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Als hätte ich einen doppelten Marathon hinter mich gebracht, so
dermaßen schmerzen mir Beine und Gelenke. Hab ich überhaupt noch
Füße? Sie schmerzen nicht, sie sind fast taub. Ich sollte mir
einen Kilometerzähler besorgen. Und das an einem Sonntag, am
ersten Advent. Wie jedes Jahr zur Adventszeit zweifle ich über
die Wahl meines Berufs. Entweder ist man beseelt von
unschlagbarem Enthusiasmus - oder einfach bescheuert. Ich
glaube, ich bin ein bescheuerter Enthusiast.
Bewaffnet mit einer Flasche Wein und einem Glas lasse ich mich
in den Sofasessel gleiten. Der Lederbezug quietscht, als mein
Ledergürtel gegen die Rückenlehne scheuert. Mit einem Fuß kann
ich nach dem Hocker angeln und endlich meine Beine hochlegen.
Ich hab das Gefühl, ich muss den Hocker noch näher heranziehen,
weil meine Beine kürzer geworden sind.
Was war das für ein Tag! Die Leute haben gekauft, als würden
morgen alle Geschäfte einheitlich in einen unbefristeten Streik
treten.
Gluckernd entlässt die Flasche den bis dahin wohlbehüteten
gelbgoldenen Rebensaft in mein Weinglas. Im Schein der Lampe
drehe ich das Glas. Kleine Unebenheiten im Kelch brechen das
Licht. Ich bin zu faul und stelle die Flasche einfach neben mir
auf den Boden. Den ersten Schluck rolle ich genüsslich mit der
Zunge im Mund hin und her. Der Stress fällt wie ein nasser
schwerer Wintermantel von mir ab, den man im Flur einfach
achtlos abstreift und danach nur noch in eine heiße Wanne
eintauchen will. Ein herrliches Gefühl. Auch die Stille. Der
Wein rinnt mir die Kehle hinunter und hinterlässt in meinem Mund
ein feines Aroma von Pflaume, Waldbeere und Erde. "Besinnliche
Zeit", murmle ich vor mich hin. Aber die findet wahrscheinlich
gerade woanders statt. Nochmals nippe ich am Glas und stelle es
auf der anderen Seite vom Sessel auf den mit Backsteinen
ausgelegten Boden.
Zwar fallen mir die Augen zu, aber ich döse mehr; lasse meine
Gedanken ihren eigenen Weg finden. Wie ein Blatt in einer
seichten Herbstbrise auch seinen Weg findet, wenn es eben noch
goldbraun im Sonnenlicht am Ast leuchtete und nun einen letzten
Abschied winkt.
Ich sehe mich auch an jenem Sonntag im September des letzten
Jahres. Mildes Frühherbstwetter, weißblauer Himmel und die
ersten Blätter an den Bäumen zeigten, dass die Natur sich ganz
langsam auf die nächste Jahreszeit vorbereitete. Hier im Norden,
zwischen Eutin und Neustadt an der Ostsee, war seit je her meine
Heimat. Jeden Tag nahm ich als Geschenk. Ob Wind, Regen oder
Sonne; mich faszinierte schon immer die für mich einmalige
Landschaft dieser Gegend. Hier war ich zu Hause und doch ständig
im Urlaub. Jede Jahreszeit hatte ihren ganz eigenen Zauber.
Nach einem guten Frühstück drehte ich meine Runde. Knirschend
gab der Kies auf dem Vorplatz unter meinen Sohlen nach. Gerne
ging ich über diesen Platz bis zu der Stelle, wo die Zufahrt
hinter der dichten Rotbuchenhecke in einer Biegung zur
entfernten Landstraße führte. Erst wenn man hier ankam,
eröffnete sich einem die ganze Schönheit dieses Fleckchens Erde.
Von hier genoss ich gern den Charme meines kleinen alten
Resthofs. Manchmal meinte ich, er duckte sich unter den
mächtigen Kronen der Kastanien, Eichen und Buchen.
Links das alte Wohnhaus, was mir nun als Heim diente. Viele
fleißige Hände von Freunden halfen mit, es wieder bewohnbar zu
machen. Wie ein Kind sich an die Mutter schmiegt, stand rechts
davon der ehemalige Kuhstall. Das in die Jahre gekommene Holztor
mit Rundbogen hatte ich durch eine eigens geschmiedete
Doppelflügeltür mit großen Fenstern und kleineren eingesetzten
Eingangstüren ersetzt. So fiel genügend Licht in den
Verkaufsraum ein. Durch den Laden konnten die Kunden in die
Glasbläserei sehen. Der frühere Schweinestall lehnte sich als
drittes Gebäude im Bunde an die andere Seite der ehemaligen
Behausung des Milchviehs; er beherbergte heute die
Kunstschmiede. Wer hier zusehen wollte, musste vor der Tür
warten. Dort ging es laut und auch nicht ganz ungefährlich her.
Ein Freund hatte mir das antik wirkende Schild mit der
Aufschrift "GlasSchmiede" vor neun Jahren zur Eröffnung
geschenkt. Heute bewunderte ich mich manchmal selbst für den
Mut, dermaßen euphorisch mein eigenes Geschäft mit nur 24 Jahren
zu eröffnen. Meine Eltern verstarben, als ich gerade meine
Meisterprüfungen bestanden hatte, und hinterließen meiner
Schwester und mir ein beträchtliches Erbe. Doch es lief vom
ersten Tag an gut. Vielleicht hatte ich mit meiner
Eigenwilligkeit genau das getroffen, was die Leute suchten.
Im Laufe der Zeit hatte ich mir auch meine Mitarbeiter
zusammengesucht; oder sie wurden mir einfach auf den Hof
gezerrt.
Von Anfang an unterstützten mich meine Schwester Renate und eine
Schulfreundin von ihr, Lea. Sie halfen im Laden aus. Renate war
mittlerweile verheiratet und Mutter zweier reizender Kinder. Lea
hingegen war immer irgendwie auf Männersuche. Ich passte zwar
auch in ihr Beuteschema, aber sie nicht in das meine. Sie war
mir schlicht zu dürr, darüber hinaus eben auch nicht treu. Und
wenn ich mir irgendwann mal eine feste Partnerin suche wollte,
dann eine die zu mir passte und ich zu ihr. Liebeleien oder
Sexabenteuer waren noch nie mein Ding. Und mein Leben fand
überwiegend hier statt. Leas in Discos und auf Partys.
Von meinem ehemaligen Lehrbetrieb zum Glasbläser konnte ich
Heidrun übernehmen. Sie war es auch, die mich vor zwei Jahren
auf Stefanie aufmerksam machte. Diese beiden konnte ich mit Gold
nicht aufwiegen. Kleine und kleinste Figuren sorgten im
Verkaufsraum nicht selten für staunende "Sieh mal hier" und
einfach nur "Ohs". Stefanie hatte sich auf Figuren aller Art
spezialisiert, Heidrun auf alles, was wächst und blüht. Aber
auch vor großen Objekten schreckten sie nicht zurück.
Kurt kam zu mir, wie die Jungfrau zum Kind. Er stand vor
ungefähr sechs Jahren in der Tür und sagte: "Tach, ich bin Kurt
und Kunstschmied. Ich suche Arbeit." Ich antwortete damals:
"Moin, ich bin Stefan, mir gehört der Laden. Dann mach mir mal
nen Fahrradständer von 1850. Du hast drei Tage Zeit." Er
blubberte zurück: "Ich bin Kunstschmied. Du kriegst ne Rose für
deine Freundin." Nach drei Tagen hatte ich eine halb geöffnete
filigrane Rosenblüte und einen Fahrradständer, um den sich eine
Rosenranke windete. An jenem Abend reichte ich ihm die Hand und
sagte: "Freunde nennen mich Ben." Kurt brachte dann irgendwann
Hinrichs mit. Bei dem hatte ich von Anfang an das Gefühl, er
wartete nur darauf, endlich mal sein Talent auszuleben. Und so
war es dann auch.
Um meinen Hausputz sorgte sich Ruth einmal in der Woche.
Ich hatte mich als Schmied auf Figuren und Gegenstände für den
täglichen Gebrauch spezialisiert. In der Glasbläserei machte ich
mir einen Namen für ausgefallene Vasen, Obstteller und Schalen.
Auf Sonderbestellung auch ganze Menü- und Trinksets.
Versonnen ging ich über den knirschenden Kies zurück und schloss
schon mal den Laden auf. Die großen Touristenströme waren seit
Anfang des Monates merklich zurückgegangen und im Geschäft
standen nun die, die entweder bereits das Rentendasein genossen
oder keine Kinder hatten und deswegen außerhalb der Schulferien
ihre Erholung suchten; ebenso Familien mit Kleinkindern.
Außerhalb der Saison öffnete ich sonntags erst ab 14 Uhr.
Dumm war nur, dass Renate krank im Bett lag und Lea für drei
Wochen Urlaub hatte. Ich musste also an jenem Tag sprichwörtlich
den Laden alleine schmeißen. "Soll wohl gehen", dachte ich so
und schaltete die Sicherungen der Beleuchtung ein. Als würden
die Leute es wissen, rollten gleich vier Wagen auf den Kiesplatz
vor dem Haus. Ein Kleinwagen, zwei Mittelklassemodelle und ein
Nobelschlitten. Ich war baff. Lange genug machte ich ja nun den
Job, dass ich auch schon in etwa einschätzen konnte, wer was für
wie viel kaufte. Aber in dem ganz gehobenen Preissegment der
Automarken lag ich bisher immer falsch. Entweder kauften die den
halben Laden leer; oder klauen das, was sie haben wollen.
Schlicht frech und ergreifend dreist. Doch bisher waren wir
immer ohne Polizei und Anzeige ausgekommen. Vielleicht lag es an
meiner "Hausordnung", einem ausgedienten Zehnkilo
Schmiedehammer, der deutlich sichtbar am Tresen lehnte und eben
jenes Wort auf dem Stiel eingebrannt bekommen hatte.
Der ältere Herr mit dem teuren Wagen wusste genau, was er
wollte. Zwei Schalen und einen Obstteller. Dazu passend eine
Vase. Großzügig rundete er sogar den zu zahlenden Betrag nach
oben auf und war nach nur zehn Minuten wieder draußen.
Eigentlich hätte ich wieder zusperren können. Die
betriebswirtschaftliche Seite war für den Tag bereits gedeckt.
Das eine ältere Ehepaar ging nach einem Rundgang wieder, das
andere kaufte zwei Metallfiguren und wünschte mir sogar noch
einen erfolgreichen Tag. Das kam auch nur selten vor.
Aus dem kleineren Auto waren zwei jungen Frauen ausgestiegen.
Zwillinge. Ein Aussehen wie das andere. Überhaupt nett
anzuschauen und diesmal genau mein Beuteschema. Sie
unterschieden sich nur in der Farbwahl der Bekleidung, selbst
der Look war identisch. Ich beobachtete sie, wie sie durch den
Laden schlenderten und hier und da einzelne Stücke
begutachteten. Etwa Mitte zwanzig, etwas über einssiebzig groß
und anmutende äußere Erscheinungen. Schlank und doch fraulich.
Ihre lichtblonden Haare trugen sie offen. Als hätte die nahe
Ostsee Pate gestanden, so umschmeichelten sie in Naturwellen die
aparten Gesichter und flossen in seidigem Glanz über die
Schultern, hinab bis etwas über die Schlüsselbeine, um sich dort
in kleinen Deltas auf dem Stoff der Tops und sonnengebräunter
Haut zu verlieren.
"Darf ich behilflich sein?", bot ich an und ging um den Tresen
herum auf sie zu. Natürlich auch, um mir diese beiden näher
anzusehen. Seit meiner Jugend pflegte ich diese Passion, schöne
Frauen jeglichen Alters aus der Nähe einfach nur zu betrachten.
Und hier hatte ich sogar einen guten Grund, mich diesen durchaus
ansprechenden Geschöpfen zu nähern.
"Ja - äh - weiß ich nicht", stotterte die eine aufgeschreckt.
Ihre rehbraunen Augen fesselten mich mit nur einem flüchtigen
Blick. Sanftmut, Wärme und der Hauch nach einer mir nicht
bekannten Sehnsucht ließen sie mich noch einmal ansehen. Doch in
ihnen stand auch Furchtsamkeit.
Ihre Schwester meinte: "Mir schon. Machen Sie das alles selber?"
und ihr grüngelber Scharfblick sah mich sehr forsch an; als
durchbohrte mich ein Dolch.
Ich musste mich von diesen Blicken lösen. So gleich sie sich
auch äußerlich waren, unterschiedlicher konnten sie nicht sein.
Bereitwillig spulte ich also meinen schon hundertfach erzählten
Text runter und erklärte, dass ich Angestellte habe und auch ab
und an Kurse anbot. Sowohl schmieden als auch Glasbläserei.
Die beiden guckten sich an und gackerten plötzlich irgendwie
dümmlich.
Mir war nicht klar, was sie dazu veranlasst haben könnte, doch
mit ihrem albernen Getue waren sie von der Liste der
interessanten Frauen auch schon wieder gestrichen. "Hühner",
dachte ich, gab mich jedoch weiter interessiert, sie zu beraten.
Wie sagte mein alter Lateinlehrer doch immer wieder gern:
"Pecunia non olet - Geld stinkt nicht." Zwar hatte ich immer
eine Verbindung zu meinen Stücken, aber ich konnte mir leider
auch nicht aussuchen, in wessen Hände sie einmal übergehen
würden.
"Wann bieten Sie denn Kurse an?", fragte die Zweite nun wieder
sehr ernst.
"Ich inseriere in der Zeitung dafür. Manchmal auch auf Anfrage,
wenn Firmen einen Betriebsausflug machen oder so", sagte ich und
beobachtete die Erste, wie sie bedächtig eine Schale in der Hand
drehte, sie ab und zu auch gegen das Licht hielt.
"Wird sowas auch ge ... geblasen", gluckste sie aus heiterem
Himmel komisch und lief schlagartig rot an. Die Ernste gackerte
auch sofort wieder los.
Jetzt wusste ich, woher der Wind wehte. Solche Mädels hatten
komischerweise immer sehr zweideutige Gedanken. Je dunkler die
Haarfarbe wurde, umso ernsthafter waren sie. Das war meine
Erfahrung aus den letzten Jahren. Klar gab es auch da ein paar
Ausreißer, aber nur sehr Vereinzelte. Diese jungen Dinger musste
ich loswerden. Sowas ging für mich schon immer sehr schnell und
schmerzlos. "Wollen Sie?", fragte ich noch aufrichtig.
"Was?", zog sie die Augenbrauen hoch und stellt die Schale
zurück ins Regal. Von Albernheit war jedoch keine Spur mehr in
ihrem Ausdruck. Es kam nicht oft vor, dass mich ein Mensch
verwirrte, hier war ich mir aber nicht mehr sicher.
Trotzdem antwortete ich frech: "Einen blasen?", drehte mich um
und ließ die jungen Dinger stehen. Bisher stapften dann solche
Subjekte meist wutschnaubend aus der Tür und ich sah sie nie
wieder.
Bisher.
Die Erste faszinierte mich zwar, aber Zwillinge bekam man
grundsätzlich nur im Doppelpack. Und auf die grüngelbe Schwester
würde ich gern verzichten. Warum wusste ich auch nicht. War es
ihr Blick? Irgendetwas an ihr war mir unsympathisch.
"Jetzt? Hier? Sofort?", rief die Zweite hinter mir her.
Ich drehte mich um und sah in zwei Giftsprühende Augen. Die
Sanfte hatte den Blick zu Boden gerichtet. War es ihr womöglich
peinlich, wie sich das entwickelt hatte? Ungeachtet dessen
polterte ich abfällig: "Nee. In der Werkstatt. Hier doch nicht",
und rückte die Lücken der verkauften Gegenstände zu.
"Dann eben da", keifte sie weiter.
Mir wurde das jetzt zu blöd. Mit wenigen großen Schritten war
ich wieder bei ihnen und baute meine fast zwei Meter und 89 Kilo
vor ihnen auf. "Passt mal auf, Mädels. Das hier ist seriöse
Handwerkskunst. Was ihr unter blasen versteht, habt ihr
mittlerweile unmissverständlich erklärt. Aber weder bei noch mit
mir. Klar? Mit solchen Kindereien bringt ihr mich nicht in
Verlegenheit. Und jetzt raus."
Jegliche Farbe verschwand aus ihren Gesichtern. Wie geprügelte
Hunde zogen sie mit gesenkten Häuptern von dannen. Die war ich
zum Glück los.
Eigentlich hätte ich die Öffnungszeiten noch bis 18 Uhr gehabt.
Den kindischen Vorfall hatte schon längst nicht mehr in meinen
Gedanken, denn seit über einer Stunde stand ich mir hier die
Beine in den Bauch und skizzierte, was ich vielleicht noch an
dem Abend mal mit Glas und Metall in Kombination ausprobieren
wollte. Diese Idee verfolgte mich schon seit Wochen, aber ich
hatte bislang noch keinen Ansatz gefunden. Heute - plötzlich war
er da. Ich verriegelte die Tür, hängte das Schild "bin in der
Werkstatt" rein und schaltete teilweise das Licht aus. Besser
war es, potentielle Kunden nicht mit unbekannter Abwesenheit zu
vergraulen.
In der Schmiede feuerte ich die Esse an und zog mich um. Dann
suchte ich mir ein passendes Stück Metall und legte es in die
Glut. Für meine Idee musste ich sowieso erst einmal den äußeren
Rahmen schaffen. Immer wieder kontrollierte ich das Werkstück
und endlich konnte ich es bearbeiten. In gleichmäßigen Schwüngen
ließ ich den Hammer auf das Metall schlagen. Fingerspitzengefühl
galt selbst in diesem robusten Beruf als unersetzlich. Der
Amboss sang, ich hatte meinen Takt und war in Gedanken dabei,
das Stück weiter auszuformen.
Das Metall war zu kalt geworden und musste zurück in die Glut.
"HALLO!", rief es mir unerwartet aus der offenen Tür zum Hof
hinterher. Ich drehte mich um und traute meinen Augen nicht.
"Das ist ja der Hammer", knurrte ich leise vor mich hin. "Was
macht ihr denn schon wieder hier?", rief ich zurück.
Ohne Antwort kamen die beiden Blondinen auf mich zu. Die Ernste
sagte schüchtern: "War doof, wie wir uns benommen haben. Wir
wollen uns entschuldigen." Die Scheue wagte erst gar nicht, vom
Boden aufzusehen.
Mir war ja schon viel passiert, aber das noch nicht.
"Angenommen", brummte ich halblaut. "Und jetzt?", wollte ich
wissen.
"Na ja, ... das ... das war's eigentlich schon", sagte die
Ernste und plötzlich sah mich ihre Schwester doch an und fragte:
"Können wir vielleicht einen Augenblick zugucken?"
"Spinnst du, Brit? Wir können hier nicht einfach stören!", wies
sie ihre Schwester recht barsch zurecht.
"Ist aber dreckig hier", ignorierte ich die Rüge, "und laut
auch. Auch nicht ganz ungefährlich."
"Ja, das haben wir schon vorn an der Tür gehört. Schade", sagte
Brit etwas enttäuscht, wohl auch ob des derben Rüffels ihrer
Schwester.
"Aber bitte, wenn ihr wollt", zuckte ich mit den Schultern,
"geht aber ein Stück zurück. Dahinten sind Mickymäuser. Setzt
die besser auf." Beide starrten mich fragend an. "Hörschutz",
zeigte ich in die Richtung. "Die Dinger da, die aussehen wie
Kopfhörer." Ich hätte nie gedacht, dass die beiden tatsächlich
die dreckigen Dinger anfassten, geschweige denn aufsetzten. Ich
rüttelte an meinem Werkstück und beobachtete, wie sie auf
einigermaßen Distanz stehen blieben. Ich konnte weitermachen.
Als ich zum Hammer griff, musste ich laut loslachen und erntete
Blicke, die absolut nicht verstanden, was mir gerade durch den
Kopf geschossen war. Doch ich konzentrierte mich jetzt auf meine
Arbeit. Ein Schlag daneben und ich musste korrigieren. Eine
undankbare Aufgabe. Ein Funke spritzte beim ersten Schlag und
aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie das kleine Stückchen
glühender Schlacke zielsicher die linke Brust von Brit fand.
Augenblicklich sprang sie schreiend ein Stück zurück und wollte
das loswerden.
"Finger weg!", brüllte ich sie an, ließ alles fallen, griff zum
Eimer und kippte ihr einen Schwung Wasser direkt vor den Latz.
Sie jaulte immer noch. Tat auch weh, wusste ich selber. Aber das
nasse Shirt offenbarte unmittelbar, dass sie nichts drunter
trug. Trotz der Situation schaute ich noch mal verstohlen hin.
Rundungen, etwas mehr als eine größere halbe Grapefruit,
hervorgetretene Brustwarzen, die wohl gern das Top durchbohrt
hätten, ob der kalten Dusche nach Luft zu schnappen. In
jeglicher Beziehung mein Traummaß einer weiblichen Brust.
Trotzdem war es für heute mit der Arbeit vorbei. Brits Schwester
war auch etwas nass geworden. Ich legte die Schürze ab und
sagte: "Legt die Mickeys einfach hin. Kommt mit rein. Ich hab
drinnen was gegen Brandwunden." Wie zahme Fohlen trotteten sie
hinter mir her. Brit schniefte immer noch, weil es weiterhin
brannte. Ich konnte es nachempfinden. Ihre Schwester spendete
Trost, so gut es eben ging. "Ich wasch mir nur eben die Finger.
Geht einfach weiter durch. Da ist die Küche. Setzt euch hin.
Aber nicht an der Wunde rumfummeln!", stieß die Tür zum Gästeklo
mit dem Fuß auf und reinigte meine Hände gründlich.
"Schöne Scheiße", maulte Brit weinerlich. "Immer passiert mir
sowas", jammerte sie ein wenig theatralisch.
"Ich bin Stefan", reichte ich beiden erst mal die Hand und ein
sauberes Handtuch. "Ihr seid Brit und?"
"Alena", beantwortete sie meine Frage und reicht mir auch die
Hand.
"Brit, du hast ein Stück Schlacke eingefangen. Das Ding hat dein
Oberteil und deine Haut ramponiert. Aber es hat sich
wahrscheinlich in die Haut eingebrannt; das hat glühende
Schlacke leider so an sich. Da wird eine Narbe bleiben. Darf ich
mal?"
"Was?", riss sie ängstlich ihre Augen auf.
"Mir das ansehen. Du kannst auch ins Krankenhaus nach Eutin
fahren. Aber die machen nix anderes. Die pulen das mit einer
Pinzette raus, kippen Desinfektion drüber, nen Tupfer mit
schmerzstillender kühlender Salbe, Pflaster drauf und das war's.
Wenn du nichts machst, eitert das in drei bis vier Tagen raus
und du hast noch mehr Spaß", ließ ich sie erfahrungsgemäß
wissen.
Sie wirkte wie vor den Kopf gestoßen.
Alena hingegen brauste entsetzt auf: "Du willst, dass meine
Schwester das Top auszieht und dann an ihrer Brust rumfummeln?"
"Ausziehen oder zumindest so hinziehen, dass man drankommt. Dran
rumfummeln? Ich? Nee. Nicht ich. Das machst du. Ich hol in der
Zwischenzeit ..."
"Ich hab sowas noch nie gemacht. Wenn da was zurückbleibt in der
Wunde, was ist dann?"
"Dann eitert es raus", sagte ich lakonisch, weil ich dachte,
dass ich das schon erklärt hätte.
Brit war verstört. Sie sammelte wohl gerade allen Mut zusammen.
"Hast du sowas schon mal gemacht?"
"Ich bin Schmied. Das ist bei uns fast an der Tagesordnung.
Nicht immer an solch delikaten Stellen, aber einmal pro Woche
fängt einer was ein. Meiner Schwester hab ich auch schon was aus
dem Dekolleté geholt. Meinem Altgesellen ..."
"Keine Einzelheiten bitte", winkte Brit ab und mit einem Schwung
saß sie mit nacktem Oberkörper in meiner Küche. Meine Vermutung
wurde bestätigt. Nahtlose Bräune auf formvollendeten Rundungen,
die ohne BH auskamen; und doch Geschenke der Natur, die es
verdient hätten, sie aus weichem spitzenbesetzten Stoff
allabendlich mit Wonne zu befreien.
"Rück mal da an die Terrassentür", sagte ich so gelangweilt wie
möglich, als wäre es das Normalste der Welt, dass halbnackte
Schönheiten bei mir in der Küche zuhauf rumsitzen würden.
Mitsamt dem Stuhl positionierte sie sich im Licht.
Ich war derweil zur Schublade gegangen und hatte mein kleines
Notbesteck geholt. Länger als ich es eigentlich wollte, sah ich
ihr wieder in die Augen. Scham und Angst hielten sich in etwa
die Waage. "Nicht erschrecken. Ist kalt und brennt etwas", sagte
ich leise und sprühte eine Desinfektionslösung auf die Wunde.
Zischend sog sie die Luft ein und eine Gänsehaut überzog ihren
Körper. Wie aus dem Nichts reckten sich ihre kleinen Knospen aus
den zartrosa Vorhöfen der Brüste empor, als wollten sie noch die
letzten Strahlen der durchs Fenster einfallenden Herbstsonne
erhaschen. Auf ihren schlanken Armen standen die weißblonden
Härchen wie Soldaten. Nur durfte mich das alles nicht
interessieren und schon gar nicht ablenken. Trotzdem genoss ich
es still für einen Wimpernschlag lang. Anschließend zog ich mir
neue Einmalhandschuhe über und desinfizierte auch die Pinzette
ordentlich. In der einen Hand eine Lupe in der anderen die
Pinzette kniete ich vor dem Mädchen nieder und stütze mich mit
den Ellenbogen auf ihre Oberschenkel. "Keine Panik", wirkte ich
mit gedämpfter Stimme weiter beruhigend auf sie ein und
betrachte die Wunde genauer; einen halben Fingerbreit oberhalb
dieses samtenen rosa Kranzes auf dem Gipfel dieses Hügels des
Wohlgefallens. "Einigermaßen Glück gehabt", konnte ich ihr
selbst erleichtert mitteilen, "es steckt fast senkrecht drin und
ich kann es rausziehen. Hier Alena. Sie es dir selbst an",
reichte ich ihr die Lupe und rückte ein Stück zur Seite.
"Bleibt da was zurück?" Sorgenvoll blickte mich Brit an.
"Von der Schlacke nichts. Die Stelle sieht später aus, wie eine
vergrößerte Pore", erklärte ich ihr. "Wenn es jetzt ein wenig
ziept, ist das normal. Das kommt, weil es eingebrannt ist. Keine
Sorge", und bevor sie sich innerlich auf den Moment vorbereiten
konnte, hatte ich es auch schon herausgezogen. "Halt mir mal
deinen Zeigefinger hin", und ich legte ihr den Übeltäter auf die
Fingerkuppe; er war etwas größer als ein Sesamkorn. Unsere
Blicke trafen sich noch einmal für einen kurzen Moment. Doch
nicht so, wie noch vor einer Minute.
"Den hebe ich mir auf", kam es erleichtert, fast beschwingt.
Eine Kontrolle mit der Lupe sorgte auch bei mir für
Erleichterung. Keine Überreste.
"Alena, hier ist Salbe und da Pflaster." Ich stand auf und
wandte mich ab. Etwas in mir begann, zu arbeiten. Ich wusste nur
nicht was. Es war ein warmes und sehr angenehmes Gefühl.
"Warum? Das kannst du doch auch machen", hörte ich Brit sagen.
Als ich mich umdrehte, traf mich zum wiederholten Male ihr
Blick. Und er war nicht nur erwartungsvoll.
"Hey, langsam Mädchen. Ihr seid zu zweit", ließ ich sie mit
deutlichem Nachdruck in der Stimme wissen. In mir schürte es
sich langsam zu einem Aufruhr der Sinne und ich musste mich sehr
zusammennehmen.
"Glaubst du, ich mach da was draus?" Augenblicklich standen
Entsetzen und Vorwurf gleichermaßen in ihrem Gesicht.
"Glauben nicht. Aber ich fass deine Brust nicht an. Entweder
deine Schwester oder du selber", erklärte ich sachlich.
Alena kümmerte sich um sie und reichte ihr anschließend das
nasse Oberteil. "Na, das war ja ein sehr aufregender und
spannender Nachmittag", sagte sie deutlich entspannt, als ihre
Schwester wieder verhüllt war.
"Seht zu, dass ihr in trockene Klamotten kommt. Ihr holt euch
sonst den Tod", und ich ging schon mal vor, um sie zur Haustür
zu begleiten.
"Danke", zwinkerte Brit mir in einem unbeobachteten Moment sehr
merkwürdig aber auch irgendwie alles sagend zu.
"Bitte. Keine Ursache. Das nächste Mal kommt ihr aber in
Arbeitskleidung", musste ich dann doch schmunzeln. Irgendwie
fiel eine Anspannung von mir ab, als der Wagen nicht mehr zu
sehen war. Andererseits hatte ich immer noch die wortlosen
Gespräche mit Brit im Kopf.
Nach dem Tagesabschluss der Kasse brütete ich im Büro über der
Aufgabe, wie ich das morgen alles bewerkstelligen sollte. Kurz
hatte ich mit Renate telefoniert. Der Anruf ließ mich nicht
unbedingt gelassener werden. Eine Woche war sie
krankgeschrieben. Sie war sogar extra beim Notdienst, weil es
ihr so schlecht ging. Und sie ging eigentlich erst zum Arzt,
wenn sie den Kopf unterm Arm trug. Ich hatte zwei
Auftragsarbeiten, die zum kommenden Wochenende fertig sein
mussten. Meine Leute schafften das nicht, die hatten andere
Sachen zu tun. Und der Blick auf die Uhr verriet mir außerdem,
dass ich bald ins Bett musste; fast 21 Uhr. Aber die Sorge um
das fehlende Ladenpersonal bereitete mir schon Kopfzerbrechen.
Plötzlich klingelte es an meiner privaten Haustür. Kurz
überlegte ich, ob mir eine Verabredung mit einem meiner Kumpels
durch die Lappen gegangen war, aber mir fiel niemand ein. Also
schlurfte ich müde zur Tür und wollte nicht glauben, wer da vor
mir stand. "Brit", versuchte ich einigermaßen gefasst und
freudig zu sagen.
"Hallo", kam es eher schüchtern. Aber es schwang auch noch
irgendetwas anderes in ihrer Stimme mit; es klang fast ein wenig
unheilvoll. "Darf ich?", und sie deutete an, dass sie reinkommen
wollte. "Äh ... ja ... öh ... komm rein", stammelte ich und sah
verwundert zu, wie sie sich an mir vorbeischlängelte und
zielstrebig in die Küche ging. "Was wird dass denn jetzt",
fragte ich mich still und schloss kopfschüttelnd die Tür. "Brit,
was ist denn los?", wollte ich nun meinerseits wissen, als ich
ihr bewusst gegenüber Platz genommen hatte. Ihre gesamte
Verfassung war mit einem Wort zu beschreiben:
niedergeschmettert.
"Alena und ich haben uns gekracht. Aber so richtig", polterte es
ohne eine Sekunde Verzögerung aus ihr heraus.
"Ja und? Was hab ich damit zu tun?", war ich schier erstaunt,
dass sie mir das erzählte. Als sie aber sprühte: "Wegen dir
natürlich!", musste ich doch im ersten Moment schlucken. "Ah
ja?", zog ich verwundert die Augenbrauen hoch, "wegen mir?" Das
kam auch für mich sehr überraschend. "Und was kann ich eurer
Meinung nach da jetzt dran tun?"
Sie atmete einmal tief durch und dann sprudelte sie plötzlich
los. "Wir kommen aus der Nähe von Osnabrück. Im Internet haben
wir deine Seite mehr durch Zufall gefunden. Alena ist
Goldschmiedin und ich Glasmalerin. Dein Bild war uns irgendwie
sympathisch und wir wollten dich einfach mal kennenlernen. Dass
das so blöd gelaufen ist, konnten wir ja auch nicht ahnen. Vor
ein paar Tagen waren zwei Frauen in deinem Laden. Da sind wir
einfach wieder gefahren. Wir dachten, du kannst uns was zeigen,
wie man Glas bläst und ob ich damit was anfangen kann, als
zweites Standbein oder so. Alena interessiert sich für die
Schmiede. Auf dem Weg vorhin in die Ferienwohnung ging der Zoff
aus heiterem Himmel los. Sie hatte mich angeschrien, ich hätte
dich ja schon fast nuttenhaft angebaggert. Außerdem würde nur
sie dich kriegen, wenn du noch zu haben bist. Ich hab ihr
gesagt, dass du das ja wohl selbst entscheiden wirst und sie
nicht immer meinen muss, dass sie alles bekommt, was sie will.
Sie würde ja nur mit den Männern ins Bett wollen und sie dann
fallen lassen. Und ein Wort ergab dann das Andere. Meinen
letzten Freund hat sie mir auch ausgespannt. Aber nur, weil sie
es nicht ertragen hat, dass ich einen habe und sie nicht. Als er
sich dann von mir getrennt hatte, hat sie ihn auch abblitzen
lassen. Nur, um mich zu ärgern. Das war vor einem halben Jahr.
Aber wir haben uns wieder vertragen und dann diesen Urlaub
gemeinsam geplant. Nun sind wir gerade mal vier Tage hier und
schon haben wir uns wieder in den Haaren. Dabei haben wir drei
Wochen gebucht. Stefan, ich halt das nicht mehr aus. Die ewigen
Zankereien und der ständige Neid versauen mir den ganzen Urlaub.
Sie sagt, ich soll mir doch eine andere Unterkunft suchen, wenn
es mir nicht passt; und dass sie die Ferienwohnung schließlich
von ihrem Geld bezahlt hat. Dabei habe ich ihr die Hälfte schon
überwiesen. Doch sie pocht darauf, dass sie es bezahlt hat, und
will mein Geld noch heute zurücküberweisen. Nur, damit sie mich
unter Druck setzen kann. Die zieht das auch gnadenlos durch. Zum
Glück sind wir mit meinem Wagen gefahren. Mit dem bin ich jetzt
auch hier. Und ich hab auch alle meine Sachen mitgenommen. Ein
Hotel hab ich auf die Schnelle nicht gefunden. Und jetzt sitz
ich hier und weiß nicht weiter."
Ich fühlte mich im ersten Moment, wie vor den Kopf geschlagen.
Und dann sah ich, wie erst eine Träne und mit einem Mal kleine
Rinnsale über ihre Wangen liefen. "Schöner Mist", rutschte mir
so raus und überlegte, was ich nun mit dieser Brit anfangen
sollte. Renate war krank und Lea nicht da. Wohin mit einer
jungen Frau, die ohne Bleibe ist? Bei mir wäre Platz gewesen,
aber ich war auf sowas schlecht bis gar nicht vorbereitet.
Kumpels hier übernachten zu lassen war noch nie ein Problem. Die
waren robust und rustikal. Aber Brit? Auf einen Versuch musste
ich es trotzdem ankommen lassen. "Ich hab zwar ein Gästezimmer,
aber das ist recht spartanisch. Und ein extra Bad kann ich dir
auch nicht anbieten. Ich kann dir das Telefonbuch geben. Dann
kannst du ja mal in der Umgebung die Hotels anrufen", bot ich
alternativ an.
"Hab ich ja schon", heulte sie und schniefte, "aber die
verlangen Preise, die ich nicht bezahlen kann. Über hundert Euro
die Nacht wollen die haben; und das ist nicht drin."
Irgendwie hatte ich Mitleid. "Was nun?", aber die Antwort auf
diese Frage überließ ich ihr besser.
"Am besten, ich fahre einfach nach Hause. Soll Alena doch sehen,
wie sie ohne Wagen zurechtkommt", reagierte sie bockig und
schnäuzte sich.
"Mal halblang", bremste ich sie, "in dem Zustand sollte man
nicht mehr so weit fahren. Wie gesagt, ich hab nicht viel
anzubieten. Das hier ist ein Junggesellenhaushalt. Meine
Haushaltshilfe kommt einmal in der Woche. Ich hab dafür keine
Zeit und auch keine Hand."
"Besser, als im Auto zu schlafen", lächelte sie und ein kleiner
Hoffnungsschimmer leuchtete in ihren Augen.
"Na gut. Dann komm mit rauf. Guck es dir aber erst an, bevor wir
alles hochtragen", sagte ich sehr bestimmt und ging vor. "Mein
Tag beginnt auch schon früh. Um fünf Uhr", ließ ich sie
ebenfalls gleich wissen. "Gegen sieben beginnt die Werkstatt -
und auch die Schmiede."
"Kein Problem", kam es eher nur leise, doch ich konnte in ihrem
Ausdruck lesen, dass es doch eines war. Sie indes wollte nur
raus aus dem Zoff. Und das auch unter solchen Umständen.
"Ich wollte es nur gesagt haben", betonte ich trotzdem noch
einmal.
Nach kurzer Begutachtung schleppten wir ihre Habseligkeiten in
das Zimmer und gingen nochmals in die Küche. Dort erklärte ich
ihr, dass sie sich um mich nicht kümmern müsste. Ich würde mich
auch nicht um sie sorgen können. Kurz zeigte ich ihr, wo sie was
finden konnte, wenn sie morgen frühstücken wollte, und dass sie
dann alles in die Spülmaschine einzuräumen hatte. Und plötzlich
schoss mir eine Idee durch den Kopf. "Eigentlich kommst ja wie
gerufen", und legte ihr meine Misere mit Renate und Lea in
kurzen Sätzen dar. "Wenn du mir da ein wenig Unterstützung
leisten kannst, wäre das ausgesprochen großzügig."
Ihre Miene erhellte sich schlagartig. "Natürlich!", kam es, ohne
einen Moment zu zögern. "Wann öffnet ihr denn?", wollte sie auch
sofort wissen.
"Um neun; und dann bis halb eins. Dann nochmals von zwei bis
sechs."
"Das mach ich", sie wirkte wie ausgewechselt.
Es war fast zehn. Ich musste ins Bett. "Wenn du noch fernsehen
willst, dann ..."
"Danke, nein. Ich hab ein Buch dabei. Außerdem bin ich müde,
wenn ich ehrlich bin."
Das brauchte sie nicht betonen. Sie sah nicht nur das aus,
sondern richtiggehend fertig. Ich war auch schlafbedürftig. Als
ich im Bett lag, kamen mir mit einem Male die aberwitzigsten
Gedanken. Völliger Blödsinn und total abwegig. Obwohl nun eine
junge Frau im Haus war, schlief ich trotzdem ein. Lea hatte ja
auch schon ein paar Male hier geschlafen, wenn es nach der
Inventur oder einer spontanen Sommerparty spät geworden war.
Daher war mir das nicht ganz so fremd. Nur lag ein paar Wände
weiter eben nicht Lea.
Als um kurz nach fünf der Wecker mich aus dem Schlaf holte,
rauschte im Bad das Wasser. Also schlurfte ich nach unten, um
Kaffee anzusetzen und auf Klo zu gehen. Bei meinem Weg durch die
Küche haute es mich fast aus den Latschen. Der Tisch war
gedeckt, ein Frühstücksei sogar, und Duft von frisch
aufgebrühtem Kaffee zog mir in die Nase. Ich wollte es erst
nicht glauben; und doch sah ich es mit eigenen Augen. "Die hat
nen Knall", dachte ich gerade so, als sie fix und fertig
angezogen in die Küche kam. Ihr "Guten Morgen", lächelte sie mir
in einer Frische entgegen, dass es mir um mein
Morgenmuffeldasein erstmals im Leben peinlich war. "Morgen",
versuchte ich einigermaßen entspannt und ausgeschlafen zu sagen,
aber es blieb nur ein Versuch.
"Na, ist wohl doch zu früh für dich", lachte sie ein wenig keck.
"Das Bad ist frei", nickte sie in Richtung der Tür.
"Mhm", murrte ich immer noch müde und schlurfte wieder zurück.
An meinem morgendlichen Rhythmus konnte auch Brit nichts ändern
und ich saß um meine Uhrzeit am Tisch. "Warum bist du so früh
hoch?", musste ich dann aber doch fragen.
"Warum nicht?", und sie wirkt ein wenig verlegen. "Vielleicht,
um ... ach, weiß auch nicht." Plötzlich schoss ihr die Röte ins
Gesicht.
Ich dachte mir einfach meinen Teil und sortierte meine Gedanken
für den Tag. "Was willst du machen, bis der Laden aufmacht?",
interessierte es mich, nun schon wacher.
"Bügeln?", zuckte sie mit den Schultern und sah mich fragend an.
"Genug Wannen stehen ja im Flur oben rum", stellte sie
treffsicher fest. Wie selbstverständlich goss sie mir Kaffee in
den Becher.
Das ging meiner Meinung nach doch etwas zu weit. "Willst du hier
die Hausfrau spielen?"
Meine Frage war wohl etwas zu vorwurfsvoll gestellt, denn mit
weit aufgerissenen Augen starrte sie mich mit einem Male
verängstigt an. "Nein!", kam es so bange, als hätte ich sie
bedroht.
Besänftigend strich ich ihr kurz über den Handrücken.
"Entschuldige. Das war nicht so gemeint. Lass uns frühstücken",
versuchte ich die Situation zu entspannen.
Während wir aßen, hingen wir unseren Gedanken nach. Es war schon
ein komisches Gefühl, morgens nicht allein am Tisch zu sitzen.
Es war auch lange her, dass Renate und ich gemeinsam um diese
Uhrzeit hier saßen. Ich versuchte mich zu erinnern; das musste
bestimmt fünf Jahre her sein. Die Große war nun vier und die
Kleine zweieinhalb. Süße Mädels.
Ich schielte auch ab und zu zu Brit rüber. Sie schien ebenfalls
weiter weg zu sein. Versonnen starrte sie schon eine Zeit lang
die Wurst an. Eine ausgesprochen hübsche, nein, bezaubernde
junge Dame. Die Haare zu einem flüchtigen Wirbel hochgesteckt,
ein paar Strähnchen hingen in kleinen Spiralen an den Schläfen
herab. Milde Züge und wache braune Augen, an denen ich mich
nicht sattsehen konnte. Ihre feinsinnige und liebevolle Art
konnte ich in ihrem Gesicht ablesen. Zierliche Augenbrauen, fast
weißblond ausgeblichen. Eine schmale, ein wenig spitz zulaufende
Nase, zartrosa weich geschwungene Lippen. Wenn sie lächelte oder
lachte, zierten ihre Wangen kleine Grübchen. Ihr schlanker Hals
ließ das Muskelspiel erkennen. Schmale Schultern, die bei mir
eine Art Beschützerinstinkt auslösten. Feingliedrige Finger,
denen ich zutraute, dass sie sehr zärtlich sein konnten. So wie
ich es ihr überhaupt zutraute, fürsorglich und anschmiegsam zu
sein. Ich schreckte aus meinen eigenen Fantasien hoch.
"Was ist?" Brit zuckte auch kurz zusammen und wirkte irritiert.
Ich fühlte mich, als sei ich in eine Falle geraten. Ich konnte
ihr ja wohl unmöglich meine Gedanken preisgeben. "Ach, nix
besonderes", versuchte ich noch halb abwesend zu sagen.
Doch die weibliche Intuition war selbst um diese Uhrzeit
anscheinend schon auf und vor allem - hellwach. "Sicher?", traf
es mich mit einem Augenaufschlag, der mich verunsicherte.
Ich ging nicht weiter darauf ein, weil ich um diese Zeit keine
Lust hatte, ihr Rede und Antwort zu stehen. Sie war mein Gast
und ich hier zu Hause. Redete ich mir zumindest ein.
"Ich hab's trotzdem gesehen", sagte sie nach einer ganzen Weile
halblaut.
"Wie? Was?", holte sie mich zurück. Meine Gedanken waren in den
vergangenen Minuten tatsächlich beim Tagesablauf gewesen. Jetzt
wusste ich im ersten Moment gar nicht, was sie wollte.
"Ich hab's gesehen", wiederholte sie nur.
"Was?", ich war mir keiner Schuld bewusst.
"Na ja, deine Blicke", und ihre Wangen bekamen wieder diese
niedliche rosa Färbung.
Ich schluckte. "Frauen!", schoss es mir durch den Kopf und
fühlte mich das zweite Mal an diesem Morgen nicht sonderlich
wohl in meiner Haut. Entweder war ich total aus der Übung oder
ein Vollidiot. Wohl eher ein Trottel. Außer "Schlimm?" fiel mir
auch nichts Passendes ein.
Sie lächelte. Sie lächelte mich einfach an, legte mir ihre Hand
kurz auf meinen Handrücken und schüttelte nur ganz sachte den
Kopf und ließ mich wieder los. Was hätte ich in dem Moment
gegeben, ihre Hand noch eine kleine Weile länger spüren zu
dürfen.
Irgendwie schämte ich mich ein wenig, sie heimlich betrachtet zu
haben. Andererseits genoss ich ihre Anwesenheit und natürliche
Schönheit. Ich mochte sie einfach gern anschauen. Warum also nur
verstohlen? Warum nicht einfach so? Ich tat es einfach. Was war
schon dabei? Sie beantwortete meinen Blick. So wie ich die
ihren, erforschte sie meine Augen. Bildete ich es mir etwa nur
ein? Doch dann legte sie wieder ihre Hand zurück auf meine.
Diesmal ganz weich. Sie strich mir sanft über meine raue Haut.
Es war keine Fantasie, wir näherten uns an und dann waren wir
dicht voreinander. Ein letzter fragender Blick von uns räumte
letzte Zweifel für diesen Moment aus. Sie schloss die Augen. Nur
eben berührten sich unsere Lippen. Ich war wie elektrisiert. Und
doch schenkte sie mir einen zarten Augenblick.
Wieder sahen uns wieder an. Diesmal anders. Ihre braunen
Seelenfenster glänzten im Schein der Lampe.
Ein lautes Krachen beendete abrupt unseren Hauch einer
Zärtlichkeit.
"Die Werkstatttür", sagte ich leise, "mein Altgeselle. Kurt
Friedrichs. Nicht erschrecken, wenn er gleich reingepoltert
kommt", konnte ich noch erklären, als die Tür aufging und sein
bassiges "Moin" wie eine hohle Bowlingkugel durch den Raum
rollte. "Moin", antwortete ich, doch Kurt blieb wie angewurzelt
in der Tür stehen. Er starrte Brit an, als würde E.T. persönlich
bei mir am Tisch sitzen.
Mit heftigem Kopfschütteln glotzte er mich blöd an und
blubberte: "Ich komm noch mal rein", weg war er; aber nur kurz,
um nochmals die Tür ganz vorsichtig aufzumachen und um die Ecke
zu schielen. "Moin", flüsterte er jetzt nur noch.
"Blöder Clown, du", lachte ich ihn an. "Brit, der ist so. Mach
dir nichts draus. Wenn der erst mal seine zehn Kilo in der Hand
hat, kann man mit ihm auch reden", grinste ich dreist in seine
Richtung.
"Sach an", und er sah uns wechselnd irgendwie irritiert aber
auch ebenso amüsiert an. "Du? Um die Uhrzeit? Mit ner Frau? Mit
ner hübschen Deern sogar?", zog er die Worte in seiner besten
Hamburger Manier durch die Küche.
"Kurt, halt die Klappe", ordnete ich mit leicht gelangweilter
Oberlehrerhaftigkeit an. "Hol dir nen Kaffee und setz dich hin.
Mach das, was du jeden Morgen machst. Hier sitzen, Kaffee
trinken und mir komprimiert den Inhalt der Bildzeitung erzählen.
Mach alles so, wie jeden Morgen. Geht das wohl?"
Er grinste wie ein Honigkuchenpferd. "Kloor. Dat lett sik
maken."
Es dauerte nicht lange und meine Mannschaft war versammelt. Kurt
setzte noch die obligatorische Kanne Kaffee auf und alle
warteten gespannt, dass ich nun was von mir gab. "Darf ich
vorstellen? Sie ist Brit. Renate ist krank und fällt bis
wenigstens kommenden Samstag aus. Lea hat Urlaub und ist seit
zwei Tagen bereits auf Korsika. Also hab ich sie gestern in
einer Art Eileinstellung engagiert." Ich konnte sehen, wie ihr
Tonnen Steine vom Herzen fielen. "Brit ist Glasmalerin, kommt
aus Osnabrück und macht hier eigentlich Urlaub", fügte ich nur
der Wahrheit wegen an.
Allein die Tatsache, dass sie so halb vom Fach war, ließ die
Gesichter sofort wesentlich entspannter aussehen. Meine
Mannschaft stellte sich selbst vor und ich räumte währenddessen
den Tisch ab. "So! Mädels, Jungs, ich bezahl euch nicht fürs
Quatschen. Und ab", wie jeden Morgen scheuchte ich sie aus der
Küche, wenn ich meine Tagesplanung an diesem Tisch
komplettierte. Nur Brit bekam ich da nicht unter. Sie konnte
eigentlich noch bis wenigstens Viertel vor neun ausruhen oder
lesen. Ich musste um acht los zur Bank und Wechselgeld holen.
Noch hatte ich über eine Stunde Zeit, meinen Bürokram zu machen.
"Danke", sagte sie leise, stand auf und gab mir einfach so ein
Küsschen auf die Wange. Auf meine Nachfrage, was sie jetzt
machen wollte, lächelte sie einfach entwaffnend und sagte:
"Bügeln."
Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. "Dann mach, wenn es
deine Erfüllung ist."
Der Tag flog buchstäblich dahin.
Einmal nur musste ich mit in den Verkaufsraum und ihr bei einer
Beratung zur Seite stehen. Die restliche Zeit hatte sie alles
allein bewerkstelligt. Selbst als ich zum Mittag in die Küche
kam, hatte sie irgendwie und irgendwann Essen gekocht. Aber
nicht nur für zwei Personen. Die ganze Belegschaft wurde
kurzerhand abgefüttert. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr
heraus. Selbst der Tagesabschluss der Kasse lag vorbereitet auf
dem Tresen.
Abends saßen wir recht abgekämpft im Wohnzimmer. "Na?", fragte
ich, "schaffst du das wohl die eine Woche?"
"Warum nicht? Das ist zwar was ganz anderes, aber es macht mir
wirklich viel Spaß." Ihre Antwort kam sehr ehrlich bei mir an.
"Warum meldet sich deine Schwester eigentlich nicht", das hatte
ich schon den ganzen Nachmittag vor, sie zu fragen.
Als hätte ich bei ihr einen Schalter umgelegt, verlor ihr
Gesicht jegliche Freude. "Sie hat mich auf dem Handy angerufen.
Und sie ist stinksauer, weil ich den Wagen habe. Aber das Geld
konnte sie mir nicht überweisen, weil sie ihre Unterlagen fürs
Onlinebanking natürlich nicht dabei hat. Wie es weitergeht, weiß
ich auch noch nicht." Sie sah nicht nur besorgt aus. "Ich hab
irgendwie Angst vor ihr." Und bei diesem Satz konnte ich es auch
sehen.
"Brit, ihr seid immerhin Schwestern. Da gibt es auch in dem
Alter manchmal Streit", versuchte ich einigermaßen besonnen zu
sagen. "Meine Schwester und ich sind auch nicht immer einer
Meinung. Das ist normal."
"Ja, das sagst du. Aber wir wohnen auch zu Hause in einer WG
zusammen. Und sie hat mir Sachen an den Kopf geworfen ... ich
weiß nicht, wie ... ", und wieder rollte eine erste Träne.
"Gibst du mir mal bitte dein Telefon?", bat ich ruhig. Auch wenn
mich das im Normalfall nichts anging, hier wollte ich versuchen,
als eine Art Mentor einzuschreiten. Wortlos reichte sie mir das
Handy. Aus der Anruferliste fischte ich mir den Namen raus und
rief an.
"Na du blöde Schnepfe. Komm gefälligst wieder her", keifte es
mir aus dem Apparat entgegen.
"Guten Abend", sagte ich betont ruhig und entspannt. Wie
erwartet, blieb es still auf der anderen Seite. "Ich denke, wir
sollten uns mal in Ruhe unterhalten", redete ich in meiner
gewählten Art weiter, "denn so ist das keine Basis."
Alena hatte sich wohl von diesem kleinen Schock erholt, denn sie
giftete sofort los: "Die kann mich hier aber nicht einfach
sitzen lassen. Die hat gefälligst ..."
"Gar nichts hat sie gefälligst", schnitt ich ihr das Wort ab.
"Denn so, wie du redest, ist es eher Gossensprache. Bitte sage
mir aus deiner Sicht, was zwischen euch vorgefallen ist. Deine
Schwester ist dabei völlig egal. Ich will deine Meinung. Die
aber sachlich. Bitte", forderte ich sie mit Bestimmtheit auf.
Was sie mir dann erzählte war im Prinzip nichts Neues. Nur eben
aus der anderen Perspektive. Die ganze Vorgeschichte mit dem
Freund erfuhr ich auch am Rande. Zwar gingen da die Ansichten
auseinander, aber ich konnte mir mein Bild machen. Als Alena mit
ihren teilweise trotzdem beleidigenden Äußerungen und
Erklärungen am Ende war, wollte ich wissen: "Wem von euch gehört
denn der Wagen?"
"Ihr. Ich hab kein Auto. Ich brauch auch keins. Ich hab noch
nicht mal einen Führerschein. Trotzdem ist das unfair", zickte
sie immer noch.
"In gewisser Weise ist das von Brit unfair, ja. Aber sie ist dir
aus dem Weg gegangen. Bezeichnend war für mich auch schon, wie
du dich am Telefon gemeldet hast. Klar, du bist sauer. Aber du
kannst nicht einfach über die Menschen bestimmen wollen, wie es
dir in den Kram passt. Weder über deine Schwester und schon gar
nicht über mich. Für deine Schwester ist der Urlaub eh gelaufen.
Du hast die Wohnung wahrscheinlich für den Rest der Zeit sowieso
für dich. Da ich weiß, wo die Wohnung liegt, kann ich dir sagen,
dass dort alle 20 Minuten ein Bus fährt. Zwar nicht bis spät in
die Nacht, aber du kannst fast überall hinkommen. Von meiner
Werkstatt und dem Laden hältst du dich besser fern. Ihr solltet
euch beide erst mal runterkühlen. Und komm nicht auf die Idee,
irgendwelchen Blödsinn anzustellen. Du bist erwachsen, also
verhalte dich auch so. In den nächsten Tagen melde ich mich
wieder. Solange ist Brits Telefon aus. Gute Nacht," beendete ich
das Telefonat, ohne auch nur noch eine Silbe von ihr hören zu
wollen. Wie angekündigt, schaltete ich das Handy aus. "Hier. Die
wird hoffentlich in sich gehen", reichte ich es ihr zurück.
"Ich glaube nicht", schniefte sie leise. "Die bringt es fertig
und fährt mit der Bahn nach Hause und schmeißt alle meine Sachen
weg." Wie ein Häufchen Elend hockte sie da.
"Na komm! Nun geht deine Fantasie aber wirklich mit dir durch."
"Nee, ganz bestimmt nicht!", und bei diesem Satz bekam sie einen
kalten Blick, der nichts Gutes erahnen ließ. "Vor Wut hat sie
schon mal mein Notebook genommen und es auf den Boden krachen
lassen. Nur, weil sie ihren Willen nicht gekriegt hat. Ich hatte
noch nicht mal was damit zu tun."
"Scheiße", rutschte es mir raus und ich begann, meine Gedanken
neu zu sortieren. "Warte eben", und holte mein Telefon aus dem
Büro. "Bist du sicher, dass sie das fertigbringt? Ganz sicher?"
Die Angst stand nicht nur in ihren Augen, als sie zaghaft
nickte.
"Und es kann nicht sein, dass ..."
"Die überfällt die blinde Raserei", heulte sie plötzlich los.
"Ich fürchte mich vor ihr, Stefan. Ich hab echt Angst."
Noch war ich einigermaßen wach, und mit ein paar Tassen Kaffee
würde das auch noch besser werden. Nachdenklich knetete ich mein
Kinn und meinte: "Ich lege dir jetzt einfach mal meine
Überlegungen aus. Ich glaube dir. Aber wir wissen nicht ob, und
wenn, wann es außer Kontrolle gerät. Es gibt derzeit wenig
Möglichkeiten, dein Hab und Gut zuretten. Außer, ich organisiere
jetzt ein paar Sachen und wir fahren in einer Stunde mit dem
Firmensprinter los. Dann könnten wir mitten in der Nacht in
Osnabrück sein. Wir könnten ein paar Stunden schlafen und dann
deine Sachen aus der Wohnung schaffen. Was hast du überhaupt?",
fiel mir zum Glück noch ein.
"Mein Zimmer. Bett, Schrank. Eben, was in einem Zimmer so drin
ist. Der Rest gehört Alena. Ich hab ein Zimmer, sie zwei. Bad
und Küche ist nicht viel. Aber wo willst du damit hin?"
"Tja, das ist eben das Problem", stöhnte ich weiter grübelnd und
schlug das vor, was mir so spontan in den Sinn kam: "Nachbarn?
Deine Eltern? Oder ..."
"Vergiss die Nachbarn", schluchzte sie verzweifelt, "und unsere
Eltern wohnen in Passau."
"Was ist denn wirklich wichtig von dem, was du hast." Jetzt
wollte ich es genau wissen.
"Meine Anziehsachen, Notebook und Drucker. Bettzeug. Um die
Matratze wäre es schade. Die ist fast neu", und sie zählte die
Liste weiter auf.
Ich änderte meinen Plan. "Brit, nun beruhige dich doch erst mal.
Alena wird noch schmollen - oder zur Besinnung kommen.
Jedenfalls fährt heute kein Bus mehr bei ihr. Eine Taxe kostet
bis nach Eutin wenigstens 80 Euro. Wir machen Folgendes. Wir
fahren morgen früh zu deiner Schwester. Aber mit meinem Wagen.
Dann werde ich sie mir noch mal Aug in Aug zur Brust nehmen.
Sollten wir sie morgen nicht antreffen, können wir mit dem Wagen
los und sehen, was wir retten können. Jetzt noch aufbrechen, nur
auf einen Verdacht hin, ist mir zu wage. Reicht das für dich?"
Ich vermutete, ihr war in dieser Situation alles recht. Verstört
kauerte sie mit angezogenen Beinen im Sessel und rieb fröstelnd
über ihre Arme. "Komm, Brit, lassen wir es nicht zu spät werden.
Morgen der Tag kann lange dauern."
Nach dem Frühstück erklärte ich meinen Angestellten die
veränderte Situation. Stefanie würde sich um den Laden kümmern.
Die anderen hatten ihre Aufgaben. Gegen neun fuhren wir los und
trafen Alena an, als sie gerade den Tisch abräumen wollte.
"Da bist du ja endlich!" Wie eine speiende Cobra fuhr sie ihre
Schwester ohne ein freundliches Wort einer Begrüßung an.
"Brit. Du gehst bitte sofort wieder in den Wagen!", ordnete ich
an und trat ohne Einladung in die Wohnung, schob Alena einfach
auch hinein und schloss die Tür. "So, jetzt reden wir mal
Tacheles", drückte ich sie auf ihren Stuhl am Frühstückstisch.
"Wie du mit deiner Schwester umgehst, ist nicht normal. Hast du
irgendein Problem?"
"Die brauch jemanden, der ihr sagt, wo es langgeht. Die kann
doch nix alleine."
"Das ist nicht DIE sondern immer noch Brit. Klar?", wurde ich
jetzt laut. "Dann lass mich mal hören, was sie nicht kann."
"Ach, Brit ist nur lieb. Solange es Hausarbeit ist oder um ihre
Glasmalerei geht, klappt alles. Den Rest muss ich machen. Da
kommt sie mit nichts zurecht. Dann muss ich immer alles für sie
machen. Sowas eben alles", maulte sie mürrisch und sprühte schon
fast wieder zornig.
"Also ein blondes Dummerchen in deinen Augen", provozierte ich
sie direkt.
"Ich bin auch blond. Aber nicht doof", rechtfertigte sie sich.
"Ich hab nicht gesagt doof, sondern dumm", stelle ich klar.
"Nee, aber ...", wollte sie gerade wieder explodieren.
"Hör zu, Alena", erstickte ich ihren Ausbruch im Keim, "ihr seid
beide auf hundertachtzig. Jede für sich. Ich halte es wirklich
für eine gute Lösung, wenn du dich hier wieder auf ein Normalmaß
runterschraubst. Brit kühle ich bei mir ab. Mit Arbeit. Wenn ihr
euch jetzt zusammen aussprechen wollt, wird alles nur noch
schlimmer. Lasst euch drei oder vier Tage Zeit. Die Andere nicht
sehen und nicht hören. Auch möglichst nicht an sie denken. Mach
einfach dein Ding; was auch immer du machen willst. Du bist hier
einigermaßen mobil und kommst überall hin. Ich biete dir auch
an, dass wir beide zusammen einen Tag lang irgendwo hinfahren.
Ich will nichts von dir und auch nichts von Brit. Kannst du dir
vorstellen, dass es etwas Ruhe in die Sache bringt, bevor wir
uns dann zu dritt an einen Tisch setzen?" Ich hatte sie zwar
bevormundet, aber es erschien mir momentan die einzige
Möglichkeit zu sein, sie irgendwie miteinander zu versöhnen.
Aber ich hatte sie belogen. Doch ich musste diese Notlüge
benutzen.
"Ja", antwortete sie kleinlaut. "Ja. Ich denke, das ist eine
gute Idee."
Ich versuchte ihr in die Augen zu sehen, sie wich jedoch aus.
Darum hakte ich nochmals nach: "Alena. Wirklich? Und du
versprichst mir, keinen Blödsinn anzustellen?"
"Ja", aber meinem Blick hielt sie immer noch nicht stand.
"Gut. Dann fahre ich jetzt wieder zurück und wir treffen uns am
Samstag. Ich hole dich ab. Wenn du vorher mit mir reden willst,
ist hier meine Mobilnummer." Zum Abschied reichte ich ihr die
Hand, doch sie ging nur widerwillig darauf ein.
"Wir fahren", sagte ich fest überzeugt, als ich zu Brit in den
Wagen stieg.
"Wohin?" Sie hatte sich noch nicht beruhigt, wirkte verstört und
ängstlich.
"Nach Osnabrück. Ich traue ihr keinen Meter über den Weg.
Entschuldige, wenn ich das so sage, aber sie ist mir nicht
geheuer. Hast du deine Schlüssel dabei?"
"Ja, ich hab alles. Aber was ist mit deiner Arbeit? Das geht
doch vor", sorgte sie sich.
"Zerbrich dir nicht meinen Kopf. Ich kann auch noch abends
arbeiten. Ich störe höchstens nur dich, doch damit musst du dann
mal ein paar Tage leben. Mach dir lieber Gedanken, wo in deiner
Nähe ein Baumarkt ist. Wir brauchen Umzugskartons. Du kannst
deine persönlichen Sachen alle hier reinkriegen, davon bin ich
überzeugt. Auf deine Möbel musst du dann mal verzichten", legte
ich ihr weiter aus, während ich zielstrebig die Autobahn
ansteuerte.
Viel redeten wir nicht mehr, obwohl die Fahrt lang war.
Glücklicherweise floss der Verkehr auch in den Baustellen zügig.
Am Zielort loste sie mich direkt vor einen Heimwerkermarkt und
wir erstanden ein Zehnerpack Kartons. Noch auf dem Parkplatz
baute ich den Wagen zu einem geräumigen Lastesel um. Wenige
Handgriffe, und die drei Einzelsitze waren weggeklappt.
Eine recht freundliche Wohnung erwartete mich. Dass hier nur
Mädchen lebten, sah sogar ich auf den ersten Blick.
Geschmackvoll und über all verspielte Dekoration. Doch ich
konnte es nicht genießen und trieb Brit zur Eile an. Ich hatte
keine Begründung; einfach das, was man bezeichnete, es im Urin
zu haben. Während sie besonnen und doch zügig packte, schleppte
ich die Matratze ins Auto. Bei etwas über zwei Meter Ladelänge
in meinem SUV war das zum Glück kein Problem. Vorsichtshalber
spannte ich das Gepäcknetz hinter den Vordersitzen und konnte
die ersten Kartons runterwuchten. Schlag auf Schlag ging es
zügig voran. Nach etwas über einer Stunde standen nur noch die
Möbel im Zimmer.
Ich musste an meinen Ausdruck "Dummerchen" denken. Dabei war sie
wirklich lieb. Das sagte ja auch ihre Schwester; meinte das aber
sicherlich nicht so, wie ich es empfand. Brit war intelligent,
stets um andere besorgt und lieb; sich selbst hielt sie zurück.
Dazu war sie einfach das, was ich mir unter meiner Traumfrau
immer vorgestellt hatte. Nicht nur an den Äußerlichkeiten machte
ich das fest. Wenn sie in meiner Nähe war, war es irgendwie ein
wenig wärmer.
Ich schleppte weiter Kartons und suchte einen Weg, ihr etwas
Freundliches zu sagen, aber in der Situation konnte ich es
nicht. Es kam mir jedoch dann vor, sie auszunutzen oder die
Situation auszunutzen. Vielleicht ergab sich ja eine Möglichkeit
in ein paar Tagen, wenn etwas Ruhe eingekehrt war. Ihre letzten
Teile verschwanden im letzen Karton. Maßarbeit. Noch zwei
Klappkörbe mit etwas persönlicher Deko und sie war fertig.
Sprichwörtlich.
"Das hab ich mir gedacht", keifte eine bekannte Stimme hinter
mir, als ich gerade die Kofferraumklappe zumachte. "Heimlich die
Bude leerräumen!"
"Moment", stellte ich mich ihr in den Weg, "du hast mir
versprochen, keine Sachen zu machen. Aber du konntest mir ja
noch nicht einmal in die Augen sehen. Darum bin ich mit Brit
los. Und wie ich sehe, hat mich mein Gefühl nicht getäuscht."
"Ich bin nur los, weil sie mir in der Werkstatt sagten, du wärst
den ganzen Tag weg. Und Brit wäre mit dir weg. Da gab es nur
diese eine Möglichkeit", schrie sie mich zornig an.
Aus ihrer Handtasche lugte eine Ecke der Fahrkarte. Ehe sie auch
nur reagieren konnte, hielt ich das Stück in der Hand. "Und was
ist das?", zielsicher zeigte ich auf das Verkaufsdatum.
"Gestern!", schnaubte ich wütend, "gestern hast du dir schon die
Karte gekauft und wolltest uns heute in Sicherheit wiegen.
Hinterlistig und heimtückisch bist du. Berechnend. Deswegen
konntest du mir heute auch nicht in die Augen sehen und mir
nicht wirklich die Hand geben. Alena, das war's ja dann wohl."
Abfällig warf ich die Karte zu Boden und drehte mich um.
"Bleib hier, du Miststück", zeterte sie schreiend, griff
augenblicklich nach Brit und zerrte an ihr herum.
Jetzt platzte mir der Kragen. Auch wenn ich bisher meine Kräfte
gut im Zaum hatte, ein Schmid konnte nicht nur zuschlagen. Der
konnte auch beherzt zupacken. Und ich packte zu. Während ich
Alena auf Abstand hielt, flüchtete Brit ins Auto. Noch ein
letztes Mal nahm ich mir dieses Scheusal ganz dicht vor Augen:
"Ein Ton noch oder eine Handbewegung gegen deine Schwester oder
mich und du wirst es bitter bereuen!", knurrte ich sie leise an,
"sehr bitter. Und wage es ja nicht, irgendwelche Sachen von ihr
anzufassen!" Ich stieß sie von mir weg und stieg ebenfalls zügig
ein. Der Fausthieb, der mein Auto treffen sollte, schlug ins
Leere.
Ich fuhr einfach drauf los. Neben mir saß ein heulender und
völlig aufgelöster Engel. Doch noch musste ich zusehen, außer
Reichweite zu kommen. Ein paar Straßenecken reichten da nicht
aus. Stur folgte ich den Anweisungen meines Navigationssystems.
Rauf auf die Autobahn und sofort den erst besten Parkplatz
wieder runter. Ich schoss aus dem Auto und zerrte Brit fast
heraus. Ich musste sie in die Arme nehmen, ihr Halt und
Geborgenheit geben. Ihr einfach zeigen, dass nun alles in ihr
zur Ruhe kommen konnte. Sie hatte ein Teil ihres Lebens
dagelassen. Aber das waren nur Sachen. Ihre Seele, die musste
jetzt lernen, dass diese Tyrannei ein Ende hatte. Nur sehr
langsam fand sie ihr Gleichgewicht. Wortlos standen wir die
ganze Zeit da. Und ebenso schweigsam stiegen wir auch wieder
ein. Vielleicht ahnte sie ja, was ich für sie empfand. Sie jetzt
aber auch noch damit zu überschütten, das konnte ich nicht.
Als wir bestimmt schon über hundert Kilometer gefahren waren,
kam ein ganz leises "Danke" bei mir an. Ich sah kurz zur Seite
und ich sah meine Brit lächeln. Seit geraumer Zeit stumm und
dann dieses liebe Lächeln. Ich tastete nach ihrer Hand und
führte sie zu meinem Mund. Auf jede Fingerkuppe gab ich ihr
einen kleinen Kuss. Worte traute ich mich nicht, zu sagen.
Sie war ruhiger geworden. "Aber was mache ich mit meiner
Arbeit?", fragte sie mit einem Male unvermittelt. "Irgendwann
ist doch mein Urlaub zu Ende."
"Tja Brit", wie sollte ich ihr helfen? "Lass doch jetzt einfach
die Zeit ins Land gehen. Mach dir doch nicht schon wieder neue
Gedanken", riet ich ihr und tastete noch einmal nach ihrer Hand.
"Wie sieht es aus mit einem Kaffee und einem Happen essen? Da
vorn kommt eine Raststätte", mir knurrte wirklich der Magen und
erste Müdigkeit setzte nach all der Anspannung auch ein.
"Oh ja. Was essen wäre nicht verkehrt."
Wir fuhren raus. Einen Moment saßen wir noch schweigend im Wagen
und sahen uns an. Braune Augen, die unermessliche Wärme und Güte
ausstrahlten, erforschten mein Gesicht. Suchten sie etwas darin?
Als würden wir uns ohne Worte verstehen, stiegen wir beide aus.
Ich war mir nicht sicher, ob ich es durfte, doch ich wollte ihr
wenigstens zeigen, dass ich mich als ihre Stütze anbot. Zart
aber bestimmt ergriff ich wieder ihre Hand und drückte sie
sanft.
Plötzlich blieb sie stehen und hielt mich schweigend zurück.
Wieder sah sie mich mit diesem Blick an, der mich so tief
berührte. "Ich mag dich, Stefan."
Sie sagte diese Worte mit einer Zärtlichkeit, dass es mir die
Sprache raubte. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Nur ein
Schritt und ich stand dicht vor ihr. Wir wussten es beide in
diesem Moment. Es war nicht nur ein Mögen. Aber wir hatten
vielleicht noch Scheu, es uns zu sagen. Ob es daran lag, dass
wir uns erst so kurz kannten? Wir uns sicher waren, es aber doch
für eigentlich unmöglich hielten nach so kurzer Zeit? Vorsichtig
schloss ich sie in meine Arme. Sie aber klammerte sich fast an
mich. Mir war klar, dass das alles noch in ihr arbeitete. Aber
das war es nicht allein. Wir sahen uns noch einmal kurz an und
unsere Lippen verschmolzen.
Kurz bevor wir wieder einstiegen, umarmte ich sie noch einmal,
diesmal fester. Ich war mir sicher. Es war keine Liebelei, kein
Mitleid, kein Beschützerinstinkt. Sie schaute mich abwartend,
aber auch immer noch ein wenig verängstigt an. Ich zögerte und
doch musste ich es ihr jetzt sagen. "Brit, ich mag dich nicht
nur. Ich habe mich ... verliebt ... in dich", und verschloss
ihren sinnlichen Mund mit einem weichen Kuss.
Als wären wir eins geworden, standen wir eng beieinander. Nur
sehr langsam versiegten ihre Tränen. Doch wir ließen uns nicht
los, küssten uns wieder und wieder.
Brit sog erbebend die Luft ein und blickte mich innig verliebt
an. "Ich hab dich auch sehr lieb, Stefan. Lass uns weiter
fahren", sie stockte kurz und ihre Augen verrieten wieder etwas
Unsicherheit. Trotzdem sagte sie leise: "Lass uns nach Hause
fahren, Stefan."
Ich musste schmunzeln, aber ich fühlte, dass es mein zu Hause
ist und das ihre werden konnte, wenn sie die zurückliegende Zeit
verarbeitet hatte. "Brit, du bist Willkommen", ließ ich sie
weich wissen und öffnete die Tür, um sie einsteigen zu lassen.
Noch lagen einige Kilometer und sicherlich anderthalb Stunden
vor uns. Sie war aber immer noch sehr schweigsam. Ab und an sah
ich zu ihr, doch sie wirkte fast ein wenig verträumt. Hin und
wieder trafen sich unsere Blicke. Irgendwann war ihr Kopf ein
wenig zur Seite geneigt und sie eingeschlafen. Ein friedliches
Bild. Und selbst jetzt noch strahlte sie Sanftmut und Wärme aus.
Ich hatte es nicht mehr eilig und klemmte mich kurz vor Lübeck
einfach hinter einen LKW. Wir kamen sowieso erst nach
Ladenschluss zu Hause an. Ich stockte bei dem Satz; "zu Hause",
holte ich es mir noch einmal ins Bewusstsein. "Wir werden zu
Hause sein", dieser Satz hämmerte plötzlich in meinem Schädel.
Sehr behutsam fuhr ich das letzte Stück Landstraße und bog im
Schritttempo auf den Hof. Mir verschlug es fast die Sprache.
Alle Angestellten waren noch da, obwohl sie seit Stunden
Feierabend hatten. "Schau mal", küsste ich sie wach. "Willkommen
bei uns zu Hause", flüsterte ich und musste einfach noch einmal
ihre weichen Lippen liebkosen.
Verschlafen blinzelte sie mich aus kleinen Augen an. "Das hast
du schön gesagt", schnurrte sie leise und beantwortete meinen
Kuss.
Meine, unsere Haustür ging auf und die Mannschaft starrte wie
gebannt zu uns.
Noch einmal tauschten wir eine kleine Zärtlichkeit aus.
Kurt stapfte auf den Wagen zu und machte die Heckklappe auf.
"Wurde ja auch Zeit", kam sein Geblubber durch Kartons gedämpft
bei uns an.
Wie ein Blitz sprang sie plötzlich aus dem Wagen und flitzte
nach hinten. "Was wurde Zeit, Kurt?", stellte sie ihn resolut
zur Rede.
Ich war überrascht, dass sie auch so sein konnte. So zierlich;
und dann solch ein Auftreten.
"Na ja", wirkte er für einen Atemzug erschrocken, "dass ihr nach
Hause kommt", und dann hörte ich ihn lachen. Kurz darauf quiekte
Brit auf und er rief laut: "Mädchen, du gehörst doch hierher!
Glaubst du, ich bin blöd!?" Nur wenig später stapfte er mit zwei
gestapelten Kartons auf dem Arm ins Haus. Alle packten mit an
und waren danach verschwunden.
Kurt hatte man noch nie etwas vormachen können. Er war ein
ungehobelter, aber umso liebenswürdigerer Holzklotz. Seine Frau
hatte manchmal auch ihre liebe Not mit seiner Art, aber sie
hielt es schon über dreißig Jahre bei ihm aus. Man konnte ihm
auch nie böse sein. Er war einfach so.
Ein sehr ereignisreicher Tag war zu Ende und wir sehr früh nach
einem schnellen Abendbrot auf dem Weg ins Bett. Im Vorbeigehen
zu meinem Schlafzimmer musste ich feststellen, dass von den drei
Wannen Bügelwäsche nicht ein Stück mehr übrig war. Und als ich
die Tür aufmachte, lagen da fein säuberliche Stapel auf meinem
gemachten Bett, die nur darauf warteten, in meinem Schrank zu
verschwinden. Einmal mehr war ich nur überrascht. "Dummerchen",
kam es mir wieder in den Sinn und ich musste den Kopf schütteln.
Sie war alles, aber das niemals.
Am nächsten Morgen war das Frühstück wieder fertig und Brit
angezogen, als ich in meinem Tran in die Küche schlurfte, um den
Kaffee anzusetzen.
"Langsam solltest du es gelernt haben", lachte sie mir liebevoll
entgegen. "Mach dich fertig, ich warte auf dich", umarmte mich
flüchtig und gab mir einen Kuss auf die Wange.
"Brit, du bist einmalig", musste ich lachen.
"Das hoffe ich doch", und dann sah sie mit einem Male wieder
traurig aus.
"Nein!", jetzt nahm ich sie ganz fest in die Arme. Ich konnte
ihre Gedanken lesen. "Das ist vorbei. Du bist einmalig. Du bist
du und Alena ist Alena. Ihr seid zwei völlig verschiedene
Menschen. Auch wenn euch Äußerlichkeiten verbinden - Du bist
du." Sanft küsste ich sie auf die Stirn. "Lass dich nicht mehr
davon beeinflussen. Wie sie jetzt ihr Leben lebt, muss sie
wissen. Wenn du ... dein Leben ... hier ... mir ...", durfte ich
das überhaupt aussprechen?
"Stefan, ich möchte, ja. Aber jetzt mach dich bitte fertig und
lass mir noch die paar Minuten." Liebevoll schickte sie mich
nach oben.
Unser Tag begann wie der vorherige. Nur, dass auch meine
Haushaltshilfe Ruth mit am Tisch saß. Bevor ich überhaupt was
sagen konnte, hatte Kurt sie schon mit den Worten: "Ruth, bliv
ruhig. Dat is Brit, Ben sin Fründin, 'n seuten Meeken",
empfangen. Damit war das ebenfalls geklärt.
Nachdem die Leute ihre Arbeit aufgenommen hatten, fragte mich
Brit: "Warum nennen dich eigentlich alle Ben?"
"Ganz einfach, weil mein zweiter Vorname Benjamin ist. Zwar ist
der Rufname Stefan, aber seit je her sagen alle Ben. Wer das mal
angefangen hat, weiß ich auch nicht."
"Ja dann, Ben", lachte sie mich an, gab mir noch einen schnellen
Kuss und meinte: "Los, du wirst hier nicht fürs Rumsitzen
bezahlt. Dein Büro wartet."
Doch ich hielt sie noch einen kurzen Moment zurück. "Bleib bitte
nochmal sitzen. Ich möchte gern was mit dir besprechen." Und
schlagartig stand wieder eine leichte Panik in ihrem Ausdruck.
"Bitte sieh mich nicht immer so an. Ich will dir nichts. Du
musst vor mir keine Angst haben. Ich möchte dich nur um etwas
bitten."
"Stefan, das braucht noch etwas", klang es dennoch unsicher.
"Ist gut. Es ist sehr lieb, dass du dich so um mich sorgst. Aber
meine Leute haben ihr Mittag dabei. Außerdem kostet das auch
Geld, was ich verdienen muss. Du darfst dich hier gern einleben
und auch zum Mittag kochen. Aber wenn du es eher zum Abend
schaffst, ist es unser aller Trott. Ich kenne das nicht anders.
Ich hab mir immer erst was am Abend gekocht."
Sie setzte sich aufrecht hin und nahm mich direkt ins Visier.
Ihre Furcht war verflogen und hatte einer Bestimmtheit Platz
gemacht, die mich sehr erstaunen ließ: "Dann werden sich ab
heute zwei Dinge in deinem Leben ändern. Ich kaufe ein und koche
mittags. Ich habe deine Vorräte gesehen. Gesund hast du bisher
nicht gelebt."
Ich konnte nur nicken. Sie hatte ja recht. Dosen und
Tiefkühlkost war nicht unbedingt das Optimum. Aber ich
verteidigte mich trotzdem. "Salat hab ich mir jeden Tag frisch
gemacht."
"Den Salat hab ich auch gesehen", verdrehte sie die Augen.
"Deine Kaninchen haben den aus dem Käfig gescharrt."
"Woher weißt du, dass und vor allem wo ich Kaninchen habe?", war
ich mehr als erstaunt.
"Hallo? Als ich auf meinem Zimmer gebügelt habe, hab ich die
Ställe gesehen", lachte sie. "Du kennst dein Haus wohl nicht
sonderlich gut?", setzte sie neckend nach.
"Ja ja. Schon gut", erhob ich meine Hände und gab mich
geschlagen. "Dann mach ich mich mal an die Arbeit. Komm aber
bitte nicht auf die Idee, Ruth arbeitslos zu machen. Das wäre
dann auch meine einzige Bitte heute." Ich stand auf und ging ins
Büro.
Und kaum, dass ich dort saß, stand sie auch schon wieder in der
Tür. Mit einem leichten Singen in der Stimme meinte sie: "Deinen
Kaffee hast du vergessen", und stellte mir den Becher auf den
Schreibtisch. Plötzlich saß sie auf meinem Schoß und hatte ihre
Arme um meinen Nacken geschlungen. Mein Herz tat einen Sprung.
Kurz musterte sie mich wieder; liebevoll, sehnsüchtig und sprach
mit weicher Stimme: "Ich mach das gern für dich und für uns.
Wenn du es so willst, kümmere ich mich diese Woche hauptsächlich
erst einmal nur um das Geschäft. Nächste Woche ist deine
Schwester hoffentlich wieder da. Doch dann möchte ich mich mehr
um den Haushalt kümmern. Es reicht nicht, dass Ruth nur einmal
in der Woche hier ist. Wenn es tatsächlich das ist, wovon ich
hoffe, dass es das ist, möchte ich nicht nur neben dir leben.
Stefan, ich möchte mit dir leben. Ich weiß, das ist alles sehr
schnell gegangen in den letzten Tagen und Stunden. Doch ich weiß
auch, dass ich dich nicht mehr hergeben möchte, egal, was auch
passieren mag. Ich liebe dich nicht nur. Ich will dich. Für
immer."
Noch bevor ich darauf etwas antworten konnte, verschloss sie
meinen Mund mit einer Leidenschaft, die ich ihr bis dahin nicht
zugetraut hatte. Als hätte sie die inneren Ketten gesprengt,
drängte sie sich begierig an mich. Ich hatte gar nicht den Mut,
sie ebenfalls so stürmisch zu umarmen, aber ihr Feuer sprang nur
Sekunden später auf mich über. Für eine kleine Weile ließen wir
diesen Flächenbrand sich unkontrolliert ausbreiten.
Wir sahen uns wieder an. Ich meinte fast, die lodernde Glut in
ihren Augen zu erkennen. "Brit", raunte ich noch leicht
benommen, "du machst das schon alles richtig." Noch einmal
küsste ich sie zart, dann holte uns der Alltag ein. Das Telefon
klingelte.
Der Tag war anstrengend. Ich musste meine Kunden mit der
Auftragsarbeit vertrösten. Die gestrige Zeit aufzuholen war
nicht machbar. Zwar murrten sie, doch mit einem Preisnachlass,
der mir nicht wehtat, stimmte ich sie wieder gnädig. Stunde um
Stunde stand ich an der Esse und dem Amboss. Das liebevoll
angerichtete Essen schlang ich nur so rein, damit ich nicht noch
mehr Zeit verlor. Obwohl schon längst alle gegangen waren, stand
ich nach acht immer noch in der Werkstatt. Mehr Zeitverzug
konnte ich mir einfach nicht leisten. Doch auch ich hatte meine
Grenzen. Gerade legte ich die Schürze ab, als Brit nach dem
Rechten sah.
"Ich dachte schon, die hätten dich hier in Eisen gelegt",
lächelte sie mich an. "Abendbrot ist fertig."
Sie sagte das wieder mit einer Selbstverständlichkeit, dass es
mir schon fast peinlich war.
"Ist was?", sie musste meine Gedanken wieder einmal mehr geahnt
haben, denn mein "weiß nicht" ließ sie nicht durchgehen.
"Stefan", und sie nahm mich, so schmierig und dreckig, wie ich
war, einfach in den Arm, "alles ist in Ordnung. Ich sage es dir
auch noch einmal. Ich möchte für dich da sein. Und ich wünsche
mir sehr, dass du auch für mich da bist."
Unser Abend war kurz und mir fielen auch fast die Augen zu. Ich
wollte nur noch unter die Dusche und dann ins Bett. Doch sie
sagte, ich müsse noch zwei Faxe im Büro durchsehen. Die wären am
späten Nachmittag gekommen. Also trottete ich mit meinem heißen
Tee ins Büro und machte Licht. Adrenalin pur schoss mir durch
die Adern. Ich erkannte meinen Schreibtisch nicht mehr wieder.
So aufgeräumt war der noch nie. Und auf der frisch polierten
Lederunterlage lag auf einer roten Serviette ein Herz aus Glas,
dazu ein feingliedriges Metallkettchen. Daneben ein einfaches
Blatt Papier. In geschwungener Handschrift las ich: Mein Herz
ist sehr zerbrechlich. Die Kette kann es halten - oder aber
gefangen nehmen. Sie kann es an dich binden - oder aber
zerstören. Es liegt an dir. Ich lege dir mein Herz in deine
Hände. Ich liebe dich wirklich von ganzem Herzen. Brit
Ich ließ mich langsam in den Stuhl gleiten. Mein Blick
verschwomm. Ihre Worte vom Morgen wurden wieder lebendig, sie
bekamen eine ganz neue Bedeutung. Ich musste den Becher
hinstellen und mir die Augen reiben. Das, was ich da las, war
nicht nur eine Liebeserklärung. Vorsichtig nahm ich das Herz in
die Hand. Und erst dann entdeckte ich das, was uns
zusammengeführt hatte. Eingelassen in der Mitte dieses Herzens
war der Splitter, den ich ihr entfernt hatte. Von der Brust,
hinter der ihr Herz auch für mich schlug. Ich konnte nicht mehr
hier nur sitzen. Bedacht legte ich es zurück und sauste in die
Küche, doch sie war schon nicht mehr dort. Auch im Wohnzimmer
nicht. Mit großen Sprüngen nahm ich drei Stufen der Treppe auf
einmal und lauschte, als ich oben war. Doch auch im Bad schien
kein Licht mehr. Mit pochendem Herzen klopfte ich an ihre Tür,
doch es blieb stumm. Wo war sie? Wo war meine Brit, die mir das
anvertraute, was ich nicht mehr hergeben wollte? In jedes Zimmer
sah ich, bis ich zuletzt meine Schlafzimmertür öffnete.
Das zweite Bett war bezogen. Und darin schlummerte - Brit,
eingekuschelt in ein Daunenbett. Wie Goldfäden schimmerten ihre
Haare auf dem Kopfkissen. Auch wenn ich immer noch nicht
umgezogen war, schlich ich zu ihr und küsste sie. Ein leises
Knurren und ihr "geh duschen und komm ins Bett" war Aufforderung
genug.
Ich kam aus dem Bad ins Zimmer und nur noch meine
Nachttischlampe war an. Leise schlich ich zu meinem Bett und
suchte meinen Schlafanzug. Und wieder knurrte sie: "Leg dich hin
und mach Licht aus." Mir rauschte vor Aufregung das Blut in den
Ohren. Mein Puls dröhnte wie donnernde Trommelschläge.
"Gute Nacht", flüsterte ich in die Dunkelheit, doch das Beben in
meiner Stimme konnte ich nicht unterdrücken.
Es raschelte auf meinem Laken, kurz darauf erreichten mich
weiche zarte Finger und umfassten mein Handgelenk. Sie deuteten
an, nicht so weit wegzubleiben. Nur sehr zaghaft ließ ich mich
von ihnen führen. Ein Schauer der absoluten Erregung rauschte
mir den Rücken herunter, als ich ihre Haut berührte. Nicht
irgendwo. Sie hatte meine Fingerspitzen zu ihrer linken Brust
geführt, meine Hand ganz über diesen weichen Hügel gelegt. Ihr
Herz schlug heftig von innen dagegen. Der eben noch samtige
Gipfel brachte die kleine Knospe hervor. Sie legte ihre Hand auf
die meine und drückte sie unter genussvollem Brummen fest
darauf. Mir wurde bange.
Verlangend gurrte sie: "Ich sag dir schon, wenn es wehtut.
Fester", und erschauderte wohlig, wie ich ihr Fleisch walkte.
Ihr Wunsch nach mehr hatte die Glut vom Morgen zu einem erneuten
Feuer entfacht. Und auch mich setzte sie augenblicklich in
lichterlohe Flammen.
Ich verließ ihre Brust, legte meine Hand auf ihren Rücken und
zog sie zu mir; ebenso kam ich ihr auch entgegen. Unsere Münder
fanden im Dunkeln zueinander. Ein brennender Kuss; heiße Zungen,
die miteinander rangen. Glühende Hände, die den anderen Körper
nahe dem Siedepunkt brachten. Schnaufend pressten wir uns
aneinander, umklammerten uns; und doch gönnten wir uns mit
Fingerspitzen und Krallen jede Zärtlichkeit.
Langsam strich ich ihren Rücken hinab, knetete sie oder
verwöhnte nur mit meinen Fingerspitzen, brachte ihre Gefühlswelt
mehr und mehr in Wallung. Fast hechelnd ging ihre Atmung. Als
würde sie um Erlösung flehen, mischte sich ein leises Wimmern
darunter. Wie eine Raubkatze krallte sie sich an meinen
Schulterblättern fest. Ihr Körper schüttelte sich. Ich hatte das
Ende ihres Rückens erreicht, zog meine Fingerkuppen durch die
kleine Kuhle am Ende der Wirbelsäule und breitete meine Hand
streichelnd ihr über ihre Backen aus. Mit leichtem Druck presste
ich sie gegen mich, ließ ihr Raum, sich an mir zu reiben. Meine
Härte drückte uns gegen die Bäuche. Ihren flauschigen Schatz
scheuerte sie immer gieriger daran. Ich war bis zum Bersten
gespannt. Die Lust, es endlich zu spüren, war schier unendlich
und zum Greifen so nah. Meine Hand verließ ihren festen Po,
wieder zog ich nur meine Fingerspitzen über die kleine
Vertiefung, als ich ihren Oberschenkel erreichte. Sie winkelte
das Bein an, legte es auf mein Becken und ließ den Fuß hinter
meine Kniekehle fallen.
"Fass mich an", presste sie stöhnend aus. "Fühl mich. Nimm
mich!"
Sanft streichelte ich mich auf die Innenseite, näherte mich
ihrem Schatz. Erster Flaum, weiche Härchen, feuchte weiche
Haare. Daunenweich. Ich ließ meine Finger über ihre Lippen des
höchsten Genusses gleiten und verharrte eine kurze Weile. Nur
mir gönnte ich diese Berührung. Doch ich merkte, wie sie ihr
Becken nach hinten schob, mir Raum gab, sie endlich zu fühlen,
sie zu berühren, zu verwöhnen. Ein Finger versank zwischen den
samtenen Wölbungen der Lust. Sie gaben bereitwillig nach,
empfingen ihn, die Stelle zu liebkosen, aus dem ihr Quell floss.
Sie erbebte, als ich über die Stelle des letzten Geheimnisses
strich. Doch mein Ziel lag noch nicht hier. Ekstatisch schrie
sie auf und zuckte in höchster Erregung, wie ich ihre kleine
Perle erstmals berührte. Hingebungsvoll umgarnte ich dieses
kleine Ende, entlockte ihr neue Töne.
"Komm in mich", presste sie zitternd aus, "ich will dich. Ich
will dich jetzt!"
Ich fasste zwischen ihren Beinen durch, entfernte mich ein
kleines Stück von ihr und ließ meine Eichel durch ihre Nässe
fahren. Plötzlich nahm sie ihr Bein wieder zurück und klemmte
meine Männlichkeit ein. Mit sanftem und doch energischem Drängen
rollte sie mich auf den Rücken und kam auf mir zu liegen. Sofort
weitete sie sich wieder, stützte ihre Knie neben mir ab und
dirigierte meine Spitze nur mit ihrem Becken vor ihre verborgene
Rose. In kleinen Stößen presste sie leise gellend ihre Geilheit
raus, als sie mich einließ, ich sie fast Millimeterweise
ausfüllte. Ihren Mund gegen meine Schulter gedrückt, quiekte sie
im Takt ihres rasenden Atems. Doch sie schob sich selbst tiefer.
Meine Furcht, ich könnte ihr mit meiner Größe Schmerzen
bereiten, verflog im Nu. Doch dann wehte sie plötzlich, riss
ihren Kopf hoch. Ein verzerrtes "AH! AU!" füllte den Raum.
Ich wagte kaum noch zu atmen, dabei war ich nur mit meiner
Spitze halb in ihr versunken. Sie keuchte, hielt sich bei mir
fest und wirkte benommen. Bevor ich begriffen hatte, stemmte sie
sich hoch, ließ ihr Gewicht einfach auf mich fallen und schrie
schmerzerfüllt auf. Ich rauschte in sie und ein erneuter
Aufschrei ließ sie erstarren. Sie fiel zurück auf meine Brust,
ihre Stirn stützte sie gegen meine Schulter. Heftig blies mir
ihr Atem ins Ohr, als sie sich langsam entspannte, ihre Wange
auf meiner Schulter lag. Wasser benetzte meine Haut.
Erst jetzt verstand ich. Es war für mich, wie in einem Traum.
Meine Traumfrau hielt ich in den Armen, die mir ihre Liebe, ihr
Herz und ihr letztes Geheimnis schenkte. Mir liefen die Tränen.
Sie hatte sich mir vollends überlassen. Ich umarmte sie fest,
suchte ihre Lippen und konnte ihr nur einen Kuss geben. Doch sie
beantwortete meine Liebe, die ich ihr gab.
Ihre Tränen des Schmerzes und unsere der Liebe waren getrocknet.
Das Gefühl, mit ihr vereint zu sein, war unbeschreiblich.
Langsam begann ich, mich in ihr zu bewegen. Und ich nahm sie mit
auf die Reise ins Land der Erfüllung.
Eng umschlungen wogen wir im Einklang, wie auf Schwingen.
Küssend, streichelnd. Ihre weichen Brüste schmiegten sich an
mich, die harten Krönchen darauf schienen sich in meine Haut
bohren zu wollen. Unser Takt wurde schneller. Wieder vernahm ich
ihr stoßweises Wimmern und Gurren. Es war zu viel für mich.
Meine Lenden und Hoden verkrampften sich.
"Brit!", keuchte ich, "oh Brit! Oh ... ich ..."
"JA!", stieß sie mir entgegen, ihr heißer Atem schien meine Haut
zu verbrennen, "Stefan ... ja ... Ben ... KOMM!", und sie
explodierte urplötzlich wie ein Vulkan. Ihre Fingernägel bohrten
sich in meine Oberarme. Am ganzen Leib zitternd und zuckend,
selbst überwältigt ob der Heftigkeit ihres plötzlichen Orgasmus.
"Du darfst ... komm", presste sie zwischen zwei Atemzügen aus.
Wie ein Bär, der seine Beute mit den Pranken hält, packte ich
ihr Becken, hob sie ein wenig an und trieb in immer wilderen
Stößen in sie. Und plötzlich schleuderte ich mein Magma in ihre
heiße Kammer. Brummend, ächzend, stöhnend.
Es gab den Himmel auf Erden.
Stürmisch, liebend vereint und ineinander ruhend küssten wir uns
hingebungsvoll. Wir bebten immer noch vor Aufregung und nur
langsam abebbender Ekstase.
Mit einem tiefen Seufzer wich ihre Anspannung. "Ich liebe dich",
flüsterte sie so leise, dass es fast im Rascheln der Bettdecke
unterging.
Auch ich kam langsam von dieser wunderbaren Reise wieder an.
"Brit", raunte ich mit heiserer Stimme, "ich werde dein Herz gut
bewahren. Ich will dich auch - für immer." Ich empfand eine
große innere Ruhe; als wäre ich vorher rastlos auf der Suche
gewesen. Unsere Wege hatten zusammengefunden.
In enger Umarmung drehten wir uns auf die Seite; von den
Fittichen der Nacht bedeckt, ließen wir uns in Morpheus' Arme
sinken.
Als hätten wir nur ein paar Minuten geschlummert, weckte uns der
junge Tag.
Was für ein Gefühl, am Morgen im Bett samtene Haut zu fühlen und
das, was mir lieb und teuer geworden war, wachzuküssen. Ich
beobachtete meine Liebste, wie sie mich aus ihren noch kleinen
Augen ansah. "Guten Morgen, mein Liebling", schnurrte sie leise
und genoss meine Zärtlichkeiten. "Ich glaube, ich muss duschen",
kam es kaum wacher. "Ich klebe ein wenig."
"Nicht nur du", musste ich schmunzeln, doch ich hatte auch eine
Frage, nein, viele Fragen. Aber wieder einmal war sie mit ihrem
Instinkt schneller. Der schien weit vor ihr aufzustehen.
"Ich nehme nicht die Pille, falls du das fragen willst", und
strich sich eine müde Strähne aus den Augen, "aber ich bin kurz
vor meinen Tagen. Du brauchst also keine Angst haben, Stefan."
Hörte sie etwa meinen Steinbruch rollen? Obwohl ich mir in
diesem Moment sehr gut vorstellen konnte, es mir sogar
sehnlichst wünschte, sie als Mutter unserer Kinder zu sehen.
"Und warum haben wir letzte Nacht ... obwohl du ...?", ich wagte
nicht, es auszusprechen.
"Ja, bis letzte Nacht war ich noch Jungfrau", sagte sie sehr
besonnen und bedeutungsvoll. "Ich habe dir aber mein Herz
geschenkt. Mein Herz und meine Unberührtheit. Das gehört für
mich zusammen. Ich habe noch nie einem Mann zuvor gesagt, dass
ich ihn liebe. Du bist der Erste. Und es ist so, ja. Ich liebe
dich. Und trotzdem müssen wir nun aufstehen, auch wenn ich dich
gern noch einmal in mir fühlen möchte. Ich gehe jetzt duschen",
sagte es, schlug die Decke zurück und stand nach einem
flüchtigen Küsschen auf.
Ich genoss jede Faser, jeden Millimeter ihrer samtig, nahtlos
sonnenverwöhnten Haut. Ein Körper; kaum dem Mädchenalter
entwachsen und doch Frau. Als hätte sie ihre Jugend nie
abgelegt. "Nimmst du mich mit?", fragte ich erwartungsvoll.
"Wohin?", schaute sie über ihre Schulter. Ihr goldenes Haar
schimmerte im Schein der Lampe.
"Unter die Dusche?"
"Nimmersatt", lächelte sie mich an und streckte einladend ihre
Hand aus. "Und du wolltest meine Brust nicht anfassen", zwackte
sie mich in die Seite, als das warme Wasser über unsere Körper
spülte.
"Warum nur die Brust, wenn ich die ganze Frau haben kann",
konterte ich und umfasste ihr Gesicht vorsichtig. "Brit, es
kommt mir alles noch so unwahr vor."
"Mir nicht", kam es sanft und trotzdem sehr überzeugend.
Die Tage verflogen, unsere Nächte waren teilweise heiß und auch
zu kurz. Ihre Regel kam - zum Glück.
"Der Leichtsinn hat jetzt aber ein Ende", ließ sie mich wissen
und legte die Packung mit der Pille auf den Tisch. "Noch möchte
ich nicht Mutter werden, Stefan, aber sobald wie möglich."
"Hast du für mich auch noch ein Glas?", wispert es leise an
meinem Ohr.
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und sehe mich verwirrt um.
Meine Liebste kniet neben mir und hält auffordernd ihr Glas hin.
Ich angle nach der Flasche und gieße ihr ein. Wie ein kleines
Kind krabbelt sie zu mir auf den Schoß und lehnt sich bei mir
an. Wir sind beide kaputt von diesem Tag; aber auch unendlich
glücklich.
"Was ist mit dir, Ben?", hebt sie kurz ihren Kopf und erforscht
mein Gesicht.
"Müde", sage ich nicht ganz die Wahrheit und muss schmunzeln.
"Weißt du, ich bin müde. Aber ich musste auch an etwas denken.
Das muss ich dir eigentlich mal erzählen. Das war sogar ganz
lustig damals. Weißt du, letztes Jahr im September war das. Da
kamen nämlich mal zwei so junge Dinger in meinen Laden ... au",
sie hat mir ohne Vorwarnung ihren Ellenbogen in den Magen
gestoßen.
"Junge Dinger! Wie sich das anhört! Wie Flittchen!", ist sie
entrüstet.
"Na ja. Betrachten wir es mal ganz neutral. Du hattest damals
das Top an - ohne BH. Deine Schwester trug einen."
"Woher willst du das denn wissen?", klingt sie immer noch
fassungslos, muss aber auch lachen.
"Ein Eimer mit Wasser bringt einiges ans Tageslicht. Kommt immer
drauf an, wofür man das Wasser gebraucht", griene ich etwas
listig und lasse meine Hand unter ihren weiten Wohlfühlpulli
gleiten. Sie will etwas sagen, doch ich verschließe ihren süßen
Schmollmund, möchte jetzt mit ihrer kleinen Zungenspitze
spielen, mit ihr ringen. Sanft ziehe ich kleine Kreise über
ihren flachen Bauch, krabble mit den Fingern hinauf, um meine
Hand liebkosend über ihre festen und doch so nachgiebig weichen
Brüste zu streichen zu lassen. Unser Kuss verstärkt sich, wird
zu einem kleinen Kampf um die Vorherrschaft, meine Hand ruht auf
ihrer linken Brust. Ihr Herz bollert von innen dagegen. Mein
Spiel steigert sich und ich schiebe meine andere Hand mit unter
den weiten Stoff, knete ihren zweiten Wolllusthügel so, wie sie
es gern hat. Nur kurz unterbrechen wir den Ringkampf unserer
Münder. Kehlig, von Geilheit und Gier besessen knurre ich: "Und
ich will deine kleinen strammen Titten nicht erst auspacken
müssen, meine Süße."
"Lustmolch", raunzt sie etwas gestreng, stellt das Glas auf den
Tisch und hat mit einem Schwung ihren Pullover ganz ausgezogen.
"Ich will zusehen, wenn du mich verwöhnst," und in ihren Augen
flammt die Glut auf, "ich will dich sehen, wenn du mir am
liebsten hemmungslos die Kleider vom Leib reißen willst. Mich
nur noch nackt willst, um mich einfach nur noch zu nehmen." Mit
einem Satz ist sie von meinem Schoß runter und steht vor mir.
Rasend vor ungezügelter Lust sprengt sie ihre Hose auf und
schiebt meine Finger auf ihr goldenes Dreieck. "Zieh mich aus!
LOS!", und sie schiebt meine Hand kernig auffordernd zwischen
ihre Schenkel, dass ich ihre Nässe fühlen kann. "Ich will dich!
JETZT!", kommt bei mir in einer Triebhaftigkeit an, wie ich es
schon manches Mal von ihr gehört habe.
Ich weiß, dass sie eine unendlich sanfte und anschmiegsame Frau
sein kann; dass wir uns zärtlich einander hingeben können, und
nach Stunden des Verwöhnens im Gleichtakt gemeinsam ineinander
vereint den Weg zum Gipfel des Genusses hinaufschweben; um oben
angekommen, in einmütiger Harmonie das Ziel unserer Liebe im
Rausch der höchsten Erregung miteinander zu erleben.
Doch wenn sie vom reinen Verlangen nach ungezügeltem Sex gepackt
wird, erwacht in ihr das Raubtier. So zierlich ihre Erscheinung
auch sein mag, sie mutiert vom blonden Engel zum schwarzen
Panther. Und diese Wildkatze ist jetzt in ihr erwacht.
Ohne Rücksicht, selbst nur vom Heißhunger nach ihrer Nacktheit
angetrieben, zerre ich ihre Hose samt Slip bis zu den Knöcheln
runter, packe ihre Backen und vergrabe meine Nase in ihrer
Mitte. Meine Zunge drängt zwischen ihre Schenkel und will ihre
empfindliche Perle reizen. Sie stützt sich auf meinen Schultern
ab, strampelt sich selbst die Hose ganz aus und wirft sich
rücklings auf das Sofa.
"Zeig mir, wie sehr du mich willst", ihre Augen sprühen Funken
der Leidenschaft. Weit spreizt sie ihre Beine und zieht ihre
Schamlippen auseinander. "Du willst mich!", röchelt sie lüstern.
"Sie her!", fährt sie mich auffordernd an und zieht mit ihren
Fingern durch die Nässe, dass es schmatzt.
Meine Sachen fliegen durch den Raum und ich knie mich nackt vor
das Sofa. Ich will ihren Saft schmecken, sie mit meiner Zunge
und meinen Fingern in den siebenten Himmel katapultieren und sie
dann mit meiner Länge ausfüllen. Ich will in sie fahren, sie
glücklich machen, ihre Wünsche von den Augen ablesen.
Doch sie schiebt mich weg. "Nimm mich endlich!", schreit sie
mich brünstig an, "Steck ihn mir rein! Fick mich endlich,
verdammt noch mal!"
So kenne ich sie kaum, dass sie es fast nicht mehr erwarten
kann. Aber ihre Blicke, die sie mir schon den ganzen Tag zuwarf,
ihre zarten Berührungen, die ich immer wieder genießen durfte.
Jetzt gewinnen sie an Bedeutung. Hemmungslos und ohne Rücksicht
weite ich ihre Mitte, sehe zu, wie mein mächtiger Schwanz immer
tiefer in ihrer Höhle verschwindet, sie pfählt und aufspießt.
"Ganz!", schreit sie hemmungslos, "lass dich gehen!"
Ich traue mich fast nicht, bis zum Ende in sie zu stoßen. Meine
Größe ist länger als das, was sie aufnehmen kann. Und dann merke
ich nur noch, wie sie ihre Beine hinter meinem Steiß verschränkt
und es mich mit Macht in sie drückt. Unerbittlich hat sie mich
in sich geschoben, ihr Innerstes gedehnt, bis mein Becken gegen
ihren Po kracht. Sie schreit auf, lässt aber nicht locker,
verkrampft fast ihre Beine und ihre Muskeln massieren in
atemberaubender Geschwindigkeit meinen Mast. Ich kann mich nicht
bewegen. Sie flattert mit ihren Fingern über ihre Klit, hat die
Schamlippen weit auseinandergezogen und walkt ihre Perle. Dieser
Anblick und das wahnsinnige Gefühl in ihr, was sie mit meinem
Glied anstellt, bringt mich fast um den Verstand. Sie bäumt sich
unter mir auf und lässt mit einem befreienden Schrei ihr
Hochgefühl durch den Raum hallen. Ihre Beine lassen locker, ich
darf mich an ihr laben und mich ganz meinem Gefühl hingeben.
Doch ich will jetzt auch nur noch zum Ziel kommen, stoße in sie,
denke nicht mehr darüber nach und krache immer wieder gegen
ihren Po. Sie springt nochmals auf den Zug auf und zieht wieder
ihre Lippen auseinander. "Knete mich!", giert sie verlangend.
Und nur zu gern komme ich dieser Aufforderung nach. Es beginnt
in mir zu brodeln und fast im selben Moment feuere ich den
ersten Schuss ab. Immer wieder schiebe ich mich bis zum Anschlag
in sie. Und beim letzten Schuss kommt auch sie noch einmal
gewaltig.
Mir ist schwindelig. Was sie heute mit mir angestellt hat, war
der Wahnsinn. Es gab ja schon die absonderlichsten Orte, wo wir
einfach übereinander hergefallen sind, aber in dieser Härte
hatten wir es noch nie getrieben. Langsam komme ich zu mir. "Was
war los heute?", frage ich noch halb benommen.
Sie ist ebenso noch außer Atem. "Du weißt doch", lächelt sie und
ringt ein wenig nach Luft, "was du mich vor ein paar Wochen mal
gefragt hast", sie keucht immer noch leicht. "Und diesen Monat
...", kurz stockt sie und wirkt ein wenig verlegen, "diesen
Monat beginnen heute wichtige und wunderschöne Tage." Ihr läuft
eine Träne über die Schläfe und wird von ihrem seidigen leicht
verschwitzten Haar aufgefangen. Sie schnieft und zieht mich zu
sich runter. Samtig weich fahren ihre Lippen über meine Wangen;
ihre Zungenspitze zeichnet meine Lippen nach. Stützend hält sie
meinen Kopf mit ihren Händen und betrachtet mich eine kleine
Weile. Sehr bedächtig kommen ihre Worte: "Stefan Benjamin
Klaasen. Vor einem halben Jahr haben wir beide uns das Ja-Wort
gegeben. Ich schenke es dir heute nochmals - aber auch mir. Dir
- und mir - und unserem Wunsch nach einer Familie."
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