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Wie alles anfing
Langsam stieg die Sonne über den Horizont und schickte ihre
wärmenden Strahlen in den neuen Tag. Unter ihr eine endlos
scheinende Wüste von Wasser. Blau lag der Ozean da und wirkte
aus der Entfernung bewegungslos. Doch aus der Nähe betrachtet,
wandelte sich das Bild. Leichte Wogen überzogen die Oberfläche
unter der sich das Getier des Wassers tummelte. Ab und zu brach
sich eine Welle und weiße Gischt stieg in den Himmel auf,
während sich ganz kurz, zwischen den feinen Tröpfchen ein
kleiner, aber gut zu erkennender Regenbogen zeigte. Möwen
kreischten in Azur blauen Himmel und sahen wie geschwungene
weiße Linien aus. Ihre heiseren Rufe schallten gegen die
Meeresoberfläche und wurden von ihr zurückgeworfen. Delfine
durchbrachen die Oberfläche und schnellten vor reinem Übermut in
die Luft, drehten sich dabei um die eigene Achse und fielen dann
zurück, um mit einem klatschen wieder im Wasser zu versinken.
Vielleicht waren auf der Suche, suchen den Schwarm Fische, der
ihr Frühstück werden sollte.
Noch hatten sie ihn nicht gefunden und schossen darum weiter auf
der Suche nach Futter durch das Wasser. Nicht lange und sie
verschwanden im Nichts und hinterließen wieder die Monotonie,
die sie durchbrochen hatten. Vielleich waren sie aber auch auf
der Suche nach etwas mit dem sie spielen konnten. Übermütig
würden sie vielleicht eine Schildkröte finden und sie immer
wieder mit der Schnauze anstubsen, um zu sehen wie sie darauf
reagierte. Oder sie würden andere Artgenossen treffen und den
Tag mit ihnen verbringen.
Nicht weit von hier weg, gerade noch in Sichtweite, war etwas
anders zu erkennen. Es hob sich nur ganz flach aus dem Wasser,
war daher kaum wahr zu nehmen. Erst wenn man näher darauf zu kam
wurde einem klar, was man gesehen hatte. Zwei Inseln erhoben
sich aus dem Meer und erst beim näheren hinsehen erkannte man,
dass es eigentlich eine war, deren Landmassen aber nur durch
einen schmalen Felssteg verbunden waren. Außerdem waren ihre
beiden Bestandteile für sich gesehen vollkommen unterschiedlich.
Während die eine sich nur wenig aus dem Wasser erhob, wurde die
andere von einem kegelförmigen Berg dominiert. Überhaupt schien
diese Seite der Insel nur aus dem Berg zu bestehen der aber an
den Flanken seltsam aussah. Irgendwer oder eine Laune der Natur
hatte terrassenförmige Abstufungen in den weichen, fasst
schwarzen Boden gegraben. So war fast die ganze Südseite davon
bedeckt während die Nordseite davon vollkommen verschont
geblieben war.
Dagegen sah die andere Hälfte ganz anders aus. Flach und eher
sandig. Nur war der Sand fast genauso schwarz wie der Boden am
Berg. Es mischte sich nur ein Grauton mit hinein und gab dem
ganzen ein etwas düsteres Aussehen.
Zuerst war kein Leben zu entdecken. Nur die sich an der Küste
brechenden Wellen rauschten den nur langsam ansteigenden Strand
hoch, dabei rissen sie die schwarzen, kieselgroßen Steinen immer
wieder mit und rundeten sie dabei ab, zermalmten sie dann mit
der Zeit.
Ach hier war außer dem kreischen der Möwen und dem rauschen der
Wellen nichts weiter zu hören. Alles lag friedlich da und machte
einen eher tristen Eindruck. Kein Baum gab Schatten, nur
niedrige Büsche neigen sich Landeinwärts. Sie beugten sich den
vorherrschenden Windrichtungen und wuchsen schief und krumm.
Dazwischen nur halbhohe Gräser und so gut wie kein Unterholz.
Eher karg lag alles da und lud nicht gerade dazu ein, zu
verweilen.
Das änderte sich auch nicht wenn man die ersten Schritte
Landeinwärts wagte. Allerdings war der Boden nur noch an den
Stellen schwarz, an dem er nicht überwuchert wurde. Und diese
Stellen waren nicht einfach irgendwelche Flecken, sondern
schlängelten sich auf unnatürlich gerade weise durch das dichter
werdende Dickicht. Es war von dornenbewehrten, nur hüfthohen
Büschen durchsetzt, die von daraus hervorsprießenden hohen
Gräsern überragt wurden.
So konnte man etwa zweihundert Schritte weit gehen, während sich
der immer wehende Küstenwind in dem Dickicht verfing und es
vollkommen windstill wurde. Eine bedrückende Stille umgab einen
und wenn man weiter ging, bemerkte man wie die aufgehende Sonne
die unbewegte Luft aufheizte. Nicht lange und es wurde fast
unerträglich warm und man sehnte sich wieder an die See zurück,
wo einem eine kühlende Briese den Schweiß von der Haut blies und
einen abkühlte.
Doch wenn man weiter ging, öffnete sich plötzlich die
pflanzliche Wand und man traf auf offenes Gelände. Erst hier
konnte man sehen, dass doch zumindest eine denkende Kreatur die
Umwelt zu seinem Nutzen veränderte. Man traf auf hüfthohe Mauern
die den Boden in sechseckige Parzellen unterteilten.
Bienenwabenförmig angeordnet waren sie aus unzähligen Steinen
verschiedener Größe aufgeschichtet worden.
Sie waren sicher schon sehr alt, denn sie waren teilweise von
großen, fast weißen, fleckartigen Flechten überzogen, die sich
vom schwarz der Steine deutlich abhoben. Nur ab und zu wurde das
Muster unterbrochen, wenn anscheinend etwas ausgebessert worden
war. Dies waren die ersten Lebenszeichen die man zu Gesicht
bekam.
In den Sechsecken selber war auch zu erkennen, dass in die Natur
eingegriffen worden war. Mannigfaltige Arten verschiedener
Pflanzen wurden angebaut. Sowohl grüne Blätter waren zu
erblicken unter denen sich langsam Knollen entwickelten, genauso
wie Ähren verschiedener Kornsorten, die sich ohne Wind kein
wenig bewegten. Doch auch hier war nichts von denen zu sehen,
die dieses wabenförmige Muster angelegt hatten. Erst wenn man
weiter ging, immer an den Feldern vorbei, konnte man nach einer
Weile, am Ende des Weges einige runde Hütten entdecken, die sich
kam von der Umgebung unterschieden. Sie waren sehr flach und aus
dem Gestein der Umgebung gemacht worden. Nur die Dächer wurden
aus den Gräsern fabriziert, die zwischen den Büschen wuchsen.
Unmengen von ihnen mussten geschnitten und zu Garben gebündelt
werden. Dann wurden sie mit anderen Gräsern kunstvoll
zusammengeknotet, welches eine Art Flechtmuster ergab. Erst
dieses Geflecht wurde dann als Dach genutzt, was aber in der
Mitte ein Loch aufwies, aus dem bei einer Hütte ein feiner
Rauchfaden aufstieg.
Erste wenn man näher heran kam, wurde einem bewusst, dass die
Hütten gar nicht rund waren, sondern sechseckig. Wabenförmig
baute man Wand an Wand und erreichte dadurch eine große
Struktur, die im Inneren wieder einen sechseckigen Innenhof frei
ließ. So standen mehrere dieser Gebilde relativ dicht
beieinander und boten wenig Angriffsfläche gegen den hier wieder
herrschenden Wind. Selbst ein heftiger Sturm würde den einzelnen
Hütten nichts anhaben können, dazu stützte sich die Struktur
viel zu gut gegenseitig. Nicht umsonst hatten Bienen die gleiche
Bauweise seit Millionen Jahren perfektioniert.
Vielleicht hatten es sich die Bewohner des Dorfes auch bei den
Insekten abgeschaut. Auf der anderen Seite war es eine
universelle Form, die jedem einfallen konnte. So gesehen eine
Erfindung oder Entdeckung, die immer auf einen wartete und man
sie nur erkennen musste.
Außer dem aufsteigenden Rauch war aber auch hier nichts zu
entdecken, was darauf deuten konnte, dass sich hier irgendjemand
aufhielt. Dazu war es vollkommen still. Kein Laut drang einem an
die Ohren, und keine Bewegung war zu entdecken, als wenn alles
verlassen worden war. Plötzlich und ohne sofort erkennbaren
Grund. Vielleicht waren die Einwohner nur vor den stärker
werdenden Sonnenstrahlen geflüchtet und hielten sich alle in
ihren Hütten auf oder waren gar an einen anderen Strand
gegangen, um sich abzukühlen.
Erst wenn man an der ersten Hütte vorbei ging, konnte man ab und
zu vereinzelte Stimmen hören und zwischendurch ein vielstimmiges
Gemurmel, was mal aufgeregt und dann wieder ruhig klang. Doch
von diesem Platz aus war nichts zu verstehen. Erst wenn man sich
weiter auf die Stimmen zubewegte, wurden sie deutlicher und man
konnte einzelne Worte verstehen.
Ein paar Schritte weiter, wenn man um eine Ecke bog, erhob sich
ein kleiner Hügel der künstlich wirkte. Er erhob sich vielleicht
einen Meter höher als der Rest der Umgebung und bestand aus
hunderten sechseckigen Basaltsteinen, die man in gleicher Höhe
aneinander gestellt hatte. Dann hatte man die Oberfläche
poliert. Dabei konnte einem in den Sinn kommen, wie lange die
Bewohner dafür gebraucht hatten.
Den harten Basalt hier her zu schleppen und ihn dann auch noch
in beobachteter Weise weiter zu verarbeiten, musste Jahre
gedauert haben. Musste eine Aufgabe gewesen sein, welches von
großer Ausdauer geprägt war. Wie viel Schweiß musste geflossen
sein, bis es so aussah, wie es sich jetzt präsentierte.
Wenn man das Gebilde von oben betrachtete wurde einem erst
bewusst, dass sogar die Anlage in sich ein regelmäßiges Sechseck
bildete, an dessen sechs Ecken jeweils eine Basaltsäule von
sicher vier Metern Höhe stand, die mit aus Pflanzenfasern
geflochtenen Seilen verbunden waren. Sie bildeten wiederum einen
stabilen Unterbau um wiederum Pflanzenmatten zu tragen, die
darübergelegt als Sonnenschutz dienten.
Jetzt wurde auch klar, woher die Einwohner die Form ihrer Hütten
hatten. Nicht Bienenwaben waren die Vorlage gewesen, sondern
diese seltene Gesteinsart, die nur unter bestimmten Bedingungen
so kristallisierte. Woher sie sie allerdings hatten, war nicht
sofort klar. Auf diesem Teil der Insel gab es sie jedenfalls
nicht. Sie mussten also vom anderen Teil stammen.
Der auf dem Podest stärker wehende Wind ließ die Matten leicht
schaukeln. Dadurch rieben sie leicht aneinander und erzeugten
ein leises Rauschen, was aber kaum zu hören war. Wesentlich
deutlicher waren jedoch die Stimmen, die jetzt gut zu verstehen
waren.
Es saßen sicher fünfzig leicht bekleidete Menschen darauf und
waren leidenschaftlich am diskutieren. Wobei sich schnell
erkennen ließ, dass es gewisse Unterschiede zwischen den Rednern
gab. Die Stimmen der älteren zählten anscheinend mehr. Sie
fielen stärker ins Gewicht als die der jüngeren, wobei eine
Geschlechtertrennung nicht zu erkenne war. Sowohl die Stimmen
der Frauen hatten die gleiche Gewichtung wie die der Männer, nur
das Alter machte den Unterschied. Die Alten wurden als Ratgeber
und Weise hoch geachtete und ihr Wort lag schwer. Trotzdem wurde
jeder gehört der sprechen wollte und so manches Mal, wenn ein
jüngerer das Wort ergriff wurde er mit dem Nicken der Alten
bestätigt.
Allerdings hatte man den Eindruck, dass das Ergebnis der
Besprechung schon fest stand, man beriet nur noch die
Feinheiten. Hier war dann aber doch Handlungsbedarf und man
stritt über Kleinigkeiten. Der Grundsatz stand fest.
Seit Tagen war eine Veränderung auf der Insel vorgegangen. Auf
diesem Teil war es kaum zu spüren, aber auf dem anderen Teil
umso stärker. Mehrmals am Tag ging ein leichtes schütteln durch
den Boden, was an sich nichts besonders war, denn es kam immer
wieder einmal vor. Niemand regte sich darüber auf, nur war man
manchmal nicht darüber erbaut, dass dadurch immer wieder einige
der Feldmauern umfielen. Das bedeutete zusätzliche Arbeit und
das erfreute keinen der Einwohner.
Doch seit letzter Zeit wurden diese Erschütterungen häufiger und
kräftiger aufgetreten. Waren zuerst nur die Feldmauern
umgestürzt, so war beim letzten Mal eine der Hütten eingestürzt.
Zum Glück war die Hütte schon lange nicht mehr bewohnt und war
daher in einem schlechten Zustand. So kam zumindest niemand zu
Schaden. Aber es wurde als eine Warnung aufgefasst. Als nächstes
konnte eine bewohnte Hütte einstürzen.
Auch wenn die Steine, aus denen diese gebaut waren leicht und
weich waren. So würde eine ganze einstürzende Mauer Leben in
Gefahr bringen.
So saßen fast alle Bewohner auf dem Versammlungsplatz und
beratschlagten was zu tun sei. Woher die Erdstöße kamen war
klar. Sie kamen vom Berg auf der anderen Hälfte der Insel. Er
war nie wirklich ruhig gewesen. In seinem Inneren grummelte es
immer und ab und zu stieg aus seiner kreisrunden, nach innen
gewölbten Spitze weißer Rauch auf.
Immer wenn er das tat, sagten die Einwohner, dass es Rahani sei,
die Göttin des Berges. Manche meinten dann scherzhaft und hinter
vorgehaltener Hand, dass sie schlecht geschlafen hätte. Andere
drückten es noch krasser aus und meinten, dass sie wohl etwas
Schlechtes gegessen hätte und sie jetzt an Blähungen litt. Das
Ergebnis sei der aufsteigende Rauch, der wirklich nicht
sonderlich gut roch. Eher an faule Eier erinnerte.
Aber das sagte keiner wirklich laut. Nach der Meinung der
meisten anderen war die Göttin über irgendetwas erzürnt und die
Versammlung war einberufen worden, um zu beratschlagen, was zu
tun sei. Keiner aus der Runde konnte allerdings erklären, was
Rahani nicht gefiel. Eigentlich befanden alle, dass es nicht an
ihnen lang, wenn sie grollte. Trotzdem war es kein Zustand auf
Dauer. Immerhin konnte jemand verletzt werden oder schlimmer und
das musste verhindert werden.
Also beriet man was zu tun sei. Da keiner der jüngeren es je
erlebt hatte, dass der Berg sich so verhielt, waren sie ratlos.
Nur die Ältesten konnten sich an etwas Ähnliches in ihrer
Kindheit erinnern. Sie waren jetzt gefragter denn je, denn sie
hatten noch erlebt, was die Menschen vor vielen Jahren dagegen
getan hatten.
Dem Berg und damit Rahani war geopfert worden und die Alten
wussten auch noch wie, denn die älteste der Alten war dabei
gewesen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, nur leider war es
schon so lange her und sie war geistig nicht mehr auf der Höhe.
So wurde es schwierig heraus zu bekommen, was wirklich geschehen
war. Nur bruchstückhaft setzte sich alles wieder zusammen. Erst
dann gingen die Diskusionen wirklich los. Jeder wollte etwas
dazu sagen und hatte seine eigene Meinung.
So ging die Beratung einen ganzen Tag lang und am Abend war man
immer noch nicht zu einer Lösung gekommen. Es wurde erst jäh
beendet, als der Boden wieder zu wanken begann und selbst die
stabilen Steine unter ihnen wackelten. Ein grollen durchlief den
Boden und veranlasste die Bewohner ihre Köpfe einzuziehen, denn
einzelne Matten lösten sich und fielen auf sie nieder. So heftig
war er noch nie gewesen und machte jetzt die Zweifler mundtot.
Eigentlich war auch alles geklärt, nur ein oder zwei
Kleinigkeiten standen noch offen, aber das war jetzt nicht mehr
so wichtig. Die Menschen wollten zu ihren Hütten und nachsehen,
ob noch alles in Ordnung war und so löste sich die Versammlung
schneller auf als geplant.
Der nächste Morgen begann mit hektischem treiben. Menschen
liefen durcheinander und es wurden Gegenstände gesucht und
gefunden. Zum Schluss standen fast alle lauffähigen Männer und
sechs Frauen in der Mitte des Dorfes. Alle hatten etwas
gemeinsam. Sie hatten ein Bündel dabei, welches sie auf dem
Rücken trugen in dem sich noch etwas wärmeres zum anziehen
befand und etwas zu trinken und essen. Sonst brauchten sie
nichts weiter, sie wollten schon am nächsten Tag wieder zurück
sein.
So ausgerüstet begab sich die Gruppe, die fast ein Drittel der
Bewohner darstellte, auf den Weg Richtung Berg. Sie sollten
Rahani in die Augen sehen und ein Opfer darbringen. Die
restlichen Bewohner begleiteten die Gruppe noch ein Stück des
Weges, bis sie den Rand des Dorfes erreichten. Erst hier blieben
sie zurück und sahen den anderen hoffnungsvoll aber zugleich
fröhlich nach, denn sie waren zuversichtlich, dass alles den
nächsten Tag vorbei war. Dann konnten sie wieder ohne Sorge
leben, dass ihnen, wenn sie schliefen, etwas auf den Kopf fiel.
Rahani würde die Opfer annehmen, davon waren sie überzeugt. Die
Göttin würde gar nicht anders können.
Zurück blieben die Kinder, Alten und Frauen. Nur einer der
jungen Männer konnte nicht mit. Er hatte sich sein Bein
gebrochen und war sehr unglücklich darüber, nicht mit zu können.
Sie hätten ihn nicht die ganze Zeit zu tragen vermögen. Einmal
davon abgesehen, dass sie es auch gar nicht gemacht hätten. So
weit ging ihr Tatendrang nun auch nicht.
Die Gruppe ging langsam und vergnügt auf den Berg zu der langsam
aber sicher größer wurde. Sie alle waren hier schon gewesen,
denn der Berg lieferte ihnen die Basaltsteine, die sie so nötig
brauchten. War das Gestein doch härter als alles was sie
kannten. Es eignete sich nicht nur dazu den Versammlungsplatz zu
bauen. Denn außerdem wurden zum Beispiel die Mahlsteine daraus
gemacht. Das andere schwarze Gestein eignete sich überhaupt
nicht dazu. Wollte man auf ihm Getreide mahlen, zerbröselte er
sofort und das Mehl verdarb, da zu viele kleine Steinchen
dazwischen gerieten.
Es war ein sehr begehrter Rohstoff, leider zu schwer um alle
Hütten damit zu bauen. Der Weg vom Berg bis zum Dorf war einfach
zu weit und beschwerlich. Die Steine waren außerdem nicht in so
großer Fülle vorhanden. Sie wurden nur aus der einen Seite des
Berges geschlagen, denn nur hier hatten sie die perfekte Form
und waren so hart, wie sie benötigt wurden. Dazu hatte man mit
der Zeit Terrassen angelegt und kam so besser an sie heran.
Sonst bot der andere Teil der Insel nicht viel. Sie bauten zwar
hier auch einige unempfindliche Gemüsesorten an, aber nur
wenige, denn sie hielten hier ihre Ziegen, die an dem Berg und
an seinem Sockel noch genug zu fressen fanden, um zu überleben.
Dumm war nur, dass sie es manchmal auch auf die Terrassen
schafften und sich am Gemüse satt fraßen. So lohnte es sich
eigentlich nicht. Außer Ziegen und viel Buschwerk gab es nicht
viel.
Die Gruppe erreichte nach zwei Stunden die Stelle, die aus den
eigentlich zwei Inseln eine machte. Eine schmale Landbrücke
zwischen den beiden Eilanden verband sie und bei Ebbe konnte man
trockenen Fußes zur anderen laufen. Kam die Flut, kam man zwar
auch herüber, musste sich aber gefallen lassen, nass zu werden,
denn höhere Wellen schafften es hinüber.
Die Landbrücke war schmal, nur zehn Schritte an der dünnsten
Stelle aber fünfhundert Schritte lang, aber es reichte
vollkommen, um bequem hinüber zu kommen. Trotzdem wartete die
Gruppe, dass die Ebbe vollkommen war, und so saßen sie noch eine
Weile da und unterhielten sich vergnügt. So manch einer von
ihnen sah die ganze Sache eher locker. Sie nahmen alles nicht
ganz ernst denn sie glaubten nicht an die Göttin, waren aber der
Meinung, dass es nicht schaden konnte, bei der Sache
mitzumachen. Es war für sie mehr eine Art abenteuerlicher
Ausflug.
Zwei Stunden später war die Ebbe dann auf ihrem niedrigsten
Stand und sie machten sich auf, um hinüber zu kommen.
Sie hatten die Steinbrücke fast hinter sich gelassen, als die
Erde wieder zu beben begann. Nicht so heftig wie zuletzt, aber
gut zu spüren. Dabei hörten sie zum ersten Mal ein leises
knacken, was aus dem härteren Gestein der Brücke drang. Es hörte
sich so an, als wenn die Steine aneinander rieben und sich dabei
gegenseitig brachen.
Sie hatten keine Angst davor, beeilten sich aber trotzdem auf
die andere Seite zu kommen. Etwas unheimlich war es schon und es
konnte nicht schaden, dem aus dem Weg zu gehen. Schnell
erreichten sie die andere Seite und atmeten erleichtert auf.
Natürlich nur für sich ganz alleine und leise. Man wollte doch
vor den anderen nicht als Angsthase dastehen. Doch es war
schnell vergessen und sie machten sich weiter auf den Weg.
Drei Stunden später standen sie am Fuß des Berges und sahen
ehrfurchtsvoll nach oben. Erst hier wurde ihnen wieder klar, wie
groß der Berg eigentlich war. Mächtig, schwer und dunkel stand
er da. Viele dachten, dass er sicher schon von Anbeginn der Zeit
dort stand und sie sahen demutsvoll hinauf. Doch sie wollten
nicht dort unten stehen bleiben.
Sie machten sich auf, den beschwerlichen Weg hinter sich zu
bringen. Sie stiegen zuerst zu den Terrassen auf die im Süden
des Berges lagen. Zumal es den Vorteil hatte, dass die Sonne
länger für sie schien. Es war wärmer und sie würden nicht so
schnell frieren, denn weiter oben würde es sicher kälter werden.
Kaum hatten sie die Terrassen hinter sich gelassen, wurde es
beschwerlicher. Kein Weg führte weiter nach oben und überall lag
lockeres Geröll herum. So manches Mal hatten sie den Eindruck,
als wenn sie mehr zurückrutschten, als sie vorwärts kamen.
Dann begann der Berg plötzlich wieder zu grummeln. Sie spürten
das leichte vibrieren unter ihren Füssen und sahen besorgt nach
oben. Und gut, das sie es taten, denn auf einmal kamen einige
größere Steine von oben den Berg herunter gerollt. Sie hatten
genug Zeit die Route zu erkennen, der sie folgten und konnten
ihnen ausweichen. Wären sie getroffen worden, hätte es zumindest
Verletzte gegeben.
Einige begannen zu murren. Waren sie doch auf dem Weg der Göttin
zu opfern und was tat sie? Sie bewarf sie mit Steinen. Das
konnte so nicht richtig sein und war gegen jede
Gastfreundschaft. Was sie also davon halten sollten, war ihnen
nicht klar. Wollte sie gar kein Opfer oder war das, was sie
vorhatten nicht richtig? Sie wussten es nicht. Trotzdem mussten
sie es versuchen. So konnte es nicht weiter gehen.
Währenddessen begann die Sonne langsam zu versinken. Ihre
Strahlen wärmten schon lange nicht mehr so gut wie noch vor
wenigen Stunden. Die Schatten wurden länger und ein leichter
Wind kam auf, der sich langsam verstärkte.
Als sie endlich die Geröllhalden verließen und auf festem Boden
standen, machten sie eine kurze Rast und zogen sich wärmere
Kleidung an. Außerdem aßen sie einen Happen, denn sie waren
schon lange unterwegs. Dazu kam der ungewohnte Aufstieg der an
ihren Kräften zerrte. So manch einer von ihnen war inzwischen
gar nicht mehr von der Mission überzeugt. Die Beine taten weh
und sie wünschten sich wieder zurück ins Dorf. Aber das mussten
sie jetzt durchstehen. Keiner wollte dem anderen die Chance
geben über ihn zu lachen oder gar schlimmeres. Sogar die sechs
Frauen, die mitgekommen waren, hatten es bis hier geschafft, es
hätte ihre männliche Ehre verletzt jetzt aufzugeben. Also hieß
es Zähne zusammenbeißen und durch. So weit war es nicht mehr und
wenn sie sich beeilten würden sie den Gipfel erreichen, bevor es
dunkel wurde. Bei vollkommener Dunkelheit war es nicht mehr
schaffen, denn sie würden nicht mehr sehen, wohin sie traten.
Dafür war das Gestein viel zu dunkel.
Also brachen sie wieder auf und quälten sich jetzt, um einiges
langsamer, den Weg weiter nach oben. Dabei konnte sie ihr Ziel
schon sehen. Der Gipfel war zum greifen nah und sie würde ihn
noch erreichen, bevor es zu dunkel wurde. Dazu strengten sie
sich noch einmal doppelt an.
Und richtig. Die Sonne war gerade dabei und schickte ihre
letzten Strahlen über den Horizont, als sie den schmalen Rand
des Gipfels erreichten. Hier blieben sie erst einmal tief
durchatmend stehen, denn die Luft war hier oben dünner als unten
und das atmen war schwerer.
In diesem Augenblick versank die Sonne unter dem Horizont und
tauchte den Abendhimmel in ein tiefes rot, für das die oben
angekommenen allerdings keine Augen hatten. Direkt vor ihnen
öffnete sich ein fast schwarzer Schlund. Er war kreisrund und
hatte nur einen schmalen Grad auf dem sie standen. Wenn man sich
über den Rand beugte und in die scheinbar unendliche Schwärze
blickte, konnte man es am Grund tiefrot leuchten sehen. Dabei
sah es aus, als wenn einen ein glühendes Auge ansah, welches
immer wieder seine Form änderte. Es schien zu fließen,
verwirbelte immer wieder und stand dann wieder still. Manchmal
hörte man zudem ein fauchen, was von dort zu kommen schien. Es
klang bedrohlich, wie eine Warnung. Eine Warnung nicht zu nah zu
kommen, was allerdings auch keiner von den anwesenden vor hatte.
Keiner wäre auf die Idee gekommen hinab zu steigen, um es sich
genauer anzusehen. Hatte die Göttin sie doch schon mit Steinen
beworfen. Was würde einen erst dort unten erwarten? Sicher
nichts Gutes.
Es wurde dunkler. Die Nacht brach schnell herein und die ersten
Sterne leuchteten am Himmel, während sie sich funkelnd weiter
bewegten. Es hieß, dass sie die Seelen längst verstorbener
seien, die sich im Leben immer redlich verhalten hätten und nun
auf die Erde blickten, um den Menschen auch in der Nacht
Sicherheit zu geben. Hatte man sich nichts zuschulden kommen
lassen, beschützten und wachten sie über einen. Genau diese
Sterne gaben der Gruppe wieder die Sicherheit die sie brauchten.
Es konnte nichts passieren, da waren sie sich jetzt sicher.
Sie standen noch eine Weile zusammen denn sie wartete ab, bis es
vollkommen dunkel war. Dann fanden sie sich in sechs kleineren
Gruppen zusammen. Immer eine Frau und fünf Männer standen
beieinander, so wie die alten es ihnen mit auf den Weg gegeben
hatten. Erst dann trennten sie sich und liefen nach rechts und
links auseinander. Nur eine Gruppe blieb stehen wo sie war.
Die fünf anderen Gruppen liefen den Kraterrand entlang. Nach
etwa dreißig Schritten blieben zwei der Gruppen stehen. Nur die
drei verbliebenen liefen weiter. Dann nach etwa weiteren dreißig
Schritten blieben wieder zwei Gruppen stehen. Die letze blieb
dann nach weiteren dreißig Schritten stehen, genau gegenüber der
ersten. So bildeten sie auf dem Kraterrand ein Sechseck. Dann
standen sie noch eine kleine Weile still da.
Die Nacht war vollkommen Mondlos und die Dunkelheit fast
vollkommen. Nur die jetzt hell leuchtenden Sterne gaben ihr
weiches Licht auf die sich bietende Szene. Die sich auf dem Berg
befindenden Menschen konnten sich gegenseitig eher erahnen als
sehen, zu dunkel war es. Außerdem war der Wind eingeschlafen.
Nicht ein Lufthauch regte sich und das war in der Höhe
ungewöhnlich. Es war fast absolut still, nur ein leises Fauchen
aus dem tiefen Schlot des Vulkans drang an ihre Ohren. Man
konnte den Berg atmen hören. Rahani lebte dort unten, davon
waren sie jetzt vollkommen überzeugt.
Dann grummelte wieder der Boden. Kleinere Steine lösten sich vom
Kraterrand und rollten sowohl an der Außenseite herab, als auch
in den Schlot. Doch schon nach wenigen Schritten wurden sie von
der Dunkelheit verschluckt. Nur wenn sie dann gegen einen
anderen Felsen stießen, hörte man ein klackendes Geräusch, was
dumpf klang und von sehr tief unten herauf zu klingen schien.
Dies war dann gleichzeitig das Signal für die Umstehenden. Sie
begannen mit der Zeremonie in dem sich die Frauen ihrer
Oberbekleidung entledigten. Mit nacktem Oberkörper knieten sie
sich direkt an den Kraterrand und hoben ihre Arme mit nach oben
gedrehten Handflächen in die Höhe. Dann blieben sie einen Moment
in dieser Haltung. Erst jetzt begannen sie zuerst leise zu
singen. Es war eine bestimmte Tonfolge, einfach aber eingängig.
Sie wurde immer wiederholt erklang in der gleichen
Geschwindigkeit. Dabei begannen sie sich langsam mit ihre
Oberkörper von einer Seite auf die andere zu bewegen, um dann in
leicht kreisende Bewegungen zu verfallen.
Währenddessen entledigten sich die Männer ihrer gesamten
Bekleidung und stellen sich in einem Halbkreis hinter die Frauen
die jetzt lauter wurden. Ihre Stimmen, die zuvor noch einen
weichen Klang gehabt hatten, klangen jetzt rauer. Ihre vorher
ebenso weichen Bewegungen wurden eckiger. Es sah so aus, als
wenn Zuckungen durch ihre Körper liefen.
Wie zur Antwort grollte der Berg wieder. Ein leichtes vibrieren
ließ die kleinen Steinchen auf dem Kraterrand hüpfen und es
erklang ein raschelndes Geräusch, was allerdings fast
augenblicklich von einem starken Fauchen übertönt wurde. Ebenso
hatte sich das glühende Auge auf dem Grund des Kraters
vergrößert. Das sah allerdings keiner, denn die Frauen hatten
ihre Augen geschlossen und die Männer standen zu weit vom
Abgrund weg. Der einzige Unterschied war, dass die Körper der
Frauen eine größere Wärmestrahlung traf. Doch sie waren zu sehr
mit ihrer Rolle beschäftigt, dass sie es gar nicht bemerkten.
Und wenn, dann hielten sie es für den Atem von Rahani.
Die ganze Zeit lang standen die Männer mit geschlossenen Augen
da und bewegten sich nicht. Nur vom schwachen Licht der Sterne
angestrahlt sahen sie eher wie kurze Säulen aus, die um die
Frauen standen. Doch das änderte sich jetzt.
Wie auf ein geheimes Zeichen hin, begannen sie sich mit einer
Hand zu streicheln. Sie strichen über ihre langsam erigierenden
Schwänze, die auf die Frauen zielten. Zugleich waren sie so
ausgerichtet, dass jeder Schwanz über Kreuz zu einer der anderen
Gruppen zeigte. Hätte man jetzt in jeder Richtung einen Strich
gezogen, hätte sich ein Spinnennetzartiges Muster ergeben, was
den gesamten Krater überspannt hätte. Alles hatte seine
geometrische Ordnung um die Göttin des Berges zu erfreuen.
Schließlich hatte sie auch die Basaltsteine geformt. Sie mochte
es also und man war bemüht ihr zu gefallen.
Nicht lange und die Männer standen mit steifen Ruten da, während
der Berg fast unmerklich zu leuchten begann. Das Auge aus der
Tiefe war wieder größer geworden und das rötliche glühen wurde
intensiver. Es war bereits so hell, dass es schon die Oberkörper
der Frauen erreichte. Diese, heller als die sie umgebenden
Steine, bekamen einen rötlichen Ton der sie aufleuchten ließ.
Ebenso wurde die Wärmestrahlung intensiver. Doch auch das wurde
noch nicht bemerkt.
Das Singen der Frauen wurde noch etwas lauter und es veränderte
sich in der Tonart. Mehrere raue Laute, die direkt aus den
Kehlen der Frauen zu kommen schienen, zerrissen die Nacht. Es
klang drängender, flehender als zuvor, vielleicht auch mit einer
Spur von Forderung.
Dann brach es auf einmal ab und die Frauen verneigten sich in
Richtung des Kraters während die Männer immer weiter ihre
Schwänze steif hielten. Sie strichen nur leicht aber regelmäßig
darüber.
Wieder bebte die Erde. Dies wurde als Antwort gedeutet und die
Frauen drehten sich nun einmal um die eigene Achse, so dass sie
jetzt mit dem Rücken zum Abgrund knieten. Sie hoben ihre
Oberkörper wieder an, streckten diesmal aber ihre Hände nicht
gen Himmel, sonder streckten sie nach vorne aus, wo die Männer
standen. Diese hatte sofort damit aufgehört sich zu liebkosen.
Jetzt wanderten die Hände der Frauen abwechselnd von einem zum
anderen Stab, welche sich ihnen schon steif entgegen streckten.
Zarte Finger umschlossen sie und rieben sie gefühlvoll weiter.
Dazu erklangen wieder leise die beschwörenden Töne aus ihren
Mündern.
Der Berg kam indessen gar nicht mehr richtig zur Ruhe. Fast ohne
Unterlass rasten immer wieder kleine Erdstöße durch ihn
hindurch. Dazu fing es überall an zu knacken. Ein knacken wie
sie es schon auf der Brücke gehört hatten. Es klang bedrohlich,
war zum fürchten, aber die Menschen auf dem Krater nahmen es als
Antwort von Rahani. Sie deutete es als Zustimmung und setzten
ihre Zeremonie fort. Dabei störte sie es nicht einmal, dass das
Leuchten und die Wärme langsam aber stetig zunahmen. So wurden
nun die Leiber der Männer immer stärker von dem rötlichen Licht
erhellt und sie hoben sie von dem dunklen Gestein und der
finsteren Nacht ab, so dass es aussah, als wenn sie aus sich
selber zu glühten.
Die Frauen wurden schneller. Ihre Hände wanderten immer wieder
von einem zum anderen, reizten sie mehr und mehr und begannen
jetzt damit, leicht an ihnen zu ziehen. Die Männer konnten gar
nicht anders als noch einen halben Schritt näher treten.
Hatten sie zuvor noch Abstand voneinander gehabt, so standen sie
jetzt so dicht nebeneinander, dass sie sich berührten. Ein
lebender Halbkreis ohne Lücken dazwischen.
Dann beugten sich die Frauen auf einmal vor und öffneten ihre
Münder. Ihre Köpfe erreichten die Schwänze zu ihrer rechten.
Dann schoben sie ihre Köpfe weiter vor und ließen die zuckenden,
dicken Eicheln zwischen ihre Lippen gleiten.
Nur wenige Liedschläge später glitten sie weiter hinein und
wurden von sich darum schlängelnden Zungen begrüßt.
Währenddessen kümmerten sich die Hände der Frauen weiter um die
anderen wartenden Luststängel, bis ihre Münder sich zum nächsten
bewegten.
Noch hielten die Köpfe still. Doch wenig später bewegen sie sich
immer schneller werdend vor und zurück, reizten die Männer
weiter und weiter, ließen aber sofort von ihnen ab, wenn erste
Zuckungen durch die Schwänze liefen oder sich sogar der
Geschmack von Liebeswasser einstellte. Dann zogen sie sich
sofort wieder zurück und kümmerten sich um den nächsten.
Sie gingen die Reihe immer wieder ab wobei sie genau darauf
achteten jeden soweit zubringen, dass er kurz davor seinen
Höhepunkt zu erreichen. Und das ging eine ganze Weile so. Sie
warteten auf ein Zeichen. Rahani sollte ihnen zeigen, dass sie
für das Opfer bereit war.
Rahani ließ sich Zeit. Sie wartete mit der Antwort und die
Menschen hatten schon die Befürchtung, dass sie etwas nicht
richtig machten. Aber dann begann die Erde von neuem zu beben.
Doch diesmal war es anders. Es begann nicht plötzlich wie sonst,
sondern war zuerst nur so etwas wie ein leichtes kribbeln unter
den Füssen, steigerte sich dann aber immer weiter. Zugleich
stieg die Wärme an und es wurde heller. Rahanis Auge war noch
einmal gewachsen. Es war zu einem See geworden in dem sich
geschmolzenes Gestein umwälzte. Kühlte es an der Oberfläche
etwas ab, wurde es dunkler, wurde aber von nachdrängender Lava
zerrissen und wieder in den See gezogen.
Von dem bekamen die Menschen aber nichts mit. Selbst die
steigende Wärme, die sich langsam zur Hitze ausdehnte wurde
nicht wahr genommen. Zu sehr waren sie in ihrem Ritual gebunden.
Hätte man weiter vom Berg weg gestanden hätte man jetzt sehen
können, wie ein rötlicher Lichtschein gen Himmel stieg und
zugleich kleine Punkte am Kraterrand beleuchtete.
Das leichte Kribbeln des Bodens verstärkte sich zu einem Beben
welches wieder alles vibrieren ließ. Immer mehr Steine lösten
sich von den Flanken des Bergs und stürzen nach unten. Andere
fielen in den Kratersee und ließen glühende Lava aufspritzen
wenn sie eintauchten. Gase drängten nach oben durch die Blasen
entstanden, die auf der Oberfläche mit einem jetzt hörbaren
Geräusch platzten.
Diese ganzen Umstände sahen die Menschen als Zeichen. Es war so
weit. Rahani wollte ihr Opfer und sie waren dazu bereit es zu
geben.
Noch einmal nahmen die Frauen die Schwänze in dem Mund und
reizten sie jetzt so weit wie es nur ging, ohne dass sie kamen.
Sie schmeckten schon austretenden Tropfen, die zäh an den
Spitzen klebten.
Mit einem Mal ließen die Frauen los und beugten ihre Oberkörper
leicht nach hinten, dann ließen sie ihre Köpfe nach hinten
sinken. Zugleich öffneten sie ihre Münder soweit es ging und
warteten mit geschlossenen Augen. Sie waren selber zu Rahani
geworden. Standen an ihrer Stelle und erwarteten die Opfer.
Die Männer hatten wieder Hand an sich gelegt und vollendeten
jetzt, was die Frauen begonnen hatten. Es bedurfte nur wenige
Handschläge um zum Höhepunkt zu kommen.
Während der Vulkan immer mehr bebte und es sich so anfühlte als
wenn er darauf wartete, begann er immer lauter zu fauchen. Heiße
Gase schossen aus dem Schlot und stiegen Kerzengrade auf, da
kein Wind sie ablenkte.
Gleichzeitig ging es bei den Männern los. Fast gleichzeitig
begannen die Schwänze zu spritzen. Durch die starke und lange
Reizung hatte sich viel in ihnen gesammelt und das brach jetzt
mit einer Urgewalt aus ihren heraus, wie es zugleich aus dem
Schlot brach. Heiß und weiß schoss es mit hohem Druck heraus und
traf gut gezielt, die weit offen stehenden Münder der Frauen.
Weiter pumpten sie es aus sich heraus, so dass sogar der zweite
Strahl noch sein Ziel erreichte. Rahani sollte so viel von dem
kostbarsten bekommen, wie sie hatten. Sie sollte das Wasser des
Lebens erhalten, etwas anders Kostbares hatten sie nicht.
Weitere Schübe traten jetzt schon weniger stark aus und
benetzten die nackten, ebenso nach hinten gelehnten Oberkörper.
Sie verteilten sich auf den Brüsten und Bäuchen. Liefen dann
langsam nach unten, wurden aber von den Händen der Frauen
aufgehalten, bevor sie auf den Boden tropften. Sie verrieben sie
auf ihren Oberkörpern bis sie vollkommen damit bedeckt waren und
davon glänzten. Gleichzeitig schluckten sie alles herunter, was
sich in ihren Rachen gesammelt hatte. Zum Schluss leckten sie
sich noch die Lippen ab und zogen auch den letzten Rest in ihren
Mund.
Lippen schlossen sich wieder, Zungen erkundeten den gesamten
Mundraum und spülten jeden noch so kleinen Rest durch die Kehle
und Speiseröhre.
Erst jetzt trat langsam Ernüchterung ein. Rahani wurde nicht
ruhiger. Das Opfer hatte ihr anscheinend nicht genügt oder es
war falsch gewesen. Die Menschen nahmen erst jetzt wahr, wie
heiß es inzwischen bei ihren auf dem Kraterrand geworden war.
Sie sahen ängstlich in den Kratersee der immer noch zu steigen
schien. Es würde nicht mehr lange dauern bis er den Rand
erreichte.
Sie bekamen Angst. Alle liefen zusammen so schnell sie konnten
und in dem Moment als sie sich trafen. Grollt es noch einmal.
Diesmal so stark wie noch nie. Sie mussten sich gegenseitig
festhalten um nicht zu stürzen. Dabei wäre beinahe einer von
ihnen in den Krater gefallen. In letzter Sekunde wurde er von
einer helfenden Hand gehalten.
Dieses Beben löste etwas aus was sie nie vermutet hätten. Eine
Flanke des Bergs bekam auf einmal einen Riss der sich zu einem
Spalt und dann zu einem Loch ausdehnte. Tiefer als der Kratersee
zog er sich durch die Seite und die Lava begann sich durch das
Loch zu ergießen. Nichts konnte es aufhalten. Es lief den Berg
herunter und steckte alles in Brand was auf seinem Weg war.
Dabei kroch es langsam in die Richtung aus der die Menschen
gekommen waren. Die Richtung beibehaltend floss es zuerst noch
recht langsam, dann aber schneller werdend herunter.
Unter anderen Umständen sicher ein faszinierendes Schauspiel,
aber jetzt für die Menschen nur noch erschreckend. Eine Urgewalt
war ausgebrochen gegen die sie vollkommen machtlos waren.
Hilflos mussten sie zusehen wie es langsam aber sicher ihren
Rückweg abschnitt. Am Fuß des Bergs wurde der Strom langsamer,
kroch aber doch weiter. Was die Menschen auf dem Berg allerdings
nicht mehr sahen, dafür waren sie zu weit davon entfernt.
Sie versuchten sich in Sicherheit zu bringen. Konnten es vor
Hitzestrahlung auf dem Kraterrand nicht mehr aushalten und
stiegen erst einmal wenige Meter weiter herab. Hier erreichte es
sie nicht mehr und sie zogen sich ihre mitgenommenen Sachen
wieder an.
Die Stimmung war schlecht. Zum einen war ihr Opfer anscheinend
nicht sonderlich gut angekommen, auf der anderen Seite hatten
sie einfach nur Angst. Angst vor dem was noch kommen könnte. Sie
wussten nicht was das sein könnte, aber es würde auf alle Fälle
nicht gut sein. Davon waren sie überzeugt.
Dazu kam, dass sie nicht ahnen konnten, was sonst noch geschehen
war.
Beim dem letzten großen Beben war nicht nur die Flanke des Bergs
aufgerissen sondern die Brücke, auf die die Lava zufloss,
existierte nicht mehr. Sie war auseinander gebrochen und im Meer
versunken. Somit waren sie zweifach von ihrem Rückweg
abgeschlossen, denn die Lava kroch weiter auf die Stelle zu an
der einmal die Landbrücke gewesen war und ergoss sich hier mit
lautem zischen ins Wasser. Weiße Rauchwolken stiegen hoch auf
und das Wasser begann an verschiedenen Stellen zu brodeln. Es
würde sehr lange dauern, bis das Gestein hier soweit abgekühlt
war, um es gefahrlos zu betreten. Und wenn es dann soweit war,
würde es einem auch nichts mehr nutzen. Die Brücke war
unwiederbringlich versunken.
Wie also wieder hinüber kommen. Fünfhundert Schritte waren nicht
viel. Schwimmen konnten die meisten, nur gab es jetzt dort zwei
Hindernisse.
Die Gezeiten drängten sich zwischen den jetzt zwei Inseln
hindurch und würden jeden Schwimmer mit sich reißen. Nur während
des höchsten und niedrigsten Stands der Tide würde die See für
eine kurze Zeit keine Strömung haben. Dann wäre es durchaus
möglich hinüber zu schwimmen. Allerdings hatte das einen
gewaltigen Haken.
Die Inseln waren weit und breit die einzigen im Ozean. Hier
konzentrierte sich das Leben, nicht im offenen Wasser. Das
wussten nicht nur die, die Schutz oder Nahrung an den
Inselsockeln suchten, sondern auch ihre Jäger. Wo Beute da
Jäger. Haie waren hervorragende Jäger und ein schwimmender
Happen der so einfach zu erlegen war wie ein Mensch, war schon
eine Versuchung wert. Alle auf der Insel wussten es. Darum
gingen sie so gut wie nie Wasser, höchstens bis zu den Knien
denn selbst im hüfthohen Wasser, etwas weiter draußen war man
nicht sicher. Gerade hier lauerte der Tot und nicht nur einer
von ihrer Sippe war schon ein Opfer geworden. Darum ließen die
Bewohner es und schwammen wenn überhaupt nur in dem kleinen See
auf der Insel, der ihnen als Süßwasserspeicher diente.
Sie lebten mehr vom Ackerbau und der Viehzucht, wobei das
letztere sich eher auf die frei laufenden Ziegen beschränkte,
die auf der Insel des Vulkans ihr Leben fristeten. Wenn es Fisch
gab, dann nur welchen der geangelt oder mit den Händen im
seichten Wasser gefangen wurde. Das war dann aber eher eine
Nebenbeschäftigung, als ein wirklicher Broterwerb.
Eine Sache kam noch erschwerend dazu. Es hatte mit dem zu tun,
wie sie überhaupt auf die Insel gekommen waren.
Eigentlich wusste das keiner mehr so genau. Nur die Alten
kannten noch eine Geschichte darüber, die aber auch eine
Erfindung sein konnte. Eins hatte sie aber, sie war nicht von
der Hand zu weisen und da es keiner anders wusste, musste man
sie glauben.
Vor vielen Jahren kamen die Großeltern der ältesten Alten von
heute mit Booten auf die Insel. Sie waren von weit her gekommen
und hatten alles mitgebracht was sie benötigen. Warum sie
allerdings den weiten Weg angetreten waren, wusste auch keiner
mehr.
Jedenfalls ließen sie sich auf der damals sehr dicht bewachsenen
Insel nieder und begannen ein neues Leben. Der Vulkanboden war
so gut, dass sie drei Ernten einfahren konnten. Somit herrschte
kein Mangel. Doch die Bevölkerung wuchs und wuchs. Es war keine
Not, wurden die Ernten zu gering, wurde neues Ackerland
geschaffen indem man die Bäume fällte die man sowieso für den
Hüttenbau benötigte. Nur lief es irgendwann alles aus dem Ruder.
Keiner merkte, wie sich die Begebenheiten auf der Insel langsam
aber sicher zum Schlechten hin neigten. Es wurden mehr Bäume
gefällt als nachwuchsen, was zuerst nicht so schlimm war, denn
sie fühlten sich auf der Insel wohl und hatte nicht vor sie zu
verlassen. So rotteten ihre Boote langsam dahin, die sie
hergebracht hatten. Fischer waren sie ebenfalls nicht gewesen.
Also kam auch keiner auf die Idee, dass etwas schief gehen
könnte. Weiter ging der Raubbau an der Natur. Versuchten die
jungen Triebe der nachwachsenden Bäume sich zu entfalten, wurden
sie von den zahlhaften Ziegen verbissen. Nichts was den Tieren
schmackhaft erschien blieb verschont. Nur das was zu trocken
war, nicht schmeckte oder gar mit Dornen bewaffnet war, blieb
über. So wuchs langsam ein verfilztes Dickicht heran, was kaum
zu durchdringen war. Dies ließ aber auch keine Sprösslinge mehr
durch.
Ein Baum nach dem anderen fiel. Mehr Menschen, mehr Ackerland.
Ein Kreislauf der nicht zu stoppen war. Außerdem war das Holz
leichter zu verbrennen um zu kochen, als das dornige Gestrüpp
was überall wuchs.
Nur ein paar Jahre später waren fast alle Bäume verschwunden.
Nur noch wenige standen da und harrten ihres Schicksals. Erst
jetzt wurde den Menschen klar, was sie taten. Wussten aber nicht
wie sie es ändern könnten.
Dann kam der Tag welcher wohl eine Art Schicksalstag wurde. Die
Reste der verbleibenden Bäume bildeten einen Art kleinen Wald
der sich noch gegen jeden Sturm und gegen jedes Unwetter
gestemmt hatte. Die Bäume wuchsen zwar schon schief, aber nur
die äußeren. Doch dann kam ein Sturm. Nicht irgendeiner, sondern
ein bestimmter, von der Bevölkerung nur "der Sturm" genannt.
Der Wind peitschte über die Insel und riss alles mit sich.
Windstöße von unheimlicher kraft rasten unaufhaltsam auf das
Eiland zu und drückte gegen die Bäume.
Zuerst konnten sie noch stand halten aber schon bald lockerten
sich ihre Wurzeln im weichen Untergrund. Die ersten fielen um
und drückten jetzt noch zusätzlich mit ihrem Gewicht gegen die
anderen. Immer mehr verkeilten sie sich ineinander, konnten sich
dadurch aber auch gleichzeitig besser gegen den Wind behaupten,
da sie eine feste Einheit bildeten. Doch genau das wurde ihnen
zum Verhängnis. Auch wenn der Wind ihnen nichts mehr anhaben
konnte, so kam jetzt auch noch ein Gewitter auf. Ein Gewitter
von der Sorte die wenig Regen, aber viele Blitze brachten.
Wie der Zufall es wollte schlug einer der Blitze direkt in einen
der vorderen, umgefallenen Bäume ein und fand sofort Nahrung.
Der immer noch herrschende, starke Wind tat sein übriges. In
wenigen Minuten raste eine Feuerwalze über den ganzen Wald und
verwandelte alles was ihr in die Quere kam zu Asche. Kein Baum
wurde verschont, dicht an dicht boten sie genau das an, was das
Feuer benötigte.
Die Inselbewohner konnten nur machtlos zusehen, wie auch die
letzten Bäume von der Insel verschwanden. Eine spätere Suche
nach Setzlingen, die vielleicht noch irgendwo abseits standen,
brachte keinen Erfolg.
Erst jetzt wurde den Mensch klar, dass sie auf der Insel
gefangen waren. Zumindest so lange bis eventuell noch einmal ein
Boot vorbei kommen würde. Das kam aber nicht. Bis zum heutigen
Tag nicht.
Jetzt war guter Rat teuer. Die Bevölkerung hatte die
größtmögliche Anzahl erreicht. Mehr konnte die Insel nicht
ernähren, ohne dass sie hungern müssten. Also wurde ein Plan
entwickelt wie zu verfahren wäre. Die einzige Lösung war
zugleich die schwierigste. Es durften nur dann einer geboren
werden, wenn ein anderer starb. Oder besser noch weniger. Eine
zweite Schwierigkeit kam dazu.
Da die Bevölkerungszahl relativ gering war, wurde es sehr
schneller erforderlich sich zu merken, wer mit wem wie weit
verwand war. So entstanden mit der Zeit Pläne, wer mit wem
zusammen sein durfte und wer nicht. Es beruhte also oft gar
nicht auf Liebe oder Sympathie, sondern diente mehr dem Zweck
wenn zwei sich zusammen taten. Trotzdem wurde es immer
schwieriger die Balance zu halten zwischen Überbevölkerung und
zu geringer Auswahl. Allerdings pendelte es sich mit der Zeit
soweit ein, dass es keinem wirklich mehr schwer fiel. Das hatte
auch einen Grund.
Warum genau wusste keiner so genau. Aber aus einer der
Wildpflanzen konnte man einen süßen Saft gewinnen der nach
einiger Zeit zu gären anfing. Es entwickelte sich Alkohol in
recht hoher Konzentration. Doch das war gar nicht das, was daran
so gut war. Der Trunk hatte noch eine nicht unerhebliche
Nebenwirkung. Frauen wurden davon lediglich betrunken, bei den
Männern passierte wesentlich mehr. Sie wurden nicht nur
betrunken sondern nach dem Genuss einer höheren Menge für
mindestens drei Monate zeugungsunfähig.
Das wiederum hatte zwei gewaltige Vorteile. Der erste lang auf
der Hand. Man hatte ein Mittel gegen die Überbevölkerung
gefunden, ohne das einer auf seine Lust verzichten mussten, denn
das beeinträchtige es auf keine Weise.
Der zweite, fast genauso große Vorteil lag darin, dass die
Männer sich immer wieder volllaufen lassen konnten, ohne dass
jemand etwas dagegen sagen konnte. Waren sie betrunken, taten
sie nur etwas für die Allgemeinheit. Eine gute Ausrede um sich
einen zu gönnen.
Tragisch war nur, dass sehr viele Männer der Droge Alkohol auf
Dauer verfielen. Also mussten sich die Bewohner eines Tages
zusammen setzten und darüber beratschlagen, wer überhaupt noch
etwas davon bekommen sollte. Hier war der Plan wieder
entscheidend und so wurde jedes Jahr unter den jungen Männern
einige ausgewählt, die in der Blüte ihrer Manneskraft standen
und die richtigen Voraussetzungen hatten. Die bekamen nichts.
Sie sorgten mit den dazu ausgewählten Frauen für Nachwuchs.
Es war am Anfang nicht leicht dies durchzusetzen, aber es half
nichts. Später merkte man sogar, dass es eine sehr gute Sache
war, denn die Gemeinschaft der Insulaner sorgte gegenseitig für
das Wohl aller. Keiner musste im Alter Sorge tragen zu
verhungern, weil einen keine Nachkommen versorgten. Das taten
alle zusammen.
Jetzt geschah noch etwas merkwürdiges was keiner so
vorhergesehen hatte. Die Bevölkerung schrumpfte sogar. Niemand
musste mehr Kinder haben und so kamen einige auf die Idee, dass
man auch gut ohne auskam. Keinen Stress mehr mit den kleinen,
keine langjährige Erziehung, nichts was einem die Ruhe
zerstörte. Man konnte auch so glücklich sein. Dieser Trend hielt
bis heute an und langsam wurde es eng. Man machte sich langsam
schon Sorgen darum auszusterben. Die Lösung des Problems war
noch nicht in Sicht.
Aber all diese kleinen und mittelgroßen Probleme versanken in
der Bedeutungslosigkeit, wenn man über die jetzigen nachdachte.
Der Berg und mit ihm Rahani hatten das Opfer nicht angenommen.
Davon war man sogar im Dorf schon überzeugt. Immerhin hatte man
in der Nacht die Erdstöße sehr gut wahrnehmen können und die
Menschen waren aus ihren Häusern geflohen. Zwei waren dann auch
tatsächlich eingestürzt. Dann hatte man zum Berg gesehen und
sofort die lange, rot glühende Zunge den Berg herunterfließen
sehen. Das konnte nichts Gutes bedeuten, darüber war man sich
schnell einig. Außerdem machte man sich Sorgen darüber, was mit
denen geschehen war, die gerade in diesem Moment auf dem Berg
sein mussten. Angst ging um und einige der Frauen machten sich
sofort fertig um in Richtung Berg zu laufen. Andere hielten es
für reinen Wahnsinn und blieben lieber in der vermeintlichen
Sicherheit des Dorfes.
Zehn Frauen machten sich am frühen Morgen auf den Weg. Sie
überquerten die Insel und standen ein paar Stunden später
erschöpft an der nicht mehr vorhandenen Brücke. Nur noch ein
unüberwindliches Wasser befand sich dazwischen, auf dessen
anderen Seite die glühenden Massen in die See flossen und
tropften. Laut zischendes und brodelndes Wasser, dessen weißer
Rauch hoch aufstieg, verhinderte weiter auf die andere Seite
sehen zu können.
Also gingen ein paar nach rechts, die anderen nach links um
eventuell aus einem anderen Winkel etwas sehen zu können. Aber
auch das brachte auch keine neuen Erkenntnisse. Kein Mensch war
auf der anderen Seite zu sehen.
Sie blieben bis zum Mittag, sahen dann aber ein, dass es nichts
bringen würde, zumal sie keinen Proviant mitgenommen hatten.
Also blieben zwei der Frauen dort die anderen machten sich auf
den Weg zurück ins Dorf. Sie würden jemanden schicken der etwas
zu essen und trinken brachte.
Sie wollten abwechselnd wachen. Wollten sehen ob auf der anderen
Seite noch jemand lebte. Wenn ja würden sie sicher irgendwann am
anderen Ufer zu sehen sein.
Der Gruppe auf der anderen Seite erging es nicht viel anders.
In der Nacht war es einfach zu dunkel gewesen um den Abstieg zu
wagen. Darum warteten sie voller Angst an ihrem Platz und
zuckten jedes Mal zusammen, wenn sich der Berg immer wieder
schüttelte. Rahani war immer noch ungehalten und sich fürchteten
sich vor ihr.
Noch größere Sorgen machten sie sich allerdings darüber, was
wohl die anderen sagen würden, wenn sie ins Dorf kamen. Immerhin
hatten sie die Göttin noch mehr verärgert. Zumindest nahmen sie
an, dass sie schuld daran waren.
Erst als die Sonne aufging, wurde ihre Zuversicht wieder größer.
Immerhin hatten sie die Nacht auf dem wütenden Berg überlebt und
im Licht der aufgehenden Sonne, sah schon alles etwas anders
aus.
Also machten sie sich vorsichtig auf den Weg um endlich nach
Hause zu kommen. So schlimm konnte es gar nicht werden. Außerdem
war der Proviant fast verbraucht und sie hatten Hunger und
Durst.
Der Abstieg ging schneller als sie dachten. Besonders auf dem
feinen Geröll kamen sie schneller voran als gedacht. Sie
rutschten mehr als das sie liefen und mussten dabei nur
aufpassen, dass nicht zu viele der Steine mit in Bewegung kamen.
Schneller als gedacht standen sie am Sockel des Bergs und
wandten sich ihrem Weg zu. Doch schon nach kürzerer Zeit
erkannten sie, dass es alles nicht so einfach wurde. Neben ihnen
floss immer noch der Strom von Lava und ließ ihnen nicht viele
Möglichkeiten, die Richtung selber zu bestimmen.
Trotzdem schafften sie es mit der nötigen Vorsicht in etwa an
die Stelle zu kommen, an der sie zum anderen Teil der Insel
übersetzen wollten.
Groß war die Überraschung, als sie merkten, dass es nicht ging.
Aus einiger Entfernung erkannten sie, dass die Brücke nicht mehr
existierte. Wie sollten sie nur auf die andere Seite kommen? Ihr
Weg war abgeschnitten und selbst nach langem nachdenken kamen
sie auf keine Lösung.
Dann entdeckten sie die beiden Frauen auf der anderen Seite die
zu ihnen herüber winkten. Aber etwas anderes als zurückwinken
konnten sie auch nicht tun. Erste Tränen flossen. Die andere
Seite so nah und doch so fern. Verzweiflung kam hoch und sprang
von einem Menschen zum anderen.
Die einzige Hoffnung die sie hatten war, dass den andern auf der
andren Seite etwas einfiel. Ihnen kam keine wirkliche Idee.
Einige Zeit später begannen sie sich auf das zu besinnen, was
sie tun konnten. Zuerst musste für Unterkunft, Essen und trinken
gesorgt werden. Die erste Bestandsaufnahme ergab eine Menge
Ziegen, etwas Gemüse und jede Menge Hitze zum garen. Eine
Unterkunft musste noch gebaut werden. Woraus und wie wusste noch
keiner. Nur einer erinnerte sich daran, dass es am Fuß des
Berges eine Höhle geben sollte. Vielleicht war diese noch da.
Damit hätte sich zuerst einmal die Sache mit der Unterkunft
erledigt.
Also schickte sich die Gruppe an alles soweit zu erkunden, um
wenigstens eine Zeit lang, ohne die auf der anderen Seite,
überleben zu können. Auch sie ließen zwei von ihnen zurück, um
eventuell Kontakt zu den anderen halten zu können. Wie immer der
auch aussah. Aber alleine zu wissen, dass es auf der anderen
Seite noch jemanden gab, war tröstlich.
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