|
Nach dem gemeinsamen Lernen saßen wir einträchtig nebeneinander
auf Marianas Schlafcouch, an die Täfelung unter der Dachschräge
gelehnt, die Beine angezogen, die Arme um die Knie geschlungen,
und hörten Musik. Durch das blattlose Eichengeäst vor dem
Giebelfenster sickerte Mondlicht in das Zimmer und streifte
Wände und Boden der gemütlichen kleinen Kammer mit seinem müden
kalten Schein, streute fahlen Schimmer in den Schattentanz einer
flackernden Kerzenflamme.
Marianas Kopf ruhte an meiner Schulter. In trauter, stiller
Zweisamkeit lösten wir uns von dem Druck der letzten Monate. Die
kühlen Klänge Debussys stiegen leise zum Mond auf, und eine
rätselhafte Traurigkeit erfasste mich. Ich fühlte, wie auch
Mariana die Melancholie überwältigte, und wollte ihren Schmerz
teilen.
Sanft küsste ich ihre Schläfe. Ihre Augenlider flatterten kurz,
und dann rollte eine Träne über ihre Wange. In diesem Moment
erschien sie mir so herzzerreißend bekümmert, so zerbrechlich,
ihr Gesicht war so voller Anmut, dass ich den Arm um sie legte
und ihr tröstend die feuchte Tränenspur von der Wange küsste.
Sanft, unschuldig, senkte ich meine Lippen für einen kurzen
Augenblick auf ihren traumhaft schön geschwungenen, weichen
Mund. Dankbar zog Mariana mich an sich, und lange, wunderbar
lange, verweilten wir in einer engen Umarmung. Bis Mariana, ohne
ihre Augen zu öffnen und - zu meinem Erstaunen -, mir ihre
Lippen für einen weiteren Kuss darbot. Sie spürte mein Zittern
und strich beruhigend mit ihren Händen über meinen Rücken,
während ich meinen Mund zärtlich, kaum spürbar auf ihre Lippen
schmiegte. Als schließlich Marianas Zungenspitze hervorschlüpfte
und gegen meine Lippen stieß, bebte mein Körper vor Angst, Scham
und Unsicherheit, Neugier, überströmender Zuneigung und
sehnsüchtigem Verlangen.
Meine Lippen auf Marianas Lippen, glitt zaghaft auch meine
Zungenspitze hervor, und ich leckte zart an der Zungenspitze
meiner Freundin. Bald öffneten sich unsere Münder immer weiter,
Marianas Zunge tauchte in meinen Mund, und liebevoll
schlängelten unsere Zungen umeinander. Das Blut rauschte durch
meine Adern. Meine beste Freundin in dieser Weise zu küssen, die
Lust, die ich dabei empfand, all das kam mir so unwirklich vor.
Ich wollte spüren, ob Marianas schlanker Leib unter den gleichen
Aufwallungen litt wie meiner, ob Konfusion und Begierde sie
genauso aufwühlten, und schob meine Hand unter ihren Sweater auf
die bloße Haut. Marianas Körper fieberte. Meine Hand wanderte
über die glatte heiße Haut zu ihrer linken Brust und umschloss
den runden Hügel. Steif und hart drängte ihr Nippel gegen meine
Finger. Ich fühlte eine Wärme in meinem Schoß wie niemals zuvor.
Unsere Zungen und Lippen waren längst wie ein Mund, so liebevoll
vereinten sich unsere Schleimhäute. Ich wusste nicht, wer von
uns beiden nun der anderen mehr Trost war, mehr Halt war in der
Verlorenheit dieses Daseins. Marianas Hingabe, ihre anrührende
Schönheit raubten mir schier den Atem.
Ihr Dekolleté schmückte ein Medaillon an einer silbernen
Halskette. Unter der flachen gläsernen Haube des kleinen
Behältnisses steckte der Ausschnitt eines Schnappschusses von
mir und Mariana.
Meine Lippen und meine Zunge glitten über Marianas samtene Haut
zu dem Symbol unserer Freundschaft, hoben das Kleinod von ihrer
Brust und bargen es in Marianas Mund. Unsere Zungen streichelten
einander und spielten dabei mit dem Medaillon.
Eine zweite Träne kullerte, meine Freundin drückte mich noch
enger an sich und presste leidenschaftlich ihren Mund auf
meinen.
Dann glitt ihre Hand unter den Bund meiner Jeans.
Mein Körper war ein einziges Glutmeer, mein ganzer Leib schwang
im Rhythmus reinster Begierde, aber sachte, so sachte, dass es
keiner Abwehr gleichkam, fasste ich nach ihrer Hand und zog sie
an meinem Mund. Inbrünstig küsste ich die Innenseite ihrer Hand,
ihre Finger, das Klirren der goldenen Armreife um ihr schmales
Handgelenk klang in meinen Ohren wie eine Hymne auf Marianas
unvergleichliche Eleganz.
Sie war so schön.
Ich küsste ihren Mund, liebkoste wieder ihre Hand, legte ihre
Hand an meine Wange und flüsterte:
"Wir sind Freundinnen."
Ihre Antwort war ein Lächeln, ein Lächeln wie ein Streicheln.
Dieses Lächeln schien in mein Herz wie Sonnenstrahlen an einem
Frühlingsmorgen.
Wieder küsste ich sie, mit zärtlicher Zunge. Sie flatterte in
Marianas Mund. Der Abschied von diesem Kuss, ihrer Zunge, ihren
vollen Lippen fiel mir schwer. Als ich sie schließlich glücklich
anlächelte, fand ich in ihrem Gesicht das gleiche innere
Leuchten.
"Wir sind Freundinnen" sagte sie liebevoll.
Wir breiteten uns auf dem Bett aus. Ich kuschelte meinen Kopf in
Marianas Schoß, Händchen haltend lagen wir so, bis wir
einschliefen.
Ich träumte, dass Marianas Hand in meinen Jeans weiter vordrang,
den zarten Knopf ertastete...Splitternackt wand ich mich unter
ihren Küssen und Liebkosungen, zwischen meinen Beinen entsprang
ein steter Quell. Ich seufzte und schluchzte, als ich kam...
Eine Stunde später wachten wir auf. Die Nacht war sternenklar,
und Mariana begleitete mich ein Stück meines Nachhausewegs.
Bevor wir uns trennten, umarmte sie mich. "Schlaf schön" hauchte
sie in mein Ohr.
Die Klausuren am nächsten Tag absolvierten wir mit Bravour.
Bis heute, dreißig Jahre später, sind wir beste Freundinnen.
Noch Jahre nach diesem romantischen Intermezzo, längst war ich
verheiratet und Mutter zweier Kinder, Mariana lebte mit ihrem
Mann in Südafrika, beschenkte jener feuchte Traum manche Nacht
meinen Schlaf.
Die einzige Frau, die meine sapphischen Neigungen in ähnlichem
Maße heraufbeschwor, war eine Vorgesetzte während meiner
Probezeit in einem Lektorat wenige Wochen nach Abschluss meines
Studiums. Sie repräsentierte dieselbe Grazie und Stilsicherheit,
dieselbe aparte Schönheit wie Mariana, führte das Büro mit
leichter Hand und imponierte mit ihrer Professionalität. Ich
freute mich auf jeden Tag im Verlag.
Sie wahrte stets eine gewisse, in keiner Weise herablassende
Distanz gegenüber den Kollegen, das erleichterte mir, kühlen
Kopf zu bewahren und sie einfach nur heimlich zu verehren.
Doch dann durfte ich meine Chefin auf einen Kongress begleiten.
Ein ganzer Tag in ihrer unmittelbaren Nähe, die so stets
gegenwärtige Erinnerung an den Zauber des zärtlichen Abends mit
Mariana und der Alkohol von drei Gläsern Sekt kosteten mich
meine Contenance.
Beim nächtlichen Abschied vor meinem Hotelzimmer, das Herz
schlug mir bis zum Hals, konnte ich mich nicht länger
beherrschen und küsste sie auf den Mund, streichelte auch einen
winzigen Augenblick lang ihre Lippen mit meiner Zungenspitze.
Als ich meine Lippen von ihrem Mund löste, wirkte sie eher
überrascht und verwirrt als abweisend oder betroffen.
Aber sie trat einen Schritt zurück, wünschte mir mit einem
Nicken kühl und knapp eine gute Nacht und ging zu ihrem Zimmer.
Am nächsten Morgen fand ich unter der Tür ein Schreiben, das mir
das Ende meiner Probezeit und meiner Beschäftigung bei dem
Verlag mitteilte.
|