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XI
Der dunkelblonde Mann leerte die Taschen seines Freunds, stand
schwerfällig auf und sammelte sich langsam wieder. Er stieß
einen schrillen Pfiff auf zwei Fingern aus. Keine zwei Minuten
später standen vier seiner Sicherheitsleute auf der Lichtung. Er
gab ihnen sofort Anweisungen: Einen schickte er ins Haus, um
jedem Bescheid zu geben, dass die Party nun einen anderen
Verlauf nehmen müsse. Ein anderer musste den Piloten holen und
sich um die Leiche kümmern. Er würde sehen, dass er einen
Totenschein bekam und er bei seiner Frau auf seinem Grundstück
beerdigt würde. Die anderen zwei sollten die Hunde holen und
Ernesto suchen. Er wollte ihn tot oder lebendig.
"Dominik, auch deine Hilfe brauche ich. Du musst im Keller dafür
sorgen, dass alles seine Ordnung hat und die Sklavinnen alle
bekleidet sind. Ich werd mich nicht um alles kümmern können,
erst muss ich ein paar Papiere vernichten. "
Dominik nickte und eilte zum Haus. Leonard reichte der Sklavin
seine Hand und war ihr beim Aufstehen behilflich. Vorsichtig
öffnete er die Maske und zog sie vom Kopf. Er sah seiner
Schwester das erste Mal ins Gesicht und war erstaunt. Sie war
sein weibliches Gegenstück.
"Schön, dass ich dich gefunden habe. "
Sie schüttelte verwirrt den Kopf, dann hellte sich ihre Miene
auf und sie griff sich an die Ohren. Sie zog zwei Wattestöpsel
heraus.
"Verzeiht, ich hab ganz vergessen, dass die Dinger in meinen
Ohren waren. Was habt Ihr bitte gesagt? "
"Ich sagte, schön, dass ich dich gefunden habe, Schwesterchen."
Er lächelte sie an, was zu einem Grinsen wurde, als er sah, dass
sie den Mund nicht zubekam.
"Ist das ein Scherz? Mein Bruder ist seit vielen Jahren tot. "
"Nein, das ist kein Scherz. Ich habe bis vor kurzem auch nicht
gewusst, dass ich eine Schwester habe. Aber lass uns bitte
später darüber reden, wir haben ein kleines Problem. "
Erst jetzt sah sie die Leiche hinter ihrem Bruder. Sie
unterdrückte einen Schrei und ging unvermittelt einen Schritt
zurück. Dabei stieß sie mit Steve zusammen, der hinter ihr
stand. Ihr entfuhr nun doch ein kleiner Schrei. Erschrocken
drehte sie sich um, ihre Augen wurden groß.
"Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärest tot? Ich bin
umringt von Toten, die nicht tot sind. "
"Wäre dir das lieber? Dann müsstest du mich wenigstens nicht
mehr anlügen."
Luisa wurde erst rot und dann weiß im Gesicht. Die Kälte in
seiner Stimme verletzte sie bis tief in ihre Seele. Heiße Tränen
traten in ihre Augen, während sie ihm hinterher sah und der Wald
ihn verschluckte. Ihr Bruder legte ihr sanft die Hand auf ihre
Schulter.
"Komm, er wird sich schon wieder beruhigen. Du wirst schon
sehen. Aber wenn du ihn belogen hast, musst du jetzt da durch.
So hart es auch für dich ist. "
"Ja, ich weiß. Auch wenn ich nicht anders konnte. Wo ist
eigentlich Ernesto?"
Sie sah sich ängstlich um, denn sie hatte ihn gänzlich
vergessen.
"Vergiss ihn, er gehört nicht mehr zu dir. Gott stehe ihm bei,
wenn ich ihn in die Hände bekomme. Lass uns zurück ins Haus
gehen."
Auf der kurzen Strecke, die sie zurücklegten, sah Leonard sie
immer wieder verstohlen an.
"Wir sehen uns sehr ähnlich."
"Nun, wir sind doch auch Zwillinge."
"Darum musstest du auch die Maske tragen. Er hatte Angst, dass
mir etwas auffallen könnte und ich Fragen stelle. "
Sie betraten das Haus, er herrschte ein wenig Chaos, aber ein
geregeltes Chaos. Es wurde einiges umgeräumt und die Gäste waren
schon alle bekleidet. Janet kam auf beide zugerannt, ihre Wangen
glühten vor Aufregung. Nachdem Leonard ihr versichert hatte,
dass alles okay wäre, schickte er sie mit Luisa los, damit seine
Schwester etwas zum Anziehen bekam. Als er den beiden hinterher
sah, fühlte er ein kleines Stück Glück in sich. Und das in
dieser Situation! Es verwunderte ihn selbst. Sein Butler störte
seinen Gedankengang, als dieser unvermittelt vor ihm stand.
"Gut, dass Sie da sind, Sir! Mr. Sniefe ist mit Mr. Cleoth wohl
von der Straße abgekommen. Ihr Auto ist zwischen den Bäumen
explodiert. "
"Das war sicherlich kein Unfall, dafür kannten sie den Weg zu
gut. Sagen Sie jedem Chauffeur oder Autobesitzer Bescheid, sie
sollen ihre Autos vor der Heimfahrt kontrollieren. Besonders die
Bremsschläuche. Nun weiß ich, was Ernesto draußen gemacht hat.
Wenn die Polizei auf dem Weg hierhin ist, sag mir Bescheid. "
"Ja, Sir. "
Leonard atmete tief ein und ging eilig in sein Arbeitszimmer. An
der linken Wand hing ein großes Ölgemälde, zügig ging er darauf
zu und nahm es herunter. Die Türe eines Safes wurde sichtbar.
Nach einigen Sekunden zog er sie auf. Er war so sehr damit
beschäftigt, dass er einen Sprung zur Seite machte, als Steve
ihn ansprach.
"Du solltest die Türe zumachen, oder soll das jeder
mitbekommen?"
"Verdammt, du hast mich erschreckt."
Steve grinste ihn an und schloss die Türe hinter sich. Leonard
musste über sich selbst lachen, das waren die Nerven. Er nahm
einen ganzen Stapel Akten aus dem Safe und fing an, sie durch
den Schredder zu jagen.
"Wirst du später mit meiner Schwester reden?"
"Natürlich, wegen ihr bin ich ja unter anderem auch hier
aufgetaucht. Anders hätte ich sie nur schwer finden können. Aber
soll sie sich ruhig noch ein paar Gedanken machen. Ich lasse
mich nicht gerne anlügen. "
"Das kann ich verstehen, aber vergiss nicht die Situation, in
der sie war. Wäre sie dein Eigentum, wärest du stolz auf sie. "
"Ich hab das sicher nicht vergessen und werde es auch nicht so
schnell vergessen. Kann ich dir behilflich sein? "
"Nein, danke. Davon weißt du besser nichts. "
Keiner von beiden hätte den anderen als Freund bezeichnet,
trotzdem herrschte ein ungezwungener Umgang zwischen ihnen.
Steve sah ihm einige Zeit beim Schreddern zu. Plötzlich nahm er
die Schnipsel und warf sie in die Glut des Kamins.
"Wenn schon, dann mach es direkt richtig und frag mich nicht
nach dem Warum."
Schweigend vernichteten sie auch noch die letzten Akten. Er
hängte das Bild an seinen Platz, es schwang noch leicht nach,
als es klopfte und der Butler eintrat.
"Blaulicht kommt den Weg herauf, Sir Leonard."
"Danke, es ist soweit alles fertig"
"Ja, alles ist so, wie Sie es angeordnet haben."
"Gut, dann lasst uns zu den anderen gehen."
Der Butler ging wieder an seinen Platz, und die zwei anderen
Männer mischten sich unter die Gäste.
XII
Das Blaulicht der Autos zauberte ein bizarres Farbenspiel in die
Räumlichkeiten. Es hatte dann doch länger gedauert, als Leonard
vermutet hatte, bis die Polizei schließlich da war. Er hatte die
Zeit genutzt und Dominik gesagt, dass der Rat nur noch aus ihnen
bestand. Sein Freund war geschockt, so hätte der Abend nicht
ablaufen sollen. Der Kommissar war ein älterer Mann mit
silbernem Haar und mürrischem Gesichtsausdruck. Auf seinem
dunkelblauen Filzmantel waren einige eingetrocknete
Kaffeeflecken, und an den Ärmeln waren starke Gebrauchsspuren.
Sein Kollege war um einiges jünger, sicher sollte er später
einmal den Älteren ersetzen. Sie schauten sich genau um, als sie
das Haus betraten. Leonard beantwortete zuerst ihre Fragen,
danach mussten die Gäste sich die Fragen gefallen lassen. Der
Kommissar war mit den Antworten nicht zufrieden. Er nahm sich
Steve draußen zur Seite, nachdem er ihn bei der Aufnahme der
Personalien erkannt hatte.
"Mr. Kingston, Sie hier ? Das verwundert mich. Was haben Sie mit
diesen Verbrechern zu tun? "
"Mr. Lancy, wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Welche
Verbrecher ? Ich bin hier auf einer Party und amüsiere mich.
Verbrecher habe ich keine gesehen."
"Sie wissen wohl nicht, dass Sie es hier mit dem organisierten
Verbrechen zu tun haben? Aber da Sie Polizist waren, würden Sie
mir wohl sagen, wenn hier etwas nicht stimmen würde. Oder irre
ich mich? "
"Sicher würde ich das. Ich habe hier niemanden gefragt, was er
beruflich macht. Aber ich kann Ihnen eine Person nennen, die
sich etwas komisch verhalten hat. Ernesto Rodrigez, der Name
sagt Ihnen sicherlich etwas. "
"Ja, das tut er allerdings. Ich werde mich darum kümmern. Nun
gut, Mr. Kingston, passen Sie auf sich auf. Sie bewegen sich
hier auf gefährlichem Pflaster. "
Sie gaben sich die Hand und kurz darauf verschwand der Wagen im
Dunkeln.
"Danke!"
Steve schaute über seine Schulter, Leonard stand im Türrahmen.
"Wofür Danke? Ich habe nur gesagt, was ich weiß, nicht mehr und
nicht weniger. "
"Wir wissen beide, dass du mir die Hölle hättest heiß machen
können."
"Die Sache ist im Grunde ganz einfach, und ich habe es mir auch
gut überlegt. Aber mir ist es wesentlich lieber, wenn ein Mensch
diese Organisation leitet, der halbwegs klar denken kann. Und
nicht ein Mensch wie Ernesto. "
"Ich möchte dir mal etwas dazu sagen. Ich bin in diese
Organisation hineingewachsen. Ich habe es mir nicht ausgesucht,
und eines ist sicher. Ich hasse es. Ich hasse diese Art von
Partys. Ich hasse es, jedem schmierigen Typen freundlich ins
Gesicht zu lachen, nur damit er mit der Kohle rüberkommt. Ich
bin es sowas von satt, und ich werde Konsequenzen daraus ziehen.
Es wird nicht einfach und nicht schnell gehen, aber ich werde
mich zurückziehen. "
"Eine kluge Entscheidung. "
Beide sahen sich im stillen Einvernehmen an und gingen wieder
ins Haus.
Drinnen war Aufbruchsstimmung, und die meisten waren bereits bei
der Verabschiedung. Leonard musste als Gastgeber seinen
Verpflichtungen nachkommen. Steve hatte Luisa sofort gesehen,
aber er beachtete sie nicht weiter. Sie stand etwas verloren in
der Ecke, in ihrem grünen Kleid. Steve spürte, dass sie ihn
beobachtete, und begann sehr direkt mir einer der Sklavinnen zu
flirten. Er machte ihr viele Komplimente und berührte sie bei
jeder Gelegenheit. Schließlich packte er das Mädel und küsste
sie sehr anzüglich. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Luisa sich
versteifte und Tränen über ihr hübsches Gesicht liefen. Sie
setzte sich in Bewegung, um den Raum schnell zu verlassen. Dafür
musste sie dicht an Steve vorbeigehen. Er packte sie hart am
Arm.
"Wo willst du hin? Du bleibst, gehst zurück in deine Ecke und
wartest, bis ich mit dir reden möchte. "
Seine Stimme war kalt und hart. Sie drehte sich ohne ein
weiteres Wort um und ging zurück in ihre Ecke. Nun aber sah sie
ihn nicht mehr an, sondern starrte nur noch auf den Boden vor
sich. Er hatte die Blitze in ihren Augen gespürt, als er sie
zurückschickte. Aber er wollte sich noch Zeit lassen und sie
reizen. Er griff der Sklavin zwischen die Schenkel. Sie stöhnte
und wand sich unter seinem Griff. Rhythmisch bewegte er seinen
Arm, mit einem Mal versteifte sie sich, und das Tablett fiel ihr
aus der Hand. Er befahl ihr, sich hinzuknien, und hielt ihr
seine tropfende Hand entgegen. Mit Hingabe leckte sie seine Hand
ab. So plötzlich wie er angefangen hatte, hörte er auch wieder
auf. Energisch ging er auf Luisa zu und packte sie hart im
Nacken. Er zog ihren Kopf zurück und hielt ihr die immer noch
feuchte Hand dicht vor das Gesicht. Sie konnte die andere Frau
riechen. Luisa versuchte den Kopf wegzudrehen. Doch er hielt sie
gnadenlos fest.
"Öffne den Mund!"
Doch sie presste fest die Lippen zusammen. Er drückte ihr in den
Kiefer, und sie musste schließlich nachgeben. Sofort hatte sie
seine Finger im Mund und schmeckte den salzigen Geschmack der
anderen. Er sah den Schmerz in ihren Augen, aber auch den Stolz,
der nicht verschwinden wollte. Doch sie würde ihn ernst nehmen,
bald, sehr bald. Er ließ sie los, als ob er sich an ihr die
Finger verbrannt hätte.
"Komm mit."
"Wohin ? "
Sofort holte er aus und gab ihr eine Ohrfeige. Nicht sehr fest,
die Symbolik zählte. Er öffnete die Türe zu Leos Arbeitszimmer
und ließ sie eintreten. Leise schloss er die Türe hinter ihnen
und blieb einen Moment davor stehen. Luisa war in der Mitte des
Raumes stehen geblieben. Er sah sie schweigend an, es kribbelte
in seinem Magen.
"Knie dich hin."
Langsam ging er um sie herum und setzte sich auf die Tischkante.
Er sah sie sehr lange an und nahm jede Pore von ihr in sich auf.
Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
"Du hast etwas getan, das mich sehr verletzt hat, und das ich
niemals durchgehen lasse. Du bist nicht mein Eigentum, aber
niemand wird mir dieses Recht absprechen oder streitig machen.
Ich bin mehr als enttäuscht von dir und ich möchte keine dumme
Entschuldigung von dir hören. Zieh dich aus! "
Luisa stand zitternd auf, und in der nächsten Minute rutschte
das Kleid zu Boden. Nackt bis auf das Halsband stand sie vor
ihm.
"Auf den Boden, wo du hingehörst. "
Er stand auf, öffnete das Halsband und warf es wütend durch den
Raum. Sie zuckte zusammen und traute sich kaum zu atmen.
"Du hast kein Halsband verdient, so etwas steht einem verlogenen
Miststück nicht zu. Nun, was denkst du, was ich mit dir machen
sollte? Dich grün und blau schlagen? Bist du es überhaupt wert,
dass ich mit dir meine Zeit verschwende? Oder gebe ich einfach
einer anderen das, was eigentlich für dich gedacht war? "
In ein paar Schritten war er wieder an der Türe, er riss sie auf
und rief nach der Sklavin von eben.
"Bitte nicht." Es war nur ein leises Flüstern. Ein Schritt, und
er stand hinter ihr, packte ihr in die Haare.
"Hast du etwas gesagt?"
"Nein, Sir."
"Gut. Dann schau genau hin und wage es nicht wegzusehen. "
Er winkte die Sklavin zu sich und drückte sie auf den
Schreibtisch. Klatschend traf seine Hand immer wieder ihren Po,
der sich immer mehr rot färbte. Mit einem Mal hörte er auf,
stellte sich hinter sie und öffnete seine Hose. Seine Erregung
ließ sich nicht verbergen. Er sah zu Luisa, sie hatte ihren
Blick abgewendet. Sofort stellte er sich vor sie und griff ihr
wieder in das lange Haar.
"Ich hab dir gesagt, du sollst hinsehen."
"Bitte nicht, bitte."
Er hörte, dass es ein Flehen war, aber es reichte ihm noch
nicht. Er beugte sich herunter, sein Gesicht war ganz nah vor
ihrem. Bitter sah er in ihre mit Tränen gefüllte Augen.
"Ich habe dich nicht verstanden, was hast du gesagt?"
Sie wiederholte ihre Worte diesmal lauter. Er schickte die
andere Sklavin wieder hinaus.
"Und was denkst du, was ich nun gegen meine Erregung tun werde?
Vielleicht sollte ich dich einfach benutzen, wie jedes andere
Objekt, für das ich nichts empfinde. "
Er beobachtete sie genau. Er wusste, dass er dicht an der Grenze
war. Sie schluchzte und weinte still vor sich hin.
"Zieh dich an und geh. Du bist frei und kannst gehen, wohin du
willst. "
Er zog seine Hose wieder an, ging zum Fenster und drehte ihr den
Rücken zu. Sie stand auf und blieb unschlüssig stehen.
"Ich möchte nicht gehen."
Steve zeigte keine Reaktion und schaute stur aus dem Fenster.
"Bitte, ich möchte gerne bleiben."
"Warum ? Damit du mich wieder belügen kannst und ich fast meine
Beherrschung verliere? Du hast dich für einen Weg entschieden
und ich war dort nicht eingeplant. "
Luisa trat von einem Bein auf das andere. Schließlich fasste sie
sich ein Herz und ging um den Tisch herum zum Fenster. Sie
kniete sich neben ihn und schaute zu ihm hoch.
"Ich möchte bei dir bleiben."
Steve sah sie an, sah ihr verweintes Gesicht und in die feuchten
Augen, in denen nur Ehrlichkeit stand. Es schnürte ihm den Hals
zu, und die Härte bröselte von ihm ab. Er drehte sich ganz zu
ihr und nahm ihr Gesicht in seine Hand. Sanft streichelte er
ihre Wange. Sie schloss die Augen und genoss diese Berührung.
"Vielleicht wäre es doch besser, wenn du alleine bleibst."
Sie sah ihn panisch an.
"Nein, ich brauche dich. Schick mich bitte nicht fort. "
Sie küsste seine Hand und seinen Ring.
"Ich werde dir nie etwas versprechen, was ich nicht halten kann.
Aber ich werde immer ehrlich zu dir sein. Du kannst bei mir
bleiben, solange es dein eigener Wille ist. Und nun steh auf,
mir tut der Hals schon weh vom Hinunterschauen. "
Er half ihr hoch und zog sie in seine Arme. Als er die Arme um
sie schloss, sackte sie weinend zusammen. Sanfte Wörter
flüsterte er in ihr Ohr und hielt sie ganz fest. Langsam
beruhigte sie sich wieder. Sie spürte, wie er ihr etwas um den
Hals legte. Ein Halsband aus schwarzem, sehr weichem Leder. Sie
sah ihn fragend an, und er lächelte.
"Ich trage es schon lange bei mir. Erst wollte ich es dir im
Krankenhaus anlegen, doch ich dachte, wenn ich zurückbin, würde
es dich noch mehr freuen. Aber dann warst du weg. Schön, dass
ich es doch noch an dir sehen kann. Solange du es trägst, weiß
ich, dass wir zusammengehören. "
Er packte zärtlich ihren Nacken und küsste sie sehr lange. Steve
merkte, wie ihm plötzlich die Müdigkeit zu schaffen machte. Er
nahm Luisa bei der Hand und verließ mit ihr das Arbeitszimmer.
Im Saloon waren tatsächlich noch eine Handvoll Gäste und
unterhielten sich lachend. Sie gesellten sich zu der kleinen
Gruppe. Leonard sah seiner Schwester in die Augen. Dann lächelte
er und nickte ihr zu. Er stand auf und gab Steve die Hand.
"Willkommen in der Familie."
"Danke, aber war ich das nicht schon vorher?"
Beide lachten ausgelassen und scherzten noch ein paar Minuten
mit den anderen. Dann löste allerdings Leonard die Runde auf,
und das nicht nur, weil Janet quengelte. Draußen wurde es schon
langsam hell. Er erklärte jedem, wo er sein Zimmer fand, und
machte sich dann mit dem Rest auf den Weg nach oben. Die
Verabschiedung war kurz, und sehr schnell kehrte Ruhe im Haus
ein.
XIII
Wie lange es her war, dass sie so tief und lange geschlafen
hatte? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Die Helligkeit
im Raum ließ sie blinzeln, die Sonne musste direkt auf das
Fenster strahlen. Sie lag ganz ruhig und schaute in Steves
Gesicht. Er war völlig entspannt, und die kleinen Lachfältchen
in seinen Mundwinkeln ließen erahnen, dass es ihm gut ging. Kurz
war sie in der Versuchung, jedes Fältchen sanft zu küssen, aber
sie wollte diesen Anblick noch etwas genießen. Sie lauschte
seinen tiefen Atemzügen, spürte seine Wärme, und fast war es
ihr, als könne sie seinen Herzschlag spüren. Alles in ihr war so
friedlich, ein nie gekanntes Gefühl. Sie wollte ihm gehören, ihn
nie wieder enttäuschen und ihm jeden Wunsch von den Augen
ablesen. Er schien zu spüren, dass sie ihn beobachtete, und er
bewegte sich. Er ließ ein tiefes Schnaufen hören, streckte sich
und öffnete schließlich die Augen. Sie versank in seinem Blick
und er lächelte sie einfach nur an. Zärtlich drückte er sie an
seine Brust und küsste sie auf die Stirn.
"Guten Morgen, mein Kätzchen. Hast du gut geschlafen?"
Sie nickte ihm lächelnd zu und strahlte vor Glück. Sanft begann
er sie zu streicheln und zu küssen. Er gab sich viel Mühe, sie
zu verwöhnen, und er spürte, dass es ihr gefiel. Trotzdem lag
sie steif wie ein Brett und ließ es nur geschehen. Steve sah sie
fragend an.
"Alles okay? ``
"Ja, es ist wunderschön. So etwas habe ich noch nie erlebt. ''
"Das ist schön, aber darum musst du nicht alles über dich
ergehen lassen und nur still daliegen. ''
"Ich habe Angst... Angst, etwas falsch zu machen. ''
"Das musst du nicht. Ich werde schon sagen, wenn etwas falsch
ist. Folge einfach deinem Gefühl.''
Steve wurde wieder einmal klar, dass Luisa noch sehr viel
nachzuholen hatte. Sie würden sofort damit anfangen. Er liebte
sie, verwöhnte sie, trieb sie durch Himmel und Hölle. Schenkte
ihr höchste Lust, bevor er schließlich an sich dachte. Selig
lächelnd schliefen sie in einander gekuschelt ein.
Es war schon weit nach Mittag, als beide wieder die Augen
aufschlugen. Der Hunger trieb beide aus dem Bett. Steve bestand
auf einer gemeinsamen Dusche. Er seifte sie mit einem weichen
Schwamm ein, keine Stelle ließ er aus. Genauso sorgfältig spülte
er sie auch wieder ab. Er merkte, wie wieder Blut in bestimmte
Gliedmaßen strömte. Dabei hatte er gedacht, dass er eine Pause
benötigte. Schnell verließ er das Bad, bevor er wieder in
Versuchung kam, über Luisa herzufallen. Er brauchte sie nur
anzusehen, dann schon wollte er sie sofort berühren. Diese Frau
hatte ihn gefangengenommen. Während sich jetzt auch Luisa anzog,
beobachtete er jede ihrer Bewegungen und wartete geduldig.
Der Saloon war schon aufgeräumt, nichts erinnerte mehr an die
Party. Bis auf die sechs Personen, die an der großen Tafel saßen
und gierig ihren Kaffee tranken. Die Stimmung war sehr
nachdenklich und nur wenige Scherze machten die Runde. Als Luisa
und Steve an der Tafel erschienen, wurden sie freundlich
begrüßt. Sie ließen sich das verspätete Frühstück schmecken. Es
war ein lockerer Umgang miteinander, und niemand würde ahnen,
dass es vor vierundzwanzig Stunden anders gewesen war.
Die kleine Gesellschaft wurde unterbrochen, als der Butler
Leonard eine Nachricht zukommen ließ. Dieser nickte und stand
von seinem Stuhl auf.
"Entschuldigt mich, die Witwe von Max ist gerade angekommen und
möchte mich sprechen. Luisa und Dominik, euch hätte ich gerne
dabei.'' Luisa sah Steve fragend an, er lächelte ihr zu.
"Geh ruhig, es könnte wichtig sein. ''
"Ich möchte dich gerne dabeihaben. ''
"Nein, du kannst es mit ja später erzählen. Ich denke, es ist
besser so.''
Luisa folgte ihnen ins Arbeitszimmer. In dem großen Sessel saß
eine Frau. Sie war sehr elegant gekleidet und man konnte einen
sehnigen Körper unter dem eierschalenfarbenen Kostüm vermuten.
Ihre Brille passte farblich zu dem Kostüm, ebenso ihre Schuhe.
Ein goldener Halsreif schmückte ihren Hals, und ihr mit grauen
Strähnen durchzogenes langes Haar war zu einem Knoten
hochgesteckt. Sie hätte aus jedem Gucci-Katalog entstiegen sein
können. Ihr Blick war selbstbewusst und fest. Freundlich
streckte sie jedem ihre feingliedrige Hand entgegen. Luisa fiel
sofort auf, dass ihre Hand trocken und kühl war, so ganz anders
als ihre. Wenn der Halsreifen nicht gewesen wäre, hätte Luisa
sie für eine Herrin gehalten. So aber war sie ein wenig
verwirrt. Ihre Gedanken wurden von dem Gespräch unterbrochen.
"Schön, dass du da bist, Stef. - Mein Beileid, ich werde Max
sehr vermissen, er war mehr als ein Freund für mich. Eines
verspreche ich dir, ich werde seinen Mörder erwischen.''
"Danke, Leonard. Max hat sich immer sehr verantwortlich für dich
gefühlt, du warst wie ein Sohn für ihn. Ich weiß, dass ich mich
auf dich verlassen kann. Aber ich bin aus einem anderen Grund
hier. Max hat mir einige Dinge erzählt, die ich dir erzählen und
erklären soll. Er wusste nicht, ob er dazu kommt, es war wohl
auch ein wenig Angst. Angst, dass er dich dadurch verlieren
würde. Nun sitze ich also hier und weiß gar nicht, auf welchem
Stand du bist.''
"Liebste Stef, das einzige, was er uns noch sagen konnte, war,
dass wir Geschwister sind. Aber ich konnte bei dem Gespräch mit
Ernesto heraushören, dass er etwas mit dem Tod unserer Eltern zu
tun hat.''
Stef sah Leonard lange und tief in die Augen. Man konnte sehen,
dass sie nach den richtigen Worten suchte, es arbeitete in ihrem
fast faltenfreien Gesicht.
"Ja, er hat sich schreckliche Vorwürfe gemacht. Aber er war
nicht direkt dafür verantwortlich. Eure Eltern sollten in die
Organisation aufgenommen werden. Max mochte eure Eltern und war
direkt dafür. Er hielt sie für eine Bereicherung. Aber schon
nach kurzer Zeit machte sich das Gerücht breit, er sei ein
Maulwurf und solle den Laden ausspionieren. Die anderen
Mitglieder des Rates bekamen daraufhin kalte Füße, und Max
geriet in Entscheidungsnotstand. Er war noch ziemlich jung zu
diesem Zeitpunkt und hatte auch viel weniger Einfluss auf die
anderen. Also schickte er Ernesto los, um herauszubekommen, was
da Wahres dran ist. Ernesto war damals schon mit euren Eltern
befreundet, und darum stellte es kein Problem da. Ernesto
verbrachte einige Wochen mit seiner Frau auf dem Anwesen bei
euren Eltern. Er rief Max regelmäßig an und sagte ihm, dass er
nichts Auffälliges gefunden hätte, aber noch etwas Zeit brauche.
Eines Tages kam dann der Anruf, dass sie einen Autounfall
hatten. Eigentlich sollten beide Kinder bei Ernestos Frau
bleiben, aber aus irgendeinem Grund hatten sie dich dabei. Eure
Eltern waren wohl direkt tot, aber du hattest den Unfall ohne
einen Kratzer überlebt. Ernesto rief also Max an und erzählte
ihm die Sache, und dass er sich gerne um das Anwesen kümmern
würde, das wäre er schließlich seinem Freund schuldig. Während
des Gespräches hörte Max plötzlich ein Kind weinen. Ernesto
stotterte etwas davon, dass du es mit kleinen Kratzern überlebt
hättest. Max beschloss, dass er dich mitbringen sollte. Max
recherchierte etwas später die Geschichte nach, weil sie ihm
doch ziemlich komisch vorkam. Er fand heraus, dass Ernesto
damals unsterblich in eure Mutter verliebt war und er aus
verschmähter Liebe diesen Autounfall herbeigeführt hatte. Zudem
kam sein praktischer Gedanke, dass er das Anwesen dann
übernehmen konnte. Seine Frau kümmerte sich bisweilen um Luisa,
dich aber brachte er mit, als der Rat eine Sitzung hatte. Dein
Ziehvater von Karszow war damals Oberhaupt des Rates, er
wünschte sich schon lange ein Kind mit seiner Frau. Er sah dich,
und trotz der Narbe auf deiner Wange wollte er sich direkt
deiner annehmen. Ernesto hatte das alles von langer Hand
geplant, die Narbe hat er dir zugefügt, damit dich alle für tot
hielten. Er war raffgierig geworden und er kam damit durch, und
das alles nur, weil er dich dafür hergab. Aber diese ganzen
Parallelen bekam Max erst in den letzten Jahren heraus. Es
ärgerte ihn, dass er für Luisa nichts tun konnte. Aber in dem
Fall waren ihm die Hände gebunden, weil dein Ziehvater damals so
dumm gewesen war, ihm dieses Versprechen zu geben. Den ganzen
Hass, den er im Innersten verspürte, ließ er an Luisa aus, denn
sie sieht aus, als sei sie ihrer Mutter aus dem Gesicht
geschnitten. Ich hätte euch jetzt auch den Brief geben können,
den Max verfasst hat, aber ich dachte, dass es so persönlicher
für euch ist. Max hat immer versucht zu helfen, auf die eine
oder andere Art. Aber leider ist ihm das nicht immer gelungen.''
Leonard saß schweigend in seinem Sessel und starrte ins Leere.
Er überlegte angestrengt, was das für ihn nun bedeutete. Er sah
zu Luisa hinüber, sie schien es gut aufgenommen zu haben. So,
als hätte sie es schon geahnt. Sein Blick wanderte zu Dominik,
der ihn aufmunternd anlächelte. Er schien seine Gedanken lesen
zu können.
"Mach dir keine Gedanken, nichts wird sich dadurch ändern.''
"Danke, Dominik, aber ich werde mich ja ohnehin aus dem Geschäft
zurückziehen. Aber Stef, eine Frage hätte ich noch. Was hat es
mit den Stöcken auf sich? ''
Stef rückte gedankenverloren ihre Brille zurecht.
"Mit diesen Stöcken ist das eine besondere Sache. Max hatte
herausgefunden, dass sie eine Art Markenzeichen eurer Familie
sind. Ihre Geschichte geht sehr weit in eure Familie zurück.
Früher war in dem Stab eine lange dünne Klinge verborgen. Ob das
bei euren auch so ist, müsst ihr selbst herausfinden. Im Laufe
der Jahre sind aus einem Stock zwei geworden. In eurer Familie
gab es immer viele Zwillinge, und keiner sollte benachteiligt
werden. Wo sich allerdings jetzt der zweite befindet, weiß auch
ich nicht.''
"Nun, dafür weiß ich es. Ernesto hat ihn, er muss ihn sich wohl
bei dem Unfall angeeignet haben. Wenn ich Ernesto finde, finde
ich auch den zweiten Stock. Aber nun zu einem etwas anderen
Thema: Ich weiß, du bist eine clevere Geschäftsfrau und kannst
knallhart sein. Dominik und ich hätten dich gerne im Rat. Das
Geschäft soll von Grund auf umstrukturiert werden, und wir
denken, dass du gut hineinpasst.''
Stef sah ihn sehr erstaunt an und musste nach Worten suchen.
"Nun hast du mich sprachlos gemacht. Ich habe mit allem
gerechnet, aber nicht mit so etwas. Was soll ich als Sub und
Sklavin im Rat? Mich würde doch niemand ernst nehmen. Sucht euch
lieber ein paar Herren, die sind dafür besser geeignet.''
"Liebe Stef, du unterschätzt dich. Ich kenne niemanden, der
keinen Respekt vor dir hat. Aber was mir persönlich gut an dir
gefällt: Niemand kann dir etwas vormachen. Überleg es dir bitte,
du wirst sehen, dass es passt.''
"Das werde ich sicher. Und du findest Ernesto, für mich.''
Stef lächelte Leonard mutig an, aber er sah den Schmerz in ihren
Augen. Er war überrascht, dass sie ihn und Luisa zum Abschied
umarmte. Er mochte ihre offene Natürlichkeit und hoffte, dass
sie sein Angebot annehmen würde.
XIV
Luisa beobachtete Steve von der Beifahrerseite aus. Sie wunderte
sich immer noch, wie sehr sie diesem Mann vertraute und wie
stark ihre Liebe schon war. Es kam ihr vor wie ein wunderschöner
Traum, so unrealistisch. In den Augenwinkeln sah sie, wie die
Landschaft an ihnen vorbeirauschte, aber so richtig
interessierte es sie nicht. Sie hatten sich kurzfristig
entschlossen, Luisas Anwesen zu besuchen. Khaled wollte mit
seiner Neuerwerbung erst einmal ein wenig die Zweisamkeit
genießen und sie damit richtig kennen lernen. Er wollte in ein
paar Tagen zu seinem Vater zurückkehren, mit dieser Frau an
seiner Seite. Das traf sich ganz gut, denn Leonard wollte gerne
sein Geburtshaus sehen und würde ihnen am nächsten Tag alleine
folgen. Seine kleine Janet hütete wie so oft das Haus, sie hatte
Flugangst und verzichtete meistens aufs Fliegen. Luisa freute
sich darauf, ihm alles zu zeigen, aber vorher musste sie sich
wohl etwas genauer im Haus umsehen. Es gab einige Zimmer, die
sie bis heute nicht hatte betreten dürfen. Ernesto hatte es ihr
verboten, und sie hatte sich daran gehalten. Es ärgerte sie, wie
dumm sie gewesen war, wie blind. Ein kurzer Blick hinaus, und
sie wusste, dass sie fast da waren. Sie wurde nervös, obwohl
keinen Grund dazu gab.
"Was ist los mit dir, du bist so ruhig? ''
"Nichts, ich komme mir nur vor wie in einem Traum. ''
"Das ist doch nicht alles, nun sag schon.''
"Ich möchte dich spüren, deine Kraft und Härte. Oder hab ich
etwas Falsches getan, dass du mich nicht beachtest ?''
Steve konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
"Du hast nichts falsch gemacht und du wirst sie spüren, bald.
Wenn die Zeit dafür gekommen ist. Sag mir lieber, ob wir hier
noch richtig sind. Ich kenne die Gegend hier, ich bin hier
aufgewachsen. Aber wollen wir auch hierhin?''
"Ja, wir sind hier richtig. Gleich kommt links ein Weg, da
müssen wir hinein. Hier aufgewachsen? Dann warst du ja immer in
meiner Nähe.'' Steve bog links in die schmale Straße ein.
Gebannt schaute er auf den Torbogen, und sein Mund formte das
Wort "Wolvesgrey". Plötzlich schlug er sich mit der flachen Hand
gegen die Stirn.
"Ja, natürlich, verdammt. Jetzt fällt mir alles wieder ein. Ich
war früher schon einmal hier, und das ist schon sehr lange her.
Ich war ungefähr sieben Jahre alt, da war ich mit meinen Eltern
zum Essen hier und zum Ansehen der Babys. Ich musste sogar beide
auf den Arm nehmen. Mir war es dermaßen langweilig, dass ich mir
einen der Spazierstöcke griff. Er wurde mir weggenommen und ein
anderer in die Hand gedrückt. Es hat sich hier nichts
verändert.''
Staunend sah Steve das weiße Haus an und fuhr langsam bis zur
Türe. Luisa schmunzelte, er sah aus wie ein großer Junge, der
staunend eine Murmel betrachtete. - Die Türe öffnete sich,
während sie ausstiegen, und Jakob kam gut gelaunt nach draußen
geeilt. Als er Steve bemerkte, bekam er einen misstrauischen
Ausdruck.
"Guten Tag, Miss Baker, schön, dass Sie wieder zurück sind.''
"Danke, Jakob. Ich erwarte für morgen Besuch und Mr. Kingston
wird einige Zeit bei uns bleiben. Vielleicht können Sie sich
noch an ihn erinnern?''
"Kingston ? Hm, der Name kommt mir bekannt vor. Ach ja. Da gab
es mal einen Rotzlöffel, der musste in der Küche an jedem Topf
naschen.''
"Stimmt. Sie haben ein gutes Gedächtnis.''
Lachend betraten die drei das Haus. Steve sah sich begeistert
um. Luisa führte ihn durch das ganze Haus und zeigte ihm jedes
Zimmer, das sie öffnen konnte. Zwei blieben allerdings
verschlossen, doch Steve beschloss kurzerhand, sie zu öffnen. Es
dauerte nur wenige Sekunden, bis er das erste Schloss geknackt
hatte. Als er die Türe öffnete, kam ihnen muffige und
verbrauchte Luft entgegen. Dicke Vorhänge ließen kaum Licht
hinein, aber die winzige Lichtquelle zeigte, dass hier sehr
lange niemand mehr gewesen war. Steve hielt die Luft an und
betrat den Raum vorsichtig. Langsam zog er am Fenster die
Vorhänge beiseite und öffnete es. Alles war mit fingerdickem
Staub überzogen. Um die 20 Bilder standen in einer Ecke, lauter
Ölgemälde. Doch der Großteil des Zimmers wurde von
Kleidungstücken eingenommen. Auch das andere Zimmer sah nicht
besser aus, nur standen dort sehr viele Kisten und Truhen.
Nachdem Steve auch dort das Fenster geöffnet hatte, schob er
Luisa hinaus.
"Ich werde versuchen, ein wenig Staub zu entfernen. Warte einen
Augenblick.''
Er schloss die Türe, aber schon nach kurzer Zeit öffnete er sie
niesend wieder.
"Das ist grausam, aber nun kannst du wenigstens an die Kisten.''
Auch Luisa kribbelte es in der Nase, als sie den Raum betrat.
Aber ihre Neugierde war zu groß, sie wollte wenigstens einen
Blick in die Kisten werfen. Steve half ihr beim Öffnen eines
schweren Deckels. Die Kiste war gefüllt mit Fotos, einige fielen
beim Öffnen auf den alten Teppich. Luisa hob sie vorsichtig auf.
Ein lachendes Pärchen mit Babys auf den Armen blickte sie an.
Dicke Tränen liefen über ihr Gesicht. Steve nahm sie in den Arm
und tröstete sie sanft. Schließlich zog er sie mit sich hinaus.
"Komm lass uns den Staub aus dem Hals entfernen und etwas
trinken. Du hast alle Zeit der Welt für die Kisten.''
Luisa nickte nur stumm und traurig. Jakob hatte ihnen im Saloon
Erfrischungen und eine Kleinigkeit zu essen vorbereitet.
Schweigend und mit wenig Appetit stocherte Luisa in ihrem Essen
herum. Steve
beobachtete sie sehr genau, nach einiger Zeit war er es leid. Er
stand auf, packte ihre Hand und zog sie hinaus in den Garten. Er
ging mit ihr fast eine Stunde spazieren und langsam merkte er,
wie sie wieder lockerer wurde. Kurz vor dem Haus blieb er
unvermittelt stehen, zog sie zu sich heran und packte ihr
bestimmend in den Nacken. Tief sah er ihr in die grauen Augen,
dann küsste er sie. Der Kuss war lang und raubte ihr fast den
Atem vor lauter Leidenschaft. Er löste seine Lippen von ihrem
Mund und brachte ihn nah an ihr Ohr. Er verstärkte den Druck im
Nacken.
"Ich gehe jetzt mit dir nach oben und werde dich Schmerzen
spüren lassen. Es wird für dich der gleiche Raum sein und die
gleichen Sachen, so wie es auch früher war. Aber dennoch wird
alles anders sein. Wenn ich den Verdacht habe, dass etwas nicht
stimmt, breche ich das ganze sofort ab. Vergiss nicht, ich bin
nicht Ernesto. Nun komm. Ich will dich jetzt, und nichts hält
mich davon ab.''
Sie schluckte und nickte. Stumm ging sie vor ihm ins Haus und
führte ihn hinauf in das Spielzimmer. Steve befahl ihr, sich
auszuziehen.
Währenddessen entzündete er die Kerzen und machte etwas Musik.
Er stellte sich vor Luisa und beobachtete sie. In ihrem Gesicht
war eine leichte Röte, sie war aufgeregt. Aber auch er fühlte
sich so, es war immer etwas Besonderes beim ersten Mal. Sein
Mädchen stand nun nackt vor ihm und hielt den Blick gesenkt. Sie
hatte beide Arme nach vorne gestreckt, ohne dass er es gesagt
hatte. Eine alte Angewohnheit in ihrem Kopf. Er nahm ihre Hände
und betrachtete die Handgelenke. Sie waren vernarbt von den
Handschellen und er beschloss, etwas anderes zu versuchen. Er
zog sie vor den Strafbock und trat hinter sie.
"Ich werde dich nicht fesseln. Du wirst dich auch so nicht
bewegen. Wenn doch, habe ich keinen Einfluss mehr darauf, wo der
Schlag landet. Beug dich auf den Bock.''
Jede Faser war bei Steve nun angespannt, schon alleine dieser
Anblick erregte ihn. Sanft streichelte er über ihre nackte
Kehrseite. Er spürte, wie sie flach atmete und zitterte, er
hatte sehr lange auf diesen Augenblick gewartet. Seine Hand
verschwand zwischen ihren Beinen. Sie stöhnte leicht, als er
einen leichten Druck auf ihr Lustzentrum ausübte. Er fühlte und
roch ihre Erregung, sein Verlangen wuchs in jedem weiteren
Moment. Seine Hand verließ den warmen feuchten Ort, er hielt ihr
seine Hand vor das Gesicht. Diesmal wusste sie sofort, was er
wollte, und sie leckte seine Hand sauber. Zur Belohnung küsste
er sanft ihren Rücken und begann sie mit der Rosshaarpeitsche
anzuwärmen. Schon bald nahm die Haut eine leicht rötliche Farbe
an, und er wechselte zur bloßen Hand. Luisa war völlig entspannt
und genoss es mit einem Lächeln. Es war eine völlig neue
Erfahrung für sie, sie war in einer anderen Welt versunken. Ein
helles Zischen holte sie zurück auf die Erde, sie spannte alles
an. Steve hatte die Gerte durch die Luft zischen lassen. Er
hatte sofort die Veränderung bemerkt, durch sanftes Streicheln
entspannte sie sich schnell wieder. Steve wagte einen neuen
Versuch und ließ das Ende der Gerte über ihren Körper tanzen.
Gierig bog sie sich ihm nun entgegen, sodass er sie zurückhalten
musste. Sie tauchte wieder in ihre Welt ein, und Steve begann
die Gerte nun ganz einzusetzen. Erste Striemen wurden sichtbar,
doch Luisa stand wie ein Fels in der Brandung. Sie schien es
nicht mehr zu spüren. Immer wieder berührte er sie, damit sie
merkte, dass er immer noch da war. Er griff zum Rohrstock,
leicht touchierte er ihre Haut. Von Schlag zu Schlag immer etwas
fester, bis er schließlich richtig ausholte. Luisa zuckte, aber
sie blieb stehen. Er merkte, dass sie flog, und er trieb sie
noch etwas weiter, er liebte genau diesen Augenblick und war
sich seiner Macht und seiner Liebe bewusst. Auch er war vom dem
Sog berauscht. Der Stock zischte, und sie stöhnte vor Lust und
Leid. Jeder Seufzer drang zu seinem Herz, und seine Erregung
steigerte sich ins Unermessliche. Er musste sich zurücknehmen
und sie wieder herunterholen, sonst hätte er ihr die Haut
aufgeschlagen. Er streichelte die heißen, geschundenen Stellen,
liebkoste sie und kratzte darüber. Ihre Erregung lief ihr an den
Beinen hinab, aber erst einmal nahm er sie einfach nur in den
Arm. Es dauerte nicht lange, und die Tränen liefen in kleinen
Rinnsalen hinunter. Er hielt sie ganz fest und flüsterte ihr
sanfte Worte ins Ohr. Langsam wurde sie ruhiger, er hob sie
kurzerhand auf seinen Arm und trug sie ins Schlafzimmer.
Vorsichtig legte er sie auf das Bett, begann sie zu streicheln
und heiß zu lieben. Fest aneinander gekuschelt schliefen sie
irgendwann ein.
Am nächsten Morgen erwachten beide sehr träge und zerschlagen,
aber auch sehr glücklich. Sie waren sich noch näher jetzt, und
wenn sie sich ansahen, erschien ein Lächeln auf ihren
Gesichtern. Sogar beim Frühstück konnten sie nicht aufhören,
sich dauernd anzusehen, wie zwei pubertäre Fünfzehnjährige. Sie
genossen es, draußen hinterm Haus zu frühstücken. Es war, als ob
eine zentnerschwere Last von ihren Schultern verschwunden war.
Sie saßen noch immer beim Kaffee, als der Hubschrauber zu hören
war. Steve sah direkt, dass Luisa wieder nervös wurde. Er nahm
ihre Hand in die seine und sah ihr fest in die Augen, dann
lächelte er sie an. Das half ihr mehr als tausend Worte. Sie
standen auf und warteten mit genügend Abstand auf ihren Bruder.
Leonard verließ lächelnd den Hubschrauber. Er hatte schon von
oben einen Blick über das Anwesen und das Haus wandern lassen.
Es war bezaubernd, er kam gerade heim. Als er Steve mit seiner
Schwester dort stehen sah, wurde es ihm im Herzen so richtig
warm. Das war seine Familie, er kannte sie im Grunde erst ein
paar Stunden, und doch war es ihm, als wären es Jahre. Er lief
eilig auf die beiden zu, stürmisch umarmte er seine Schwester
und wirbelte sie umher. Luisa lachte ihn fröhlich an, alles
Fremde war verschwunden. Danach umarmten sich die zwei Männer.
Sie setzten sich wieder zurück an den Tisch und redeten über
Gott und die Welt. Das Gespräch wollte einfach nicht versiegen,
immer wieder neue Themen taten sich auf, und Luisa verschob
schon gedanklich, dass sie die Bilder ansehen wollte, in den
alten Staubzimmern.
Die Türklingel machte sich bemerkbar, und Luisa wunderte sich
einen kurzen Augenblick darüber. Als sie schon dachte, dass es
sich von selbst geregelt hatte, hörte sie lautes Geschrei, und
etwas ging zu Bruch. Alle drei sprangen von ihren Stühlen hoch
und eilten ins Haus. In der Halle stand Ernesto, breitbeinig,
die Hände in die Hüfte gestützt, aber den vermissten Stock in
der Hand. Steve schob Luisa schützend hinter sich. Doch sie war
einfach zu verärgert, um darauf zu achten, und ging wieder einen
Schritt vor. Ihre Augen funkelten böse.
"Verschwinde aus meinem Haus, du bist hier nicht mehr erwünscht.
Dass du dich hier überhaupt noch hintraust. Nimm mit, was dir
gehört, und geh. Ich will dich nie wieder sehen.''
"Pass auf, wie du mit mir redest. Auch wenn du zwei Kerle im
Rücken stehen hast, lasse ich mir nicht alles von dir gefallen.
Ich gehe, wenn ich denke, dass es Zeit zum Gehen ist.''
Ernesto machte einen bedrohlichen Schritt auf Luisa zu. Leonard
stellte sich vor seine Schwester.
"Die Zeit zu gehen ist jetzt für dich da, ansonsten wirst du
nirgends mehr hingehen. Gib mir den Stock, er gehört dir
nicht.''
Leonard streckte ihm fordernd die Hand entgegen, aber Ernesto
lachte nur. Er würde ihn nicht freiwillig hergeben. Noch bevor
er aber etwas gegen ihn unternehmen konnte, stand nun Steve vor
Ernesto.
"Hast du nicht gehört? Wir möchten den Stock. Jetzt ! Oder muss
ich erst unangenehm werden?''
Ernesto lachte ihm ins Gesicht.
"Und wer sollte mich dazu bringen, dass ich das tue?''
Steves Antwort folgte prompt, er holte kurz aus und seine Faust
landete in Ernestos Gesicht. Nun lachte er und nahm ihm den
Stock aus der Hand. Er reichte ihn an Leo weiter und beugte sich
dann zu Ernesto hinunter.
"Nun, hast du noch irgendwelche Fragen? Wenn nicht, gehst du
jetzt besser, bevor ich dich rauswerfe.''
Ernesto sah ihn böse an und wechselte plötzlich zu einem
diabolischen Lächeln. Steve merkte seinen Fehler erst, als es zu
spät war und Ernesto mit voller Kraft gegen sein Knie trat. Er
spürte ein Knacken und konnte sich auf dem Bein nicht mehr
halten. Er sackte zusammen und hielt mit schmerzverzerrtem
Gesicht sein Bein. Ernesto kam wieder auf die Füße, und noch
bevor Leonard es verhindern konnte, trat er noch einmal gegen
das schon getroffene Knie. Steve schrie laut auf und verfluchte
ihn. Aber da war Leonard zur Stelle, der Stock fiel zu Boden, er
schnappte sich Ernesto am Kragen und am Hosenbund. Er beförderte
ihn gradewegs hinaus aus dem Haus. Ernesto landete hart auf dem
Kiesweg und stieß wilde Flüche aus.
Leo drehte sich einfach um und schloss die Türe hinter sich.
Steve lag immer noch verkrampft auf dem Boden. Leo kniete sich
neben ihn und versuchte herauszufinden, wie schlimm die
Verletzung war, und nahm den Stock wieder an sich. Nach kurzer
Überlegung griff er zum Telefon und wollte einen Arzt anrufen,
aber die Leitung war tot. Leo bekam sofort ein sehr schlechtes
Gefühl, er ging zur Eingangstüre, aber dort war nichts von
Ernesto zu sehen. Auch hinten im Garten war keine Spur von ihm,
aber dafür machte sich ein sonderbarer Geruch in seiner Nase
breit. Es roch nach Feuer, und er konnte sich sofort denken, wer
da seine Finger im Spiel hatte. Den Stock schlagbereit in der
Hand, lief er um das Haus herum. Je näher er an das Feuer kam,
umso intensiver wurde der Benzingeruch. Leo gelangte zum
seitlichen Bereich des Hauses; an der Außenwand schlugen die
Flamen bereits bis zum Dach. Das trockene Holz nährte das Feuer,
und es verbreitete sich rasend schnell. Leo wollte zurück ins
Haus laufen und den anderen Bescheid geben, aber als er sich
umdrehte, stand Ernesto hinter ihm. Er spürte noch kurz den
Schlag, und dann wurde es schwarz um ihn herum.
Luisa und Steve konnten den Rauch schon im Haus riechen. Steve
biss die Zähne zusammen und bat Luisa, ihm auf die Beine zu
helfen. Es war ein kleiner Kraftakt, aber schließlich stand
Steve auf einem Bein und hüpfte in Richtung Ausgangstür. Er
musste Luisa antreiben, sie wollte immer wieder umkehren, um
noch irgendetwas zu retten. Draußen rief Steve nach Leo, aber er
bekam keine Antwort. Er fing an zu fluchen, denn auf dem Kiesweg
war es nicht einfach, das Gleichgewicht zu halten, und das
andere Bein würde ihn nicht tragen. Er stützte sich auf Luisa
ab, so konnte sie ihm gleichzeitig auch nicht mehr ins Haus
entwischen. Dunkler Rauch stieg nun langsam aus dem Haus hoch.
Steve wurde plötzlich weiß im Gesicht. Er hatte den Butler
vergessen, er musste noch in der Halle liegen. Luisa rannte
sofort hinein, alles andere war vergessen. Sie fand Jakob
bäuchlings auf dem Boden liegen, einige Meter von der Türe
entfernt, mit einer großen Kopfverletzung. Sie drehte ihn auf
den Rücken, um ihm dann aus dem Haus zu ziehen. Aber als sie in
das Gesicht sah, erkannte sie die gebrochenen Augen. Er brauchte
ihre Hilfe nicht mehr. Sie eilte wieder zum Ausgang, der Rauch
war so dick, dass sie kaum noch Luft bekam. Sie hörte draußen
lautes Gebrülle, Steve lag wieder am Boden und Ernesto stand vor
ihm mit einer Eisenstange in der Hand. Er hob sie weit über
seinen Kopf, und Luisa musste geschockt zusehen, wie er sie auf
das verletzte Knie von Steve niedersausen ließ. Steve schrie
kurz auf und sackte in sich zusammen. Nun löste sich die
Erstarrung von Luisa, sie rannte wütend auf Ernesto zu und gab
ihm einen sehr kräftigen Stoß. Der zweite Schlag verfehlte
Steve, und Ernesto taumelte zurück. Aber nur allzu schnell fing
er sich wieder, er stürzte sich auf Luisa, die bei Steve kniete.
Hart griff er in ihre Haare, zog sie hinauf und von ihm weg. Die
andere Hand legte er an ihren Hals und drückte ihr damit die
Luft weg. Luisa hatte die Augen weit aufgerissen, und es dauerte
nicht lange, bis ihre Gegenwehr nachließ. Achtlos stieß er sie
zu Boden und bückte sich nach der Eisenstange. Ein diabolisches
Grinsen beherrschte sein Gesicht, als er die Stange vor Luisa
zum Schlag anhob. Mitten in der Bewegung kippte er allerdings
selbst vorwärts, er strauchelte. Leo hatte hinter ihm gestanden,
er hielt den Stock noch halb erhoben in der Hand. Der silberne
Wolfskopf war mit Blut getränkt, es lief langsam an ihm
herunter. Vergleichbar mit dem Blut, das von Leos Gesicht
tropfte: ein makaberer Anblick. Ernesto verlor das Gleichgewicht
und stolperte über Luisa, die am Boden lag. Die Stange bohrte
sich in den Boden, und ein Ruck durchfuhr seinen Körper. Die
Welt schien einen Augenblick stillzustehen. Dann bewegte sich
Ernesto wieder, seine Hand griff in seine Anzugstasche, er holte
einen Gegenstand heraus. Er taumelte einen Schritt zurück und
richtete sich auf. In seinem Rücken war eine große Beule unter
der Anzugsjacke zu sehen. Wie in Zeitlupe drehte er sich um,
seine Schritte waren schwerfällig, wie die eines alten Mannes.
Der Grund dafür war die Eisenstange, sie hatte sich in ihn
gebohrt und das Ende ragte nun aus seiner Brust, aus einem
großen roten Fleck. Er hob die Hand und Leo konnte erkennen,
dass es eine Waffe war. Ernesto richtete sie langsam auf Leonard
und ging auf Armlänge auf ihn zu. Leo ergriff das Ende der
Eisenstange und grinste seinem Widersacher ins Gesicht. Mit
einem kräftigen Ruck zog er die Stange aus dem Körper. Ernestos
braune Augen wurden leer, jedes Leben erstarb. Der Körper sackte
zu Boden, und während des Fallens löste sich ein Schuss.
Luisa lag noch immer am Boden und kam erst langsam wieder zu
sich. Sie sah, wie Ernesto neben ihr zu Boden ging und sich der
Schuss löste. Sie konnte sich nur schwer bewegen, ihr Körper
wollte ihr noch nicht gehorchen. Sie schaute zu Leo hoch; etwas
war sehr Seltsames in seinem Gesicht. Sie sah Schock und
Erstaunen darin. Seine Hand hob sich hoch zu seinem Hals, er
legte sie seitlich an den Hals und sah sich dann seine Hand an.
Das Blut lief ihm die Finger hinunter und er sah Luisa
hilfesuchend an. Luisa erkannte, dass er eine pulsierende Wunde
am Hals hatte. Blut spritzte kräftig aus der Wunde und ihr wurde
schlagartig klar, dass die Kugel die Halsschlagader getroffen
haben musste. Mit jedem Herzschlag verlor er mehr an Leben. In
ihr stieg Panik hoch, und sie versuchte sich mit aller Gewalt
wieder aufzuraffen. Leo ging auf die Knie, erste Schwäche machte
sich bemerkbar. Die Hitze des brennenden Hauses war kaum noch
auszuhalten, und der gelbe Feuerschein schien direkt aus der
Hölle zu kommen. Luisa schaffte es, zu Leo zu kriechen. Unter
ihrer Berührung brach er schließlich ganz zusammen. Sie musste
hilflos zusehen, wie ihr Bruder in ihren Armen starb. Ein
lautloser Schrei kam über ihre Lippen, krampfhaft hielt sie
seinen Körper fest, und ihre Augen waren leer. Sie hörte nicht
die Sirenen und sie spürte auch nicht die starken Hände, die ihr
hoch halfen und sie wegführten, in den Krankenwagen. Sie folgte
den Anweisungen wie eine Marionette und ließ die Untersuchung
ohne Gefühlsregung über sich ergehen.
XV
Da sie unverletzt, aber nicht ansprechbar war, hatte man sie in
die Psychiatrie eingeliefert. Sie hatte jegliches Zeitgefühl
verloren und lebte in ihrer kleinen Welt. Keiner der Ärzte
konnte sagen. wie lange dieser Schockzustand bei ihr dauern
würde. Aus Tagen wurden Wochen, keine Besserung war abzusehen.
Luisa stand immer am Fenster und sah den ganzen Tag hinaus. Doch
an einem der folgenden Tage brachte ihr jemand das Frühstück,
und sie bedankte sich dafür erstmalig gut hörbar. Der Pfleger
hätte fast vor Schreck das Tablett fallen lassen. Sofort fragte
er noch einmal nach und auch diesmal bekam er eine Antwort. Er
eilte hinaus und gab sogleich einem der Ärzte Bescheid. Luisa
hatte noch nicht ganz ihr Frühstück beendet, als sie von ihrem
behandelnden Arzt aufgesucht wurde. Er stellte ihr viele Fragen,
viele, die für sie unwichtig erschienen. Sie unterbrach die
Fragen und stellte selber eine.
"Wie geht es meinem Freund, Mr. Kingston, und meinem Bruder? Was
für ein Tag ist heute?''
Sie sah hilflos in sein Gesicht, sie konnte sich noch nicht
einmal an seinen Namen erinnern.
"Ihrem Freund geht es soweit gut, er ist noch im Krankenhaus.
Ihr Bruder war leider schon tot, als wir ankamen. Sie sind jetzt
fast sechs Wochen bei uns, Sie waren bis jetzt nicht
ansprechbar. Schön, dass Sie nun wieder bei uns sind.''
"Ich möchte ihn sehen, geht das?''
"Warten Sie noch einen Tag. Dann sind Sie gefestigter und ich
kann noch ein paar Tests machen. Bitte, das wäre wirklich besser
für Sie.''
Luisa musste schwer mit sich kämpfen und gab dann doch
schließlich dem Arzt nach. Sie hatte einen Teil ihres
Gedächtnisses verloren, aber der Arzt versicherte ihr, dass es
schon bald wieder da sein und sie sich an alles erinnern würde.
Ihr Unterbewusstsein blockierte es momentan, um sie zu schützen.
Ein Teil von ihr hatte Angst, sich zu erinnern.
Trotz der Tests wollte der Tag für Luisa nicht zu Ende gehen. Er
zog sich ins Unendliche, und ihre innerliche Unruhe nahm zu. Sie
war nervös und wusste nicht warum. - Die Nacht war für sie
unruhig, wilde Träume verfolgten sie. Sie spürte jeden Knochen
am nächsten Morgen, und ihre Unruhe hatte noch mehr zugenommen.
Das Frühstück hielt sie nur unnötig auf, aber sie zwang sich
dazu etwas zu essen. Immer wieder schaute sie zur Uhr, und als
es endlich Zeit wurde, hatte sie alle ihre Sachen schon gepackt.
Sie wollte hinaus, an die frische Luft, den Wind auf der Haut
spüren.
Das Taxi wartete schon auf sie, als sie hinauskam. Zum Glück
hatte der Arzt ihr das Krankenhaus und die Zimmernummer
aufgeschrieben, sonst hätte sie nicht gewusst, wohin man Steve
gebracht hatte. Der Weg zum Krankenhaus war nicht sonderlich
weit. Die Klinik, in der sie behandelt worden war, lag ziemlich
außerhalb der Stadt, aber das Krankenhaus, in den Steve war, war
in der Innenstadt.
Auf dem Weg zum Zimmer wurde es ihr etwas mulmig. Sie hatte
Angst davor, was sie erwartete. Es war sehr ruhig in dem Zimmer,
als sie hineintrat. Steve lag alleine in dem Zimmer. Leise ging
sie zu dem Stuhl an seinem Bett, er schien zu schlafen. Ein
Fernseher dicht unter der Decke lief ohne Ton. Vogelgezwitscher
drang durch das offene Fenster nach innen. Während sie sich
setzte, drehte er den Kopf und sah sie mit wütendem Blick an.
Als er sie erkannte, hellte sich sein Blick wieder auf. Luisa
atmete erleichtert auf und nahm seine Hand in die ihre.
"Wie geht es dir?''
"Frag mich besser nicht, aber es ist schön, dass es dir endlich
wieder besser geht. Geht es doch auch, oder?''
"Ja. Nur erinnere ich mich noch nicht an alles. Was sagt der
Arzt, wann du rauskommst?''
"Tja, ich denke bald. Es ist ja nichts mehr zu tun an mir.''
Steve lachte bitter, und Luisa sah ihn beklommen an. Sie
wechselte schnell das Thema und erzählte ihm, dass sie noch zur
Bank müsse, um ihre Geldgeschäfte zu regeln. Wenn es sein
müsste, würde sie sich ein Hotelzimmer nehmen, damit sie nah bei
ihm war. Seine Reaktion erstaunte sie. Es war, als wenn ihn das
alles nichts anging. Sie blieb noch eine Zeitlang bei ihm sitzen
und versuchte ein normales Gespräch mit ihm zu führen. Es
scheiterte kläglich, also stand sie auf und machte sich auf den
Weg zur Bank.
Das Gespräch dort dauerte nicht sehr lange, die Bank legte ihr
ihre finanziellen Möglichkeiten offen und eröffnete ihr, dass
sie Zutritt zu ihrem Geld habe. Gut gelaunt kehrte sie zu Steve
zurück und erzählte ihm, wie einfach alles war. Steve reagierte
nicht auf ihr Geplapper und war abweisend. Luisa wurde langsam
wütend und fauchte ihn böse an. Aber auch das reizte ihn nicht.
Sie drängte ihn, sich zu erklären und wollte wissen, was ihn
belastete. Er reagierte wütend und unbeherrscht.
"Lass mich in Ruhe und geh. Ich kann dich nicht mehr sehen. Du
bist Schuld, dass ich mein Bein verloren habe.''
"Wie kommst du denn darauf? Ich konnte doch nichts dafür.''
Sie war geschockt und wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
Steve half ihr dabei, denn er war noch nicht fertig.
"Geh, Luisa, geh aus meinem Leben. Ich kann und will dich nicht
mehr sehen. Ich gebe dich frei, geh, wohin du willst, nur weg
von mir. Du hast mir nur Unglück gebracht, und nun bin ich ein
Krüppel. Das ist mehr als genug. Ich will dich nicht mehr in
meiner Nähe haben, ich hasse dich.''
Luisa sah ihn ungläubig an und verstand nichts mehr. Sie wagte
einen Versuch, noch einmal mit ihm zu reden, aber er blockte ab,
reagierte nicht, sondern ignorierte sie mit steinernem Gesicht.
Erst versuchte sie es mit sanften Worten, doch dann schrie sie
ihn voller Wut an. Es war zwecklos, und deshalb stand sie auf
und ging zur Türe. Als sie sich zum letzten Mal umdrehte, liefen
ihr dicke Tränen über die Wangen. Er hielt sie nicht auf und sah
ihr auch nicht nach.
Sie sah nicht, wie Steve in sich zusammensank und still vor sich
hin weinte. Sie hatte das Zimmer mit ihren Sachen schon
verlassen. Draußen an der frischen Luft blieb sie abrupt stehen
und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Ihre Gedanken
überschlugen sich. Sie redete sich ein, dass er sich melden
würde, sobald es ihm besser ging. Nach etwa zehn Minuten glaubte
sie es schon selbst.
Sie stieg in ein Taxi und fuhr nach Wolvesgrey. Sie wusste nicht
warum, aber etwas zog sie förmlich dahin. Als das Taxi den
bekannten Kiesweg hochfuhr, konnte Luisa das ganze Ausmaß sehen.
Der Anblick von verkohlten Resten, die ehemals dieses großartige
Haus waren, schockten sie auf ein Neues. Sie hielt den
Taxifahrer an, einen Augenblick auf sie zu warten, und stieg
aus. Sprachlos und entsetzt ging sie durch die Ruine. Es roch
immer noch sehr stark nach verbrannten Dingen; sie atmete, so
flach sie konnte. Mit dem Fuß schob sie verkokeltes Holz auf
Seite, in der Hoffnung, dass sie etwas fand, das verschont
worden war. Aber da war nichts, nur verbranntes Holz und
verbrannte Erde. Langsam konnte sie sich wieder an den Tag
erinnern, nur Bruchstücke, aber ihr Gedächtnis wollte
zurückkommen. Sie wollte sich gerade umdrehen, als sie plötzlich
die Augen zusammenkniff. Sie schaute ganz angestrengt auf einen
Punkt. Im nächsten Augenblick ging sie eilig darauf zu. Mit den
Händen räumte sie verbranntes, schwarzes Holz weg. Ein trauriges
Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Vorsichtig reinigte sie eine
gelbrote Knospe vom Russ. Der Rosenbusch war angekokelt, und die
Hitze hatte ihm zu schaffen gemacht, aber er war immer noch
überlebensfähig. Sie richtete ihn, so gut es ging, wieder her
und eilte dann nach vorne, Richtung Taxi. Sie fand auch dort den
Rosenbusch. Er war umgeknickt, scheinbar war die Feuerwehr
darüber gefahren. Sie richtete ihn wieder auf, er hatte noch
genügend junge, gesunde Triebe und würde nächstes Jahr wieder
blühen. Sie seufzte tief bei seinem Anblick und wollte zum Taxi
gehen. In der Drehung wäre sie fast über den Stock gestolpert.
Vorsichtig hob sie ihn auf und betrachtete ihn, er war
unbeschadet. Sie erkannte getrocknetes Blut am Knauf, Ernestos
Blut. Sie bekam ein seltsames Gefühl im Magen und wickelte den
Stock schnell in ihren Mantel. Der Taxifahrer hupte nervös. Sie
ließ sich zum Flughafen fahren, sie wollte zum Haus ihres
Bruders und ihr Erbe antreten. Sie führte ein Telefonat, und der
Hubschrauber nahm sie kurze Zeit später dort auf.
Die nächsten Wochen vergingen wie im Fluge, und Luisa hatte sich
in der Villa eingelebt. Sie hatte vieles mit der Hilfe von
Dominik und dem Butler erledigen können. Die Sklavin ihres
Bruders bekam einen größeren Betrag, wie auch Dominik, und ihre
Freiheit wieder. Was Luisa als sehr sonderbar empfand, war die
Tatsache, dass ihr Bruder kurz nach der Party sein Testament
geändert hatte, so dass sie den Hauptteil erbte. Dominik
beruhigte sie, er erklärte, dass Leonard immer alles geregelt
haben wollte. Es war genau richtig, was er getan hatte.
Je mehr Wochen vergingen, desto mehr war Luisa in sich gekehrt.
Sie vergrub sich in Arbeit und steckte alle Energie in die
Organisation. Sie wollte den Traum ihres Bruders recht schnell
umsetzen. Dominik und Stef unterstützten sie, aber sie konnten
nicht mithalten. Sie sprühte vor Energie. Wenn sie allerdings
abends nichts mehr zu tun hatte, fiel sie förmlich in sich
zusammen. Sie wirkte um Jahre gealtert. Roy, dem Butler, fiel es
besonders stark auf. Er war es ja, der die meiste Zeit abends
mit ihr verbrachte. Er teilte Dominik seine Sorge um Luisa mit,
aber beiden fiel keine Lösung ein. Luisa zog sich innerlich
immer mehr zurück, ihre Blicke gegenüber Fremden waren kalt. Sie
zeigte kaum eine Gefühlsregung. Oft stand sie stundenlang auf
dem Balkon und schaute in die Ferne. Roy hatte mehr als einmal
die Befürchtung, dass sie jeden Moment springen würde.
XVI
An einem Nachmittag besorgte Roy etwas für Luisa in der
Apotheke. Als er wieder auf die Straße trat, hielt ihn jemand am
Arm fest. Er war so in Gedanken, dass er erschrocken
zusammenfuhr. Als er aufschaute, sah er in Steves bekanntes
Gesicht.
"Mr. Kingston! Sie hier ? Wie geht es Ihnen?"
"Guten Tag, Roy. Ich hatte hier etwas Geschäftliches zu
erledigen. Seit ich wieder auf meinen eigenen Beinen stehen kann
und nicht mehr im Rollstuhl sitze, geht es wieder aufwärts. Es
war eine schwere Zeit, bis ich die Prothese bekam, und ich habe
sehr viel verloren durch meine damalige Dummheit. Aber wie geht
es Ihnen, arbeiten Sie noch in der Villa?"
Roy sah ihn sehr nachdenklich an. Steve war sehr dünn geworden
und sein Gesicht härter.
"Ja, Mr. Kingston. Ich arbeite für Miss Baker in der Villa. Sie
hatte mich gebeten zu bleiben und ich habe es bis jetzt nicht
bereut. " Luisa hat die Villa übernommen? Ich dachte, dass sie
ihr zu groß sei und sie lieber auf Wolvesgrey bleiben würde. Ist
jemand krank? ''
Steve zeigte auf die Medikamente in Roys Hand.
"Nein, nur ein paar Migräne- und Schlaftabletten für Miss Baker.
Sie hat nicht nur die Villa übernommen, sondern auch die Firma
im Sinne ihres Bruders umgekrempelt. Sie ist eine sehr
intelligente Frau. "
"Wissen Sie, was aus Wolvesgrey geworden ist? Wie geht es Miss
Baker sonst? Verzeihen Sie, dass ich Sie so ausfrage, aber es
interessiert mich sehr. "
Roy nickte verständnisvoll und sah ihm direkt in die Augen.
"Sir, wenn ich ehrlich bin: Ich mache mir Sorgen. Sie vergräbt
sich in ihre Arbeit, lässt ansonsten niemanden an sich heran und
ist in sich selbst versunken. Sie redet nur das Nötigste und
empfängt keinen Besuch. Sie ist zu hart zu sich selbst und
vereinsamt immer mehr. Sie fliegt einmal in der Woche nach
Wolvesgrey, aber nur, um nach den Rosen zu sehen. Die Reste des
Hauses hat sie entfernen lassen, aber neu aufgebaut wurde
nichts. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie das überhaupt
möchte."
"Wie schätzen Sie denn die Lage ein, würde es gut sein, wenn ich
sie besuche? "
"Fragen Sie mich das nicht, Mr. Kingston. Diese Frau ist
unberechenbar, momentan. Aber wenn man es nicht versucht, wird
man es nie erfahren."
Die zwei Männer trennten sich mit einem festen Händedruck. Steve
setzte sich in ein Café und dachte angestrengt nach. Dann griff
er mit entschlossener Miene zum Handy und wählte eine Nummer. Er
gab ein paar knappe Anweisungen. Als das er Telefonat beendete,
war kurz dieses Lausbubenlächeln zu sehen, das früher immer zu
ihm gehört hatte. Es würde ihn Mut und Kraft kosten, Luisa
gegenüberzustehen. Aber er hatte es lange genug verdrängt und
vor sich hergeschoben. Er winkte die Bedienung zu sich und
zahlte seinen Kaffee.
Während der Fahrt zur Villa musste er sich immer wieder Mut
zusprechen. Er erkannte, wie jämmerlich er sich doch verhielt.
Er war über sich selbst entsetzt und ermahnte sich nun lautstark
in einem Selbstgespräch. Der Weg zur Villa zog sich endlos in
die Länge. Als er sie schließlich vor sich auftauchen sah,
zitterte er vor Nervosität. Vor der Türe holte Steve noch einmal
tief Luft, dann betätigte er den Türklopfer. Nach kurzer Zeit
öffnete Roy die Türe, er nickte Steve lächelnd zu, brachte ihn
in die Halle und bat ihn um etwas Geduld. Roy verschwand lautlos
im Arbeitszimmer. Nach einigen Sekunden kam er zurück. Er
schüttelnde traurig den Kopf.
"Sagen Sie ihr, dass ich nicht gehen werde, bis sie mit mir
geredet hat. Ich lasse mich nicht fortschicken. "
Seine Worte hallten durch die Halle und er wusste, dass Luisa
sie hören musste. Er hatte Recht, denn als Roy die Türe erneut
öffnete, hörte er schon ihre Stimme.
"Geht er nicht sofort freiwillig, lasse ich ihn rauswerfen! "
Ihre Stimme war so überheblich, dass Steve wütend wurde. Er ging
an Roy vorbei und trat ins Arbeitszimmer. Luisa stand am
Fenster, mit dem Rücken zur Türe, so wie ihr Bruder es auch
immer zu tun pflegte. Roy zog sich sofort zurück und verließ den
Raum.
"Ich werde gehen, aber erst habe ich dir etwas zu sagen. "
"Ich will es nicht hören. Es gibt nichts zu sagen, also geh und
komm nie wieder. "
"Erst wenn ich gesagt habe, was ich sagen möchte. Ich weiß, ich
habe dich verletzt, sehr sogar. Aber ich konnte nicht anders in
diesem Moment. Ich hasse mich selbst dafür. "
"War es das? Du weißt, wo die Türe ist! "
Steve zog hörbar zischend die Luft ein, schnell verließ er das
Zimmer, eilte durch die Halle zur Türe hinaus. An seinem Auto
blieb er stehen, laut schimpfte er vor sich hin und schlug
wütend mit der Faust auf das Autodach. Man konnte förmlich
sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Er drehte sich wieder
herum und eilte ins Haus zurück. Luisa stand noch immer am
Fenster.
"So schnell wirst du mich nicht los. Ich möchte es dir erklären,
es wird nicht lange dauernd. "
"Es interessiert mich nicht, wie lang deine Erklärung ist. Ich
will dich nicht sehen, also geh. "
Steve kämpfte um seine Beherrschung, mit drei Schritten war er
bei ihr und ergriff die Haare im Nacken. Er zog ihren Kopf so,
dass sie ihn ansehen musste.
"Schau mir in die Augen und sag, dass ich gehen soll."
Sie sah ihm kalt in die Augen, keine Gefühlsregung war zu
erkennen.
"Geh, jetzt...sofort."
Steve ließ sie sofort los, als hätte er sich grade die Hände
verbrannt.
"Okay, ich sehe, du meinst es ernst. Trotzdem will ich dir
sagen, dass ich dich immer geliebt habe, jeden Augenblick. Auch,
als ich dich fortgeschickt habe. Und ich werde dich immer
lieben. Tausendmal habe ich mir gewünscht, dass es mich damals
erwischt hätte und nicht deinen Bruder. Pass auf dich auf. "
Steve verließ zügig das Haus und stützte sich aufs Autodach. Er
starrte auf die Beule, die seine Hand hinterlassen hatte. Die
Anspannung fiel von ihm ab, er zitterte.
"Bitte bleib', ich werde dir zuhören."
Sie war ihm gefolgt, leise drang der Satz an sein Ohr. Er
brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es nicht nur
Wunschdenken war. Als er sich zur Türe umwandte, sah er, wie sie
durch die Halle Richtung Saloon ging. Er folgte ihr und sah das
erleichterte Gesicht von Roy, als er an ihm vorbeikam.
Luisa hatte sich in einen Ledersessel gesetzt, schickte Roy, um
ihnen einen Kaffee zu bringen, und sah Steve ernst an. Es fiel
ihm immer noch schwer, sie einzuschätzen, denn sie war kalt und
unnahbar. Aber er ließ sich nicht beirren und begann zu
erzählen, was in ihm vorgegangen war. Er redete bis tief in die
Nacht, Luisa saß nur da und hörte zu. Kein Wort sagte sie. Erst
als die Müdigkeit bei Steve überhand nahm, stand sie auf.
"Es ist spät. Zeit ins Bett zu gehen. Wenn du bleiben möchtest,
wird dir Roy ein Zimmer herrichten. Gute Nacht."
Sie drehte sich um und verschwand über die Treppe nach oben.
Steve sah ihr sprachlos nach. Ihr Verhalten ärgerte ihn, aber
ihm war klar, dass sie das wusste. Das ärgerte ihn direkt noch
mehr. Grummelnd folgte er Roy. Er hatte Steve das Zimmer direkt
neben dem Zimmer von Luisa gegeben. Roy wünschte eine gute Nacht
und ließ Steve mit seinen Gedanken alleine.
Steve fragte sich, was er überhaupt da tat, ob es wirklich einen
Sinn hatte. Er war plötzlich voller Zweifel. Nachdenklich sah er
in das Glas mit dem weizenfarbenen Whiskey, das es sich
eingeschenkt hatte. Er nippte genüsslich dran. Unsanft stellt er
das halbvolle Glas plötzlich auf den Tisch. Entschlossen verließ
er das Zimmer und klopfte an die Türe nebenan.
"Ja, bitte ?"
"Verzeih Luisa, aber ich möchte dich noch etwas fragen."
"Hat das keine Zeit bis morgen?"
"Es ist mir wichtig. Bitte. Darf ich hineinkommen? Du weißt, ich
hasse es, mich durch geschlossenen Türen zu unterhalten."
"Gut, komm herein."
Luisa saß auf einem Stuhl vor einem Spiegel und kämmte ihr
langes Haar. Er konnte das leichte Schmunzeln in ihren
Mundwinkeln sehen.
"Ich kann sehen, dass du grinsen musst. Ich mache mich wohl
gerade zum Trottel hier."
Luisa beobachtete ihn im Spiegel.
"Wie kommst du denn darauf? Nur weil ich grinsen muss, oder weil
ich du dich nicht gerne durch geschlossene Türen unterhältst ?"
"Wahrscheinlich beides."
Er suchte ihre Augen im Spiegel.
"Weißt du, dass du jeden Tag schöner wirst?"
Luisa zog eine Augenbraue hoch.
"Bist du gekommen, um mir das zu sagen?"
"Nein. Warum hast du mich aufgehalten?"
"Ich wollte wissen, was du mir zu sagen hast, wollte versuchen,
dich zu verstehen."
"Und? Verstehst du, warum ich nicht anders konnte?"
"Ja, zum Teil verstehe ich es. Aber warum erst jetzt ? Warum
kommst du erst jetzt und erzählst mir das alles?"
Steve war hinter sie getreten und streichelte ihr Haar.
"Weil ich zu feige war. Zu feige dich aufzusuchen und meine
Schwäche einzugestehen. - War das der einzige Grund, um mich
aufzuhalten?"
"Nein, es war nicht der einzige."
Steve packte sanft in ihrem Nacken zu und zog ihren Kopf zurück.
Sie schaute nun hoch, genau in seine Augen.
"Du musst ihn nicht nennen, ich weiß es auch so. Ich möchte dich
wieder an meiner Seite haben. Nicht jetzt und nicht morgen, aber
irgendwann, wenn du wieder bereit dazu bist. Ich möchte, dass du
dir bis morgen früh überlegst, ob das überhaupt noch einmal für
dich möglich wäre und ob ich bleiben soll. Kannst du mir dann
noch keine Antwort geben, werde ich wieder fahren und aus deinem
Leben verschwinden."
Steve küsste ganz sanft ihre Stirn und ging ohne ein weiteres
Wort auf sein Zimmer. Er hatte ein Lächeln im Gesicht und fühlte
sich besser. Sie hatte mit ihm geredet, und das war sehr viel
wert.
Die Nacht war unruhig, er wollte einfach keinen Schlaf finden.
Er warf sich von einer Seite auf die andere. Letztendlich gab er
auf und ging auf den Balkon. Er sah, dass bei Luisa auch noch
Licht brannte, scheinbar fand auch sie keine Ruhe. Einen kurzen
Augenblick war er der Versuchung sehr nah, an die Glastüre zu
klopfen. In Gedanken ermahnte er sich aber und ließ davon ab. Er
genoss noch einmal den weiten Ausblick über die dunkle
Landschaft und ging dann erneut in sein Bett.
Er war schon sehr früh wieder wach, er duschte ausgiebig und zog
sich an. Es ärgerte ihn, dass er nichts zum Wechseln dabei
hatte. Er und seine spontane Ideen.... Als er die Treppe
herunterkam, wurde er von Roy begrüßt.
"Guten Morgen, Mr. Kingston. Ich hoffe, Sie hatten einen ruhigen
Schlaf? - Miss Baker ist noch nicht heruntergekommen, möchten
Sie trotzdem schon einen Kaffee haben?"
"Guten Morgen, Roy. Ehrlich gesagt, habe ich lausig geschlafen,
darum bin ich auch schon so früh schon auf den Beinen. Ein
Kaffee wäre prima, danke. Denken Sie, dass Luisa etwas dagegen
hat, wenn ich ihr
Arbeitszimmer etwas in Beschlag nehme, für ein paar Anrufe?"
"Ich denke, das geht sicher in Ordnung. Ich werde den Kaffee
dort servieren."
Steve machte sich im Arbeitszimmer auf dem Schreibtisch breit.
Schnell hatte er an die zwanzig Skizzen angefertigt und eine Art
Erklärung dazu geschrieben. Er hatte sogar den Kaffee vergessen,
den Roy ihm gebracht hatte, so sehr nahm ihn die Arbeit in
Anspruch. Er telefonierte gerade sehr angeregt, als Luisa in den
Raum stürmte und ihn wütend anfuhr.
"Was machst du hier drin?"
Steve sah sie ruhig an und beendete den Anruf.
"Ich arbeite! Entschuldige, dass ich dich nicht vorher gefragt
habe. Es war sehr wichtig für mich. Warum bist du so wütend,
hast du einen Grund für dein Misstrauen?"
Luisa stutzte und Steve konnte erkennen, wie die Wut von ihr
abfiel.
"Entschuldige, du hast natürlich Recht. Ich habe absolut keinen
Grund dafür. Seit ich die Organisation mitleite, bin ich sehr
gereizt. Sei mir bitte nicht allzu böse. Brauchst du denn noch
lange, oder kommst du zum Frühstück?"
"Ich bin nicht böse, nur verwundert. Das ist normalerweise nicht
deine Art. Ich bin fertig hier und komme mit, mein Magen knurrt
auch schon."
Steve legte seine Skizzen zusammen und schob sie in den
Aktenvernichter.
"Ein neues Projekt von dir ?"
"Ja, ich baue etwas. Es wird eine Überraschung. Ich erzähle dir
später davon."
Das Frühstück lief sehr locker ab, sie lachten viel zusammen und
redeten über Gott und die Welt. Ihr Verhältnis zueinander hatte
sich seit dem vorherigen Tag verändert. Sie waren sich wieder
näher gekommen. Steve wartete darauf, dass sie sich äußerte,
aber entweder wollte sie es nicht, oder sie hatte es vergessen.
Als sie gegen elf Uhr das Thema immer noch nicht angeschnitten
hatte, legte er seine Serviette beiseite und stand zügig auf.
Der Stuhl rutschte knarrend nach hinten, und Luisa sah ihn
erstaunt an.
"Ich werde jetzt fahren. Gestern Abend habe ich dich um etwas
gebeten, und da bis jetzt kein Wort darüber gefallen ist, werden
sich nun leider unsere Wege trennen. Man sollte wissen, wenn man
endgültig verloren hat."
"Nein, bitte bleib. Ich möchte meine Zeit gerne mit dir
verbringen, aber ich weiß nicht, ob es je wieder so sein wird
wie früher."
"Es wird nie wieder so werden wie früher, aber anders und
genauso intensiv, wenn wir es wollen."
In den nächsten Tagen verbrachten sie sehr viel Zeit zusammen.
Sie gingen zusammen shoppen, Eis essen, spazieren, sie lachten
und weinten beide im Kino. Sie wuchsen immer mehr zusammen. Ihre
Berührungen waren sehr zärtlich, und trotzdem schliefen sie
getrennt. Steve ließ ihr Zeit und drängte sie nicht. Er wusste,
dass sie kommen würde, wenn der Zeitpunkt für sie richtig war.
Und wenn es Monate dauern würde.
Eines Morgen weckte ihn ein Geräusch, er konnte es nicht
einordnen und reckte sich erst einmal. Verkniffen blinzelte er
durch den Raum und bemerkte erstaunt, dass Luisa nackt neben
seinem Bett kniete.
"Was machst du da?"
Schon als die Frage über seine Lippen kam, merkte er, wie dumm
sie klang. Luisa antwortete nicht und hielt den Kopf gesenkt.
"Wie lange kniest du da schon?"
Diesmal klang seine Stimme härter und hatte ihre
Selbstsicherheit zurückgewonnen.
"Seit einer Stunde."
Steve schloss für einen Moment die Augen, so sehr genoss er
diesen Augenblick. Er hob die Bettdecke an.
"Komm zu mir, ich möchte dich ganz nah bei mir."
"Nein."
Steve nahm ihr Kinn in seine Hand und hob ihren Kopf an. Er sah
ihr ernst in die Augen.
"Du widersprichst mir?"
"Ja... Nein. Verzeiht, Herr. Aber ich möchte nicht, dass es Euch
unangenehm ist."
"Das lass mal meine Sorge sein. Ja, es fehlt ein Stück von mir,
aber ich bin noch derselbe Mensch. Ich habe lange gebraucht, um
damit
klarzukommen. Wirst du das auch schaffen?"
"Ja, Herr. Ich habe damit kein Problem."
"Dann komm endlich und diskutiere nicht mit mir."
Luisa kuschelte sich in seinen Arm, ganz dicht an ihn. Steve
zuckte automatisch zusammen, als ihr kalter Körper ihn berührte.
Gänsehaut überzog seinen Körper. Sie wollte direkt wieder ein
Stück von ihm wegrücken, aber sein Arm hielt sie dicht bei ihm,
an ihrem Platz. Er sah sie nur an, und jeder Widerstand war
gebrochen. Er küsste und liebte sie an diesem Morgen, mit jeder
Faser seines Seins.
Es war schon recht spät, als sie nach unten kamen. Luisa
verschwand direkt an den Frühstückstisch, und Steve erfand einen
Grund, um kurz mit Roy alleine zu reden. Er gab ihm die
Anweisung, dass er den Hubschrauber und den Piloten bestellen
sollte. Er sollte kurz nach dem Frühstück ankommen und sie dann
an ein bestimmtes Ziel fliegen. Steve gab sich sehr lustig
während des Frühstücks. Er flirtete unerlässlich mit Luisa und
sie genoss es. Sie lachte kokett über seine Späße, und ihre
Augen sprühten Funken. Die Luft zwischen ihnen war sichtlich
geladen. Als der Hubschrauber vor der Villa landete, sah Luisa
erstaunt hinaus. Steve lächelte und erklärte ihr, dass sie einen
Ausflug machen würden. Luisa sah ihn etwas verwirrt an, aber sie
gab ihm ihre Hand und ging vertrauensvoll mit. Im Hubschrauber
bedeckte er Luisas Augen mit einer Augenbinde und verwickelte
sie in ein Gespräch, damit sie abgelenkt war. Der Flug dauerte
nicht besonders lange, und Luisa bemerkte sofort, dass der
Hubschrauber zur Landung ansetzte. Steve wartete mit ihr, bis
der Rotor ausgelaufen war und sie den Hubschrauber ohne Probleme
verlassen konnten. Luisa bemerkte sofort, dass sie auf einem
Kiesweg entlanggingen, und sie war immer verwirrter. Plötzlich
blieb Steve stehen, er packte sie an der Schulter und drehte sie
ein Stück nach links. Er trat hinter sie.
"Ich habe eine kleine Überraschung für dich. Ich hoffe, dass ich
deinen Geschmack getroffen habe."
Vorsichtig nahm er ihr die Augenbinde ab. Luisa blinzelte, und
es dauerte einen kurzen Augenblick, bis sie sich an das Licht
gewöhnt hatte. Sie stand wirklich auf einem Kiesweg, auf der
Auffahrt von Wolvesgrey. Ungläubig schaute sie sich um und ihre
Augen wurden immer größer. Dort stand ein großer Bungalow, in
einem leichten Rotton, und mit vielen Rundbögen, ganz im
südamerikanischen Stil. Sie gingen um das Haus, nach hinten.
Eine große Terrasse, eingefasst mit einer Hecke, zog Luisas
Blick zuerst in den Bann. Keine zehn Schritte davon entfernt war
ein kleiner Brunnen. In ihm standen zwei Statuen, zwei Kinder,
die sich mit Wasser bespritzten. Es waren eindeutig Zwillinge.
Der Brunnen war mit einem kleinen Weg umrandet, dieser führte
auch tiefer in den Garten hinein. Der Weg war gesäumt von
Rosensträuchern, immer im Wechsel mit roten und rot-gelben.
Luisa stand dort und konnte diesen Anblick nicht fassen. Sie war
vollkommen sprachlos. Nichts erinnerte mehr an das, was dort
passiert war. Sie drehte sich zu Steve um, dicke Tränen liefen
über ihr Gesicht. Steve nahm sie wortlos in den Arm und küsste
sanft die Tränen fort, ein leises "Danke" drang an seine Ohren.
Sie standen dort, bis die Sonne untergegangen war.
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