"Alle schrien wir. Alles ist dann so furchtbar schnell gegangen.
Der Fremde hat seine Angreifer abgeschüttelt und ist dann auf
den los, der die Kinder gepackt hatte. Dann wurde auch schon
geschossen und der Fremde warf sich auf die Kinder. Den beiden,
die mich zum Auto zerren wollten, bin ich in der gleichen
Sekunde irgendwie ausgekommen, als unsere Leibwächter aus der
Türe gestürzt kamen. Ich konnte mich ihnen irgendwie entwinden
und fiel zu Boden. Zwei sind sofort wieder ins Auto gesprungen
und abgebraust. Die anderen haben auf die Leibwächter
zurückgeschossen. Der Fremde wurde wohl auch von mehreren Kugeln
getroffen. Er war überall voll Blut. Ich glaube, die Verbrecher
haben ihn angeschossen, als er sich auf den stürzte, der die
Kinder wegschleppen wollte. Alle dachten sie ja, dass er auch
ein Verbrecher war.
Als er im Rettungswagen dann weg war, bin ich wieder
hinausgegangen und hab das gleich einem Polizisten gesagt. Das
hat der irgendwie nicht richtig verstanden. Ich war auch selbst
noch so aufgeregt und habe es wohl etwas missverständlich
gesagt. Erst als dann Minuten später der Commissario selbst
ankam, habe ich es dem noch mal erzählt ...!"
Alle sind entsetzt und zutiefst dankbar. Am meisten natürlich
Angela "Mein Gott, und die in der Klinik denken bestimmt alle,
dass er ein Verbrecher ist. Ich muss sofort in der Klinik
anrufen ...!" Sie ging zum Telefon, das auf einer Sideboard war.
Man wusste es schon. Der Commissario hatte selbst angerufen und
die Ärzte informiert. Schließlich war der Deutsche der Held und
kein Verbrecher, da galt es jetzt um sein Leben mit allen
Mitteln zu kämpfen.
Wäre er ein Verbrecher gewesen, der den Kindern etwas hätte zu
leide tun wollen, dann wären ihm in Kalabrien sehr schwere
Zeiten bevor gestanden.
Angela war über alle Maßen aufgewühlt und voller Dankbarkeit
gegenüber diesem Deutschen, der ihre Kinder vor einer
schrecklichen Entführung und - wie sie bald erfahren sollte -
vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Sie weinte und fragte Savina
"Was wollte denn dieser Mann von dir wissen, Savina?"
"O, ich weiß es nicht! Ich hab ihn nicht verstanden! Er sagte
immer wieder etwas von einer 'Angela'! Ich verstehe ja kein
Deutsch! Und er sagte etwas, das so ähnlich klang wie 'Pinguin'!
Dazu machte er mit seinen Händen so komische Zeichen. Ich konnte
mir darauf keinen Reim machen! Ich verstand überhaupt nicht, was
er meinen konnte ...!"
"Was war es denn für ein Mann, alt, jung ...?" fragte Angela.
"Och, jung, vielleicht Anfang 30 schätze ich, eine stattliche
Erscheinung und hübsch, groß war er und kräftig, so wie der mit
den Banditen gekämpft hat. Schwarze Haare hat er, ja und Haare
auf der Brust und an den Armen und Hände. Dort sah er aus wie
ein Affe!" setzt sie lachend hinzu. "Wie ein Affe ...?" fragte
Angela, die dabei regelrecht zusammengezuckt war, und ihre
Gedanken gingen sofort zu den wunderschönen Stunden in den
Bergen. Da hatte sie das Gleiche von Klaus gedacht.
Savina lachte "Na ja, Principessa, das dachte ich mir nur so
dabei. Er schaut aber wirklich sehr, sehr männlich aus. Ach ja,
er hat auch einen schwarzen kurzen Oberlippenbart ...!" Angela
zog schon wieder Vergleiche "Wie mein Klaus, der hat mich immer
besonders beim Küssen gekitzelt. Hübsch sah er damit aus ...!"
Savina erzählte immer fleißig weiter "Er hatte eine sehr
sympathische Art. Als ich ihn nicht verstand, und er deshalb
wieder wegging, wirkte er sehr traurig, dachte ich zumindest. Er
sah richtig niedergeschlagen aus. Man sieht das einem Menschen
an. Immer wieder schaute er nur die beiden Kinder an und schien
irgendwie fassungslos ...!"
Angela war offensichtlich etwas eingefallen. Blitzartig schoss
sie aus dem Sessel hoch und zu Savina auf der anderen Seite
gelaufen. Aufgeregt kniete sie vor Savina "Bitte, Savina,
erinnere dich, ganz genau, was machte er denn für komische
Zeichen ...? Alles ist wichtig ..., alles, bitte zeig es mir
...!"
Savina stand auf und versuchte es Angela mit Handbewegungen zu
erklären. Die jedoch konnte sich darauf keinen Reim machen.
Krampfhaft überlegte sie, wie sie Savinas Erinnerungen zu einem
Bild werden lassen konnte, aus dem man dann vielleicht etwas
herauslesen oder unter dem man sich dann zumindest etwas
vorstellen konnte. "Bild, ja, ein Bild ..., genau das ist es
..., wir brauchen eine Zeichnung ...!" rief sie und holte auch
schon am Telefon einen kleinen Block. "Bitte Savina, bitte mach
eine Zeichnung, vielleicht hilft uns das weiter ...!"
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Es dauerte etwas, bis Savina dann schließlich mit ihrer
Zeichnerei zufrieden war. Etliche Blätter landeten auf dem
Boden. Immer wieder versuchte sie sich an Klaus seine Gesten und
Hinweise zu erinnern und sie zu Papier zu bringen. Gebannt
schaute ihr Angela über die Schulter. Als sie schließlich mit
ihrer Zeichnung zufrieden war, riss ihr Angela regelrecht das
Blatt aus der Hand.
Im großen Salon war absolute Stille. Niemand wollte die
Konzentration Angelas stören, die aufgeregt auf und ab ging, und
immer nur auf das Papier starrte. Auf einmal schrie sie fast
"Savina, wie, wie war das bitte ...? Er sagte Angela und Pinguin
und deutete dabei auf das Haus ...? Sagte er auch Margareta
...?"
"Ja, so war es! Genau, er hat so etwas gesagt, das genau so
geklungen hat, ganz genau so, immer wieder hat er es gesagt und
mich fragend angesehen. Ich erinnere mich ganz genau ...!"
Nach ein paar Sekunden Pause flüsterte Angela laut "Er hat eine
Nonne gemeint, ganz sicher ...!". In der nächsten Sekunde schrie
sie sehr laut auf "Mich, mich hat er gemeint ..., er hat mich
gesucht ..., er wollte über mich etwas wissen ... über mich ...,
jaaaa ...!" Eine Ahnung wurde ihr langsam zur Gewissheit. Sie
zitterte, so aufgewühlt war sie. Sie sah auf ihre Kinder. Die
Umstehenden konnten sich darauf keinen Reim machen und sahen sie
nur fassungslos an.
Im gleichen Moment betraten zwei der Leibwächter den Raum und
sagten, dem Duca, dass am Tor immer noch ein Auto stand, des
vermutlich dem Fremden gehörte. Sie wollten wissen, ob sie etwas
veranlassen sollten, weil der ja jetzt in der Klinik lag, worauf
der Duca meinte, dass man da wohl vorerst nichts unternehmen und
die Entwicklung abwarten musste. Sie waren schon wieder am
Verlassen des Salons, als Angela ihnen aufgeregt hinterher lief
und laut rief "Was hat es denn für ein Kennzeichen ...!"
"Ein Deutsches, vorne war ein 'S' zu sehen. Das müsste Stuttgart
sein, wenn ich das aus meinen Jahren in Deutschland noch richtig
weiß ...!"
"Stuttgart" rief, ja, schrie jetzt Angela noch lauter fragend
und hakte nach "Ist es wirklich Stuttgart, Stuttgart, sind sie
ganz sicher?"
"O Ja, Principessa, ein Irrtum ist ausgeschlossen. Ich kann aber
gerne noch mal nachsehen, wenn sie das wünschen. Es ist ein 'S'
und das bedeutet eindeutig 'Stuttgart'. Ich war viele Jahre in
Deutschland und weiß es genau. Der Fremde kommt also aus
Stuttgart, wenn sie erlauben.
Angela begann laut zu weinen und schrie schon fast "Mein Gott,
mein Gott, das darf nicht wahr sein" Sie lief zurück zu ihren
Kindern und sank neben ihnen mit den Knien auf den Boden.
Weinend umarmte sie ihre Kinder und schrie immer wieder laut
furchtbar weinend "Bitte nicht ..., bitte nicht ..., lieber Gott
hilf ihm ..., hilf ihm ..., hilf uns ..., er darf nicht sterben
..., bitte, bitte lieber Gott ..., er gehört doch zu mir ... und
meinen Kindern ... seinen Kindern ... unseren Kindern ...!".
Alle Anwesenden waren völlig perplex. Sie verstanden überhaupt
nichts mehr. Irgendetwas von dem Gesagten musste Angela
furchtbar aufgeregt haben. Anders konnte es nicht sein. Die
Principessa schien den Fremden sogar zu kennen. Und warum sagte
sie "seinen Kindern" und "unseren Kindern" ...?
Ihr Eltern waren aufgestanden und hatten sich zu ihr
heruntergebeugt. Aufgeregt fragten sie "Angela, Angela, warum
weinst du ..., warum bist du so traurig ..., was ist denn
passiert ...?"
Sie wurde von regelrechten Weinkrämpfen geschüttelt. Sie konnte
nur flüstern, weil ihr die Stimme zu versagen drohte "Mama, Papa
..., der Fremde ist der Vater meiner Kinder ..., der Vater
meiner Kinder, versteht ihr ...! Der Fremde, der meine Kinder so
beschützt hat ..., versteht ihr ...? Das ist der Vater dieser,
meiner Kinder! Wir haben uns fast gefunden und jetzt wird er mir
vielleicht für immer gleich wieder genommen, ich würde ihn ganz
verlieren ...? Nein, nein, Mama, Papa, das darf nicht geschehen
...! Bitte, ich liebe ihn doch so ...!" Bei den letzten Worten
schrie sie laut auf. Es versagte ihr die Stimme.
Eine Sekunde später sprang sie auf und schrie "Ich muss sofort
zu ihm ..., ich muss zu ihm ..., jetzt gleich ...!"
"Aber du fährst bitte in deiner Verfassung nicht selbst ...!"
flüsterte ihr weinender Vater, eilte zu den beiden Leibwächtern,
die immer noch an der Türe standen, und legte ihnen eine Hand
auf die Schulter "Fahrt Sie so schnell, wie ihr könnt ...! Ich
zahle gerne alle Strafzettel, schnell, hört ihr ...!"
Als Angela kurz darauf im Auto saß, war sie ganz ruhig geworden.
Sie hatte aufgehört zu weinen. Sie betete so, wie sie es schon
lange nicht mehr getan hatte. Ununterbrochen flehte sie zum
Herrgott, dass er ihren Liebsten beschützen möge. Schnell waren
sie an der Klinik. Angela stürmte in das Gebäude, die Treppen
hinauf und schon war sie auf der Unfallstation. Die Tür zum
Stationszimmer schlug sie förmlich auf und stürzte in das Zimmer
"Bitte, bitte wie geht es dem angeschossenen Deutschen, bitte
...?"
"Gut, ganz passabel, wir haben ihn wieder zusammengeflickt. Der
Kerl hat verdammt viel Schwein gehabt. Wenn eine der Kugeln am
Kopf ein, zwei Zentimeter tiefer getroffen hätte, wäre es
schlimm ausgegangen. So sind es nur zwei Streifschüsse und ein
Schulterdurchschuss. Tja, und er hat eine Bärennatur, ist gesund
und kräftig. Den Blutverlust hat er ganz gut weggesteckt!"
berichtete sogleich einer der gerade anwesenden Kollegen ganz
ruhig. Angela wurde schwindlig. Sie hörte nur 'gut' und sonst
nichts mehr. Sie schrie auf "Mein Goooott ..., jaaaa ..., jaaaa
..., das ist gut ..., das ist ganz gut ..., das ist so schön
..., danke ..., danke ...!
Es schien als ob sie zusammenbrechen würde. Ein Arzt, der neben
ihr stand, und eine Schwester, die hinzu gesprungen war, hielten
sie gerade noch fest und setzten sie auf einen Stuhl. Nach ein
paar Sekunden war Angela wieder in Ordnung. Mit tränenerstickter
Stimme fragte sie flüsternd und lächelte glücklich "Wie heißt er
..., der Fremde ...?"
"Moment, ich schau mal in seine Akte. Ach ja, wir haben da
vorhin was von der Polizei bekommen. Die haben Papiere bei ihm
gefunden. Klaus Höfer heißt er, nein, Dr. med. Klaus Höfer heißt
er. So steht es in seinem Ausweis. Mehr haben wir noch nicht. Er
ist offensichtlich Arzt und kommt aus Stuttgart ...!"
Bei Angela begannen wieder die Tränen in regelrechten
Sturzbächen zu fließen. Sie hatte bei den Angaben ihre Hände vor
das Gesicht geschlagen und ließ dem erlösenden Weinen den freien
Lauf. Es schüttelte sie richtiggehend. Sie schaute zur Decke und
hielt die gefalteten Hände nach oben. Dabei schrie sie "Klaus
..., mein Klaus ..., mein Liebster ..., mein Gott ..., ich danke
dir ..., ich danke dir ...! Er wollte zu mir ..., er wollte zu
mir ...! Danke, lieber Gott ...!" Zwei Ärzte hielten sie etwas
fest. Die Schwestern und die Ärzte schauten sich nur an. Sie
konnten damit nichts anfangen. Der Kollege fragte nur ganz
behutsam "Können wir für dich etwas tun, Angela ...?"
Sie flüsterte laut mit tränenerstickter Stimme "Nein, nein,
wisst ihr, ich bin nur sehr glücklich, sehr glücklich, unendlich
glücklich bin ich. Darf ich zu ihm ...?"
"Natürlich, sehr gerne darfst du ihn sehen, aber nur kurz. Er
liegt im ersten Zimmer gleich um die Ecke. Kann sein, dass er
schon wieder etwas ansprechbar ist ...!"
Sie dachten alle, dass sie deshalb so aufgeregt reagiert hatte,
weil er doch der Retter ihrer Kinder war. Das konnten sie sehr
gut verstehen. Da wäre jeder äußerst dankbar. Erst in seinem
Zimmer sahen sie dann so nach und nach, dass es sehr, sehr viel
mehr sein musste, was die beiden verband. Schließlich entfernten
sie sich nach Sekunden und ließen die beiden alleine.
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